282d. O..P. Header Text

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Betrachtungen zur Musik der Pariskonzerte

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Cover der roten 6_CD-Box

Cover der "roten" 6-CD-Box

417. O.P. Paris Konzerte 6CD Box

Cover der 2. Edition der 6-CD-Box

Cover der 7. "Zusatz-CD"

Cover der 7. "Zusatz-CD"

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Nach den Vorbemerkungen zu den Paris-Konzerten werde ich nun Hinweise zu den einzelnen Musikstücken geben. Die 7 CDs beinhalten fast 8 Stunden großartiger noch nie zuvor veröffentlichter Musik. Deshalb werde ich nicht alle Titel im Detail besprechen können. Ich gebe Ihnen aber Tips und Kommentare zu Highlights aus der Serie.

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CD Nr. 1 der 6-CD-Box, 1957 – 1963:

Cover der CD 1 der 6-CD-Box

Cover der CD 1 der 6-CD-Box

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8.5.1957, L’Olympia:
Oscar Peterson, Herb Ellis, Ray Brown + Roy Eldridge (tp + vcl on 2), Stuff Smith (vln on 3) and Jo Jones (ds):
The man I love / Schooldays / Bugle Call Rag.
April 30, 1960, L‘Olympia:
Oscar Peterson, Herb Ellis, Ray Brown:
Daahoud / Stockholm Sweetenin’/ Soft Winds / After hours.
February 28, 1961:
Oscar Peterson, Ray Brown, Ed Thigpen:
On Green Dolphin Street / Band Call / I remember Clifford / Where do we go from here.
March 22, 1963, L ‘Olympia:
Oscar Peterson, Ray Brown, Ed Thigpen:
Satin doll.

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Diese CD startet in typischer JATP-Manier mit "The man I love”. Das Trio hat zu diesem Zeitpunkt bereits in die oberen Gänge geschaltet.

Im nächsten Track hören wir als Gäste Roy Eldridge (tp) und Jo Jones (ds). Roy lässt die Trompete einige Oktaven höher klingen, wie Hank Jones mir gegenüber einmal treffend bemerkte. Und in "Schooldays” singt er in einer Weise, die an Dizzy Gillespie erinnert.

"Papa” Jo Jones unterlegt die Titel wie immer mit einem feinen Rhythmus und bildet zusammen mit dem Trio ein Fundament für die Trompete und den rauhen Violinsound von Stuff Smith im rasanten "Bugle Call Rag”. Oscar und Herbie spielen schnelle Soli.

So richtig aber beginnt das Fest mit der "Wiedervereinigung” des ersten großen Peterson-Trios während eines Konzertes 1960 im L`Olympia. Es geht lso mit dem alten "Schlachtross” "Daahoud”, das sich auch auf der 7. CD findet, dort aber gespielt vom Trio mit Brown und Thigpen. Mehr als 7 Minuten lang zeigen Peterson. Brown und Ellis, warum sie einst als "Größtes Jazztrio” bezeichnet worden sind. Herbie spielt, als hätte er das Trio niemals verlassen und übernimmt das erste Solo. Dem folgenden Pianosolo ist deutlich anzumerken, welche Freude Oscar empfunden haben muss, seinen früheren "Sideman” wieder bei sich zu haben. Und auch Ray geniesst in seinem Solo ganz offenbar, wir Herb Ellis ihn unterstützt, indem er seine Gitarre traktiert, als wäre sie ein Bongo.

"Stockhol sweetenin” war zuvor noch nicht aufgenommen worden. Oscar erzeugt gleich zu Beginn eine gewisse Spannung bevor es dann richtig losgeht. Ray Brown zeigt uns mit seinen exakten schwarzbraunen Tönen, warum man ihn auch "Father Time” genannt hat. Und Oscar erweist sich in seinem bluesigen Solo als Improvisationskraftwerk.
"Soft Winds” wurde damals nur selten gespielt, erlebte aber eine Art Wiedergeburt in den 70ern, als Oscar zusammen mit dem Bassisten NHOP spielte. Peterson und Ellis bereiten das Thema zunächst gemeinsam vor, ganz so wie früher. Dann beginnt Ellis mit seinem Solo, bevor schließlich ein großartig aufgelegte Peterson übernimmt. Beiden verschaft Ray Brown ein festes Fundament und dient gleichzeitig auch noch als Inspirationsquelle.

Auch "After Hours” gab es bis dato noch nicht auf Tonträgern. Das Stück beginnt als langsamer Blues und baut dabei zunehmend Spannung auf. Dann zeigt Oscar, was man so alles mit einem Blues anstellen kann, unterstützt vom besten Bassisten, den der Jazz jemals hatte. Ellis übernimmt, gibt dann an Brown ab und schließlich steigt Peterson wieder mit seinem zweiten Solo ein, bevor alle drei zum Finale abheben. Was muss das für ein großartiges Konzert gewesen sein! Und welch grandioses Fundstück beim neuerlichen Abhören der damals mitlaufenden Bänder!

422. O.P. Einzel-CD 1 Paris-Konzerte

Cover einer Alternativedition der 1. CD

"I remember Clifford” wurde immer wieder von diesem Trio interpretiert, wahrscheinlich hat Oscar die schöne Melodie geliebt.

Er beginnt voller Gefühl mit großem Respekt und steigert dann bis zu einem mittelschnellen Swing mit fulminaten Läufen.

Das Tempo zieht an, dennoch bleibt Oscar in seinem Solo nahe an der Melodie.

Er zeigt sich dermassen inspiriert, dass er weder für Broen, noch für Thigpen Raum lässt, obwohl diese Version mehr als 8 Minuten dauert.

Ein Jahr später gastierte das Trio wieder im L`Olympia, diesmal in der Besetzung mit Brown und Thigpen. Gleich zu Beginn mit "On Great Dolphin Street” wieder so ein altbewährter Knaller. Oscar ist offenbar in ausgelassener Stimmung und tanzt quasi über der Grundmelodie.

Danach spielt dieses "zweite große Peterson-Trio” den bekannten Ellington-Titel "Band Call”. Diese von Brown noch dynamisch-schwunghaft angefeuerte Interpretation lässt uns ahnen, warum diese drei Instrumentalisten als bestes Jazz-Trio aller Zeiten bezeichnet worden sind und Ray Brown mit seiner Begleitung als "Traum jedes Pianisten”

Das nächste Stück stammt von der "Fiorello”-LP (Verve) und wurde übrigens von Peterson nur noch ein einziges weiteres Mal viele Jahre später eingespielt auf dem MPS-Album "Great Connection”: Es handelt sich um das tänzerische "Where do I go from here”, einen schnellen Walzer. Die CD schließt mit dem wohlbekannten Ellington-Titel "Satin Doll”.

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CD Nr. 2 der 6-CD-Box, 1963 – 1964.

Cover der CD Nr. 2 der 6-CD-Box

Cover der CD Nr. 2 der 6-CD-Box

22. März 1963, L’Olympia
Oscar Peterson, Ray Brown, Ed Thigpen:
Six and four
Roy Eldridge (tp) als Gast auf:
But not for me / Mainstem / I’ve got a crush on you / Little girl blue / Bonzo blues
25. und 26. April 1964, Théâtre des Champs Elysées
Oscar Peterson, Ray Brown, Ed Thigpen:
Reunion blues / Wheatland / Nightingale / Hymn to Freedom / Yours is my heart alone und Blues for Big Scotia

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Auf dieser zweiten CD findet sich die Fortsetzung des Konzertes aus 1963. Es geht los mit "Six and four”, das wir vom schönen, allerdings meist unterschätzten Album "Affinity” (Verve) kennen, ein Stück voller Rhythmuswechsel. Meisterhaft, wie Brown und Thigpen eine lebhaft pulsierende Basis schaffen, über der Oscar zunächst schwebend tanzt, bevor er schließlich heftig swingend abhebt.

Bei den nächsten 4 Titeln kommt Roy Eldridge als "Überraschungsgast” auf die Bühne. Er beginnt mit "But not for me” und glänzt in "Mainstem”, dem Medley "I`ve got a crush on you / Little girl blue” und der Peterson-Komposition "Bonzo Blues”, ein Stück, das ich noch nie zuvor gehört hatte.

423. O.P. Einzel-CD 2 Paris-Konzerte

Cover einer Alternativedition der 2. CD

Die Box ist voller großer Musik, aber das jetzt folgende 1964er Konzert sticht hervor. Es geht los mit dem "Reunion Blues”, bestens bekannt auis dem klassischen Jazz-Album "Very Tall” (Verve) mit dem Trio und Milt Jackson. An diesem Abend unterstreicht das Trio seine glänzende Verfassung mit einer sogar noch härter swingenden Version als auf "Very Tall”.

Die wunderschöne Eigenkomposition "Wheatland” vom Mercury / Limelight-Album "Canadiana Suite” dauert hier fast 8 Minuten, da Oscar eine womöglich noch inspiriertere Interpretation in mittlerem Swing-Tempo hinlegt, Raum für ein Brown-Solo lässt und mit der Reprise der Melodie abschliesst.

"Nightingale” ist eine weitere herausragende Peterson-Komposition und wird hier zu einem wunderschönen Swing. Gut hörbar, wie Oscars große Hände über die volle Breite der Klaviatur schweben.

Noch berühmter aber ist Oscars "Hymn to Freedom”, das seinerzeit von Dr. Martin Luther King`s Bürgerrechtsbewegung verwendet wurde. Viele kennen die Interpretation dieses wunderschönen Stückes von "Night Train” (Verve), Petersons meistverkauftem Album. Die in Paris eingespielte Life-Version lehnt sich an die Studioproduktion an, glänzt aber zusätzlich mit einigen eigentlich nahezu unmöglich erscheinenden Pianoläufen. Wer mehr über "Hymn to Freedom” erfahren möchte, sei freundlichst auf unser spezielles Kapitel verwiesen.

Die 2. CD schließt mit einem Medley aus "Yours is my heart alone” (Dein ist mein ganzes Herz) von Franz Lehar (in Europa ein Publikumsliebling) und "Blues for Big Scotia”, das Peterson für seine erste Frau schrieb. Den Spitznamen "Big Scotia” hatte sie von Ray Brown. Sie stammte nämlich aus Nova Scotia in Kanada, gebar 5 Kinder und war offenbar meist schwanger, wenn Ray zu Gast bei den Persons weilte.

Dieses letzte Stück ist ein erlesener Swingtitel und diente augenscheinlich als Zugabe dem Abschluss des Konzertes.

Spätere Veröffentlichungen der 7. Zusatz-CD verraten uns übrigens etwas mehr über die Programmfolgen der beiden hier zusammengeschnittenen Konzerte vom 25. und 26.4.1964.

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CD Nr. 3 der 6-CD-Box, 1964 – 1965.

Cover der CD Nr. 3 der 6-CD-Box

Cover der CD Nr. 3 der 6-CD-Box

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25. und 26. April 1964, Théâtre des Champs Elysées
Oscar Peterson, Ray Brown, Ed Thigpen:
I could write a book / Jordu / Bye, bye, Blackbird / Jeru / Ill Wind / Soon / Hallelujah Trail / Yesterdays

20. März 1965, Théâtre des Champs Elysée
Oscar Peterson, Ray Brown, Ed Thigpen:
Keyboard blues / Lil’Darlin’/ Tangerine / My foolish heart

Das 1964er Konzert findet auf der 3. CD seine Fortsetzung mit "I could write a book” von Rodgers und Hart, offensichtlich ins Repertoire genommen, als zu Beginn und zum Ende der 50er Jahre Oscar zahlreiche "Songbooks” eingespielt hat. Der Titel stand so gut wie nie auf dem Programm, möglicherweise ist das Stück sogar kein zweites Mal in irgendeinem anderen Konzert aufgeführt worden. Hier hat der sehr schnell gespielte Song offenbar die Funktion eines das Eis brechenden "Openers”.

"Jordu” dagegen wurde in den 60er Jahren oft vom Peterson-Brown-Thigpen Trio gespielt und swingt hier besonders hart.

Danach mit "Bye, bye, Blackbird wiederum ein nur selten gespieltes Stück. Oscar beginnt seine Interpretation als Ballade, gibt dann Brown ein Zeichen, worauf der Song zu swingen beginnt. Thigpen steuert - wohl mit den Händen –beim Anziehen des Tempos eine Art Bongosound bei, wie es früher Herb Ellis auf dem Klangkörper seiner Gitarre zu tun pflegte.

"Jeru”, in Gerry Mulligans Konzerten so etwas wie dessen Erkennungsmelodie, wurde zuvor noch niemals von einer Peterson-Gruppe öffentlich dargeboten. Es beginnt als langsamer Schwelbrand, aber hören Sie nur, wie Brown zunehmend das Trio antreibt, swingen lässt und Oscar zu grandiosen Läufen inspiriert.

424. O.P. Einzel-CD 3 Paris-Konzerte

Cover einer Alternativedition der 3. CD

Anschließend kommen zwei Tunes, die wir auch aus den "The London House Sessions” von 1961 her kennen:

Das einfach nur wunderschöne "Ill wind” beginnt ähnlich wie in Chicago. Oscar fordert die gesamte Klaviatur des "grand piano”, und das vor allem im zweiten Teil, wo er die Melodie völlig anders frei fantasierend darbietet.

Auch "Soon” ist nahe an der Version aus dem London House, vielleicht hier aber sogar etwas schneller und mit 3:43 Minuten recht kurz.

"Hallelujah Trail” ist eine Peterson-Eigenkomposition, ursprünglich bestimmt für die Vokalversion von "Hymn to freedom” (vgl. das spezielle Kapitel über "Hymn to freedom”), hier aber interpretiert als eine Art spiritueller Weckruf. Das Stück nimmt bald swingend Fahrt auf und leitet über zu schier unmöglich erscheinenden Pianoläufen, einem tollen und schnellen Brown-Solo und einem sich gegenseitig inspirierenden Wechselspiel zwischen Oscar und Ed, bevor es in einem mitreissenden Finale endet.

Das melodisch schöne "Yesterdays”, nicht zu verwechseln mit "Yesterday” von den Beatles, stammt von Jerome Kern. Es nimmt hier erst einmal das bislang rasante Tempo zurück und beweist Oscars Fähigkeit, traumhafte Balladen zu spielen.

Als "Erstaufführung” folgt die Peterson-Eigenkomposition "Keyboard-Blues”. Unvergleichbar, wie Oscar diesen schnellen Blues angeht, scheinbar immer mehr an Fahrt aufnimmt, Ray Brown zu einem schnellen Solo treibt und inspiriert im High-Speed-Modus wieder übernimmt.

"Lil` Darlin” mit seinem das Klavier stützenden dahinschreitendem Bass ist ein vom Trio oft gespielter guter alter Bekannter. Diese Version hier ist allerdings eine der bluesigsten, die ich jemals gehört habe.

Gleichfalls vom 1962er Album "Affinity” stammt "Tangerine”. Das Stück zeigt gut auf, warum Oscar Liveaufnahmen den von ihm "kalt und mechanisch” empfundenen Studioproduktionen vorzog. Hier tanzt und wirbelt er walzerartig über der Melodie und lässt sich von Ray und Ed zu einem unwiderstehlichen Swing treiben. Nicht zuletzt dieses Stück führt uns wieder einmal vor Augen, warum das Peterson-Brown-Thigpen Trio eine solch furiose Formation war.

Aus dem "Great American Songbook” stammt "My foolish heart”, das nur selten in Konzerten gespielt wurde. Peterson startet mit einem Solo voller Läufe über der Grundmelodie, Ray gesellt sich mit einem eng an die Stimmführung angelehnten Solo dazu, bevor Oscar wieder in romantischer Stimmung übernimmt und schließlich beide (ohne Ed) dieses wunderschöne Stück beenden.

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CD Nr. 4 der 6-CD-Box, 1965 – 1966.

392.-O.P.-Paris-4

Cover der CD Nr. 4 der 6-CD-Box

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20. März 1965, Théâtre des Champs Elysées
Clark Terry (tp on 1-4, vocals on 5), Oscar Peterson, Ray Brown, Ed Thigpen:
Mack the knife / Blues for Smedley / Misty / Mumbles

29. März 1966, Salle Pleyel
Oscar Peterson, Sam Jones, Louis Hayes:
Blues Etude (concert opening) / You look good to me / Stella by starlight / Moanin’/ Shelley’s world / Autumn leaves.

Ich kann mich noch sehr genau an dieses Konzert aus der Reihe "An Evening with Ella and Oscar” im Concertgebouw Amsterdam 1965 erinnern, als Peterson seiner Überraschungsgast vorstellte: Clark Terry. Die Zusammenarbeit des Trio mit Clark Terry aber war uns natürlich bereits vom letzten Album "Trio + One” (Mercury-Limelight) her bekannt.

Clark Terry verwendete innerhalb ein und desselben Tracks oftmals 2 Blechblas-Instrumente, die Trompete und das Flügelhorn, wodurch bei seinen wunderbaren Soli der Eindruck entstand, nicht nur einem, sondern zwei Solisten zu lauschen. Terry war übrigens einer der wenigen Musiker, die sowohl in der Band des Count, als auch des Duke gespielt haben. Das war möglich, weil beide große Bandleader sich gegenseitig schätzten und eine Art Übereinkunft geschlossen hatten, sich gegenseitig keine Leute wegzunehmen.

Clark Terrys beendete seinen Part des Konzertes mit einer geballten Ladung Humor in seinem später zum Hit gewordenen "Mumbles”. In diesem hart swingenden bluesigen Stück lässt er die Instrumente beiseite und steuert ausschließlich Vocals bei, allerdings in einer ungewöhnlichen Weise, indem er keine Worte, sondern nur Töne stammelte (vgl. englisch "to mumble”). Später hat er mir einmal berichtet, dass sich so in seiner Heimatstadt St. Louis manch ältere Pianisten geholfen hätten, wenn vom Publikum ein Song gewünscht wurde, dessen Text sie nicht mehr kannten. Sie haben dann einfach irgendetwas "gemumbelt”, wobei die oft schon etwas angetrunkenen Gäste das gar nicht mal registriert hätten.

Terry musste sein "Mumbles” 4 oder 5 weitere Male für das in Lachen ausbrechende Publikum wiederholen und kam sogar zum Finale mit Ella Fitzgerald noch einmal auf die Bühne.

Terrys Einspielung von "Mumbles” wurde später in vielen Ländern zu einem großen Hit und sogar als 7-Inch-Single auf den Markt gebracht.

Später einmal hatte ich Gelegenheit, mit Oscar Peterson über "Mumbles” zu sprechen. Dabei erzählte er mir, das bereits oben genannte Album mit den vorausgewählten Titeln sei in Rekordzeit im Kasten gewesen, worauf man wie üblich noch etwas im Studio gejammt habe - und glücklicherweise seien die Bänder mitgelaufen. "Clarkie” habe ihm zugerufen: "Oscar, spielt mal einen richtig swingenden Blues”. Und als das Trio entsprechend losgelegt habe, sei Terry "mumbelnd” hinzugekommen, worauf er, Oscar, vor Lachen fast vom Stuhl gefallen sei. Man war sich einig, das Stück noch mit auf das Album zu nehmen, und so geschah es auch, zusammen mit einer anderen Vokalnummer.

Dieser Song hat Clark berühmt gemacht. Das Publikum in der ganzen Welt wollte für den Rest seiner Karriere immer wieder "Mumbles” hören und so wurde Terry zu "Mr. Mumble”.
Nun, was sich im Concertgebouw Amsterdam zugetragen hatte, wiederholte sich im Théâtre des Champs Elysées. Und wenn Sie Clark Terry einmal mit "Mumbles” sehen wollen, so haben Sie mit der DVD "Oscar Peterson Live `63, `64 and `65” (Jazz Icons) die Möglichkeit. Clark und das Trio wurden 1965 in Finnland aufgezeichnet.

Später dann tourte Clark zusammen mit dem Bassisten Red Mitchel, der ebenfalls "mumbeln” konnte. Das war schon sehr ungewöhnlich, was das Duo da an Vocals zum Besten gab.

Allerdings bleibt die Originalversion auf "Oscar Peterson Trio + One” (Mercury SR 60975) nahezu unschlagbar. Oscar hat den Song wirklich geliebt und schloss eine enge Freundschaft mit Clark Terry.

425. O.P. Einzel-CD 4 Paris-Konzerte

Cover einer Alternativedition der 4. CD

Nun aber zurück zu den Tracks auf der 4. CD der Paris-Konzerte. Die ersten 4 Tracks gehören Terry als Gast.

Er ist einfach wunderbar, beginnt mit dem bekannten "Mack the knive”, lässt "Blues for Smedley” folgen, ein Tribut an den Produzenten und Impresario Norman Granz, dessen Spitzname "Smedley” war.

Ein weiteres Tribut geht an Erroll Garner mit dessen berühmten Stück "Misty”.

Clark schliesst ab mit "Mumbles”.

Es folgt mit "Blues Etude” eine der bekanntesten Peterson-Kompositionen, häufig als letztes Stück eines Konzertes gespielt. Die vielleicht definitive Version in "ultra high speed” befindet sich auf "The Trio” (Pablo) mit Joe Pass und Niels-Henning Orsted Pedersen, aufgenommen 1973 im London House, kurz bevor dieses luxuriöse Steakhaus seine Türen für immer schloss. Lesen Sie diesbezüglich auch unser Kapitel über die "London House Sessions” und die Besprechung des Albums "The Trio” aus dem Jahr 1973.

Hier nun hören wir die "Blues Etude” im Jahre 1966 vom nur kurze Zeit existierenden Trio mit Sam Jones und Louis Hayes. Beide entstammten dem Cannonball Adderley Quintet. Louis Hayes kam im Sommer 1965, als Ed Thigpen nach der Europa Tournee ausstieg. Sam Jones folgte als allerdings ganz anderer Typ eines Bassisten Ray Brown, der 1966 nach der Japan Tounee das Trio verliess. Brown hatte das ständige Reisen satt, gab das Trio doch jedes Jahr mehr als 200 Konzerte.

Vom Jones-Hayes Trio gibt es nicht viele Aufnahmen, mithin sind diese aus Paris 1966 von großem Interesse. Nach der "Blues Etude” folgt "You look good to me”, eine absoluter Klassiker im Peterson-Repertoire. "Moanin” ist ein Jazz-Klassiker der 50er Jahre von Art Blakey und seinen Jazzmessengers. Oscar hatte es mit dem Brown-Thigpen Trio im Sommer 1965 in Kopenhagen aufgenommen und auch während der "London House Sessions” 1961. Aber die Version hier ist noch viel besser als die Kopenhagener und wird damit zum endgültigen Tribute für Blakey und seine Männer. Blakey hatte mit "Blues March for Europe 1” ja auch die Erkennungsmelodie des Programms "Pour ceux qui aiment le jazz” beigesteuert, siehe unsere diesbezüglichen Ausführungen in der Einleitung.

Cover einer Alternativedition der 4. CD

Eine der wahrscheinlich allerbesten Versionen von "Mumbles” befindet sich auf der CD "George Robert Quartet, featuring Mr. Clark Terry” auf TCM 90802, live aufgenommen im Jazzclub Q4 in Rheinfelden, Schweiz. Um die 13 Minuten lang bietet uns Clark eine Art "High class Mumbling” im Track "The Mumbles to end all Mumbles”
.
Auf dieser CD wendet sich Clark mit einer Art Ansprache an uns, er predigt, doziert, tratscht, scherzt – all` das hinter- und durcheinander. Doch als wenn das nicht genug wäre, benutzt er auch noch verschiedene Sprachen und bringt dann noch eine Art stimmungsgeladenes Zwiegespräch zwischen einem Mann und einer Frau. Diese Version zu seinem 70. Geburtstag fängt wie keine andere Terrys musikalische Essenz ein.

"Shelly`s world” wurde nur selten bei Konzerten gespielt, in Paris brachte Oscar das Stück überhaupt erst zum zweiten Mal. Gerade 3 Tage zuvor hatte er es erstmalig während des San Remo Jazz Festival (Italien) im Programm. Letztere Version befindet sich auf der nur schwer erhältlichen LP/CD "Canadian Giant” des italienischen Labels De Agostini.

Erstmalig wurden sowohl "Blues Etude” als auch "Shelly`s world” auf dem Studio-Album "Blues Etude” eingespielt. Diese Produktion hält das Trio in der Übergangsphase 1965/1966 auf dem Mercury-Label fest.

"Shelly`s World” hebt in der Paris-Einspielung als Ballade an voller Respekt vor der von Traut komponierten Melodie. Aber schon bald nach der Vorstellung des Themas wandelt sich das Stück zu einem erlesen swingenden Walzer, wobei die neue Rhythmussektion mit Jones und Hayes eine wundervolles Fundament schaffen.

Und obgleich Sam Jones darür bekannt war, nicht oft Soli zu spielen, hier tut er es. Und wie exakt er hier den Takt, das Tempo hält, bis Oscar wieder einsteigt und die Melodie erneut aufnimmt.

"Autumn leaves” geht auf den klassischen französischen Song "Les feuilles mortes” von Kosma und Prévert zurück. Es wurde bekannt durch den fanzösischen Sänger Yves Montand. Der englische Text stammt von Johnny Mercer.

Diesen Song ins Programm zu nehmen ist klar eine Verbeugung vor dem französischen Publikum. Oscat beginnt im 4/4-Takt, dann aber erfäht das Stück eine intensive Swing-Behandlung, obschon sich Peterson recht eng an die Originalmelodie anlehnt. Jones hebt an zu einem weiteren Solo, diesmal deutlich schneller, aber immer eng im Takt bleibend und Hayes zeigt sich in großartiger Form während seines Wechselspiels mit Peterson.

Der Fortgang dieses Konzertes befindet sich auf der nächsten CD.

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CD Nr. 5 der 6-CD-Box, 1966 - 1969

Cover der CD Nr. 5

Cover der CD Nr. 5 der 6-CD-Box

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29. März 1966, Salle Pleyel
Oscar Peterson, Sam Jones, Louis Hayes:
Hogtown Blues / Watlz for Debby / Between the devil and the deep blue sea / My one and only love / In a mellow tone

16. November 1969, Salle Pleyel
Oscar Peterson, Sam Jones, Bobby Durham:
The lamp is low / On a clear day ( you can see forever) / Triste / Down here on the ground

Das Konzert im Salle Pleyel vom März 1966 war ziemlich sicher eines der allerersten des "neuen” Trio, nachdem Ray Brown, Oscars engster Freund ausgestiegen war, um in Los Angeles / Kalifornien als Studiomusiker zu arbeiten (Siehe auch Kapitel über Ray Brown).

Ray war es leid, wie zuletzt wieder während der Europatour 65 Konzerte innerhalb von 68 Tagen zu geben, manchmal sogar zwei pro Tag und danach sofort für weitere 2 Wochen bis Februar 1966 in Japan zu touren. Insgesamt tourte das Trio 11 Monate in jedem Jahr. Ray hat sich mir gegenüber dazu wie folgt geäußert: "Ich brauchte nicht diesen Haufen an Geld, wobei unsere Gage wirklich gut war. Denn währenddessen lief uns das Leben weg. Wir waren nur noch damit beschäftigt, den Flieger zu nehmen und dann das Taxi. Jeden Tag ein anderes Hotelzimmer, eine andere Bühne. Manchmal wussten wir nicht einmal, in welcher Stadt oder gar in welchem Land wir gerade waren”.

Auch Oscar erzählte mir später, dass ihn diese Art des Lebens mehrere Scheidungen eingebracht hatte. Von seinen Kindern habe er nicht viel mitbekommen. Erst 1990, nach der Eheschließung mit seiner vierten Frau Kelly, hat er gravierende Änderungen vorgenommen.

Das 1966er Konzert geht weiter mit dem selten gespielten "Hogtown Blues” aus Oscars "Canadiana Suite”. Das Stück wurde erstmals eingespielt 1964 auf dem Mercury Label und erneut 1973 mit dem Phil Nimmons Orchestra auf dem Kanadischen CBS-Label, Nr. LM-303). Letztere Aufnahme ist nur noch extrem selten zu finden ("ultra rar”). Mein Exemplar habe ich von Oscar als Geschenk bekommen.

Hier wird das Stück in sehr ungewöhnlicher Art und Weise interpretiert, indem nach einigen Minuten ein Rhythmuswechsel vollzogen wird hin zu einer "High Speed Improvisation” mit atemberaubenden Pianoläufen. Das Trio swingt heftig. Man merkt, dass Jones und Hayes eine gut eingespielte Rhythmusgruppe waren, hatten sie doch schon jahrelang gemeinsam unter Cannonball Adderley gearbeitet. Oscar ist bei diesem Stück voller Inspiration.

Der schöne "Waltz for Debby” ist eine Verbeugung vor dem Pianisten-Kollegen Bill Evans, der diesen Song für seine Nichte geschrieben hatte. Unter Oscars großen ebenholzfarbenen Händen beginnt das Stück wie erwartet als Waltzer. Dann aber ändert sich der Takt, das Trio erzeugt beschwingte tänzerische Töne über einem großartigen Rhythmusfundament. Oscar spielt sehr inspiriert, kehrt zur Melodie zurück und legt dann noch einmal los, diesmal aber in ganz anderem Tempo und ganz anderer Stimmung als Swing.

Oscar hat den Song oft gespielt und auch oft aufgenommen, aber diese Version hier gehört sicher zu seinen allerbesten Interpretationen.

"Between the devil and the deep blue sea” wird vom Trio hier erst zum zweiten Mal in einem Konzert gespielt. Die Prmiere erfuhr das Stück gerade mal 3 Tage zuvor am 26.3.1966 in San Remo. Ich hatte schon darauf hingewiesen, dass man dieses Konzert auf dem Album "Canadian Giant” nachhören kann. Zum allerersten Mal hatte Oscar den Track übrigens im Rahmen der "Songbooks”-Sessions 1954 aufgenommen, damals dauerte das Stück nur 3 Minuten.

Dieses Mal aber schaltet das Trio nach der Vorstellung der Melodie um in die höheren Gänge und auch Louis Hayes erhält letztlich Raum für seine Stöcke. Oscar spielt derart feurig angetrieben, dass man sich unwillkürlich fragt, ob er denn überhaupt jemals wieder aufhören wird. Diese Version dauert mehr als 8 Minuten und macht ganz offenbar Oscar selbst enormen Spass.

Ebenfalls aus dem "Great America Songbook” entstammt die Melodie "My one and only love”. Nach dem sehr schnellen vorherigen Stück beginnt dieser Titel als Ballade. Zunächst verbeugt sich Oscar vor der schönen Melodie, deren Text er ganz offensichtlich genau kennt, denn er lässt das "grand piano” förmlich singen. Dann aber zieht er das Tempo an, entwickelt seine ureigenen Empfindungen und lässt uns wieder einmal seine "unmöglichen” Läufe bestaunen. Gegen Ende nimmt er die ruhige Melodie wieder auf und interpretiert sie als Liebeserklärung, wohl für Sandy, seine damalige Frau.

426. O.P. Einzel-CD 5 Paris-Konzerte

Cover einer Alternativedition der 5. CD

Peterson und Duke (Edward Kennedy) Ellington verband eine enge Freundschaft.

Oscar sammelte die Musik dieses großen Bandleaders und besaß bereits mehr als 1200 LPs/CDs.

"Wenn ich zu Hause bin, spiele ich Bach oder Ellington auf meiner Stereoanlage”, hat er mir einmal erzählt.

"In a mellotone” (auch: "In a mellow tone”) ist bei diesem Konzert seine Verbeugung vor dem Freund, später dagegen hat er oft ein Ellington Medley gespielt und mit einem furiosen "Caravan” abgeschlossen.

Da sind sie wieder, die zarten und dabei doch heiteren Töne! Das Trio swingt und ist dabei so nahe zusammen, wie überhaupt möglich. Sam Jones spielt einen grandiosen Bass und hält dabei die ganze Zeit exakt Takt und Tempo.

Nach diesem großartigen Konzert des Jahres 1966 wenden wir uns jetzt dem Pariser Gastspiel 1969 zu. Dazwischen liegen mehrere Aufnahmen für MPS, eingespielt im Heim von Hans Georg Brunner-Schwer und veröffentlicht als Serie mit dem Titel "Exclusively for my friends”. (Sie auch die Kapitel über Brunner-Schwer, SABA, MPS und die dort in Villingen produzierten ganz und gar einmaligen LPs.

1969 hatte Louis Hayes das Trio verlassen, um eine eigene Gruppe zu bilden, kehrte aber während seiner späteren Laufbahn zu Oscar zurück. Der neue Mann am Schlagzeug war der "kleine” Bobby Durham (ich habe ihn mehrfach getroffen). Oscar flachste während der Konzerte: "Ich habe ihn von Duke Ellington gestohlen”. In Wahrheit aber hat der Duke sich niemals einen Musiker wegnehmen lassen, noch hat er je ein Mitglied der Gruppe gefeuert. Aber er hatte seine ganz eigene charmante Art, den Leuten klar zu machen, wann sie sich verändern und auch weiterentwickeln sollten.

Die diesbezüglich einzige Ausnahme war das Ausscheiden des Saxophonisten Johnny Hodges. Nachdem ihn sein bewunderter Star verlassen hatte, ließ er während der Konzerte einen leeren Stuhl auf die Bühne stellen und scherzte: "Der ist für Hodges, wenn er wiederkommt”. Und der Duke hatte sich nicht geirrt: Johnny Hodges kam tatsächlich zurück.

Nun aber zurück zum "neuen” Schlagzeuger Bobby Durham: Mit ernormer Kraft ausgestattet war er eine wirkliche Drummer-Granate.

Das 1969er Konzert wurde vom Trio wie so oft eröffnet: Als erster betrat der Schlagzeuger die Bühne und begann mit seinen Trommelstöcken den Takt zu schlagen. Dann folgte der Bassist, richtete sein Instrument auf und schloss sich an. Als letzter kam Oscar unter dem Aplaus des Publikums, verbeugte sich kurz, setzte sich vor das Klavier und hob in atemberaubenden Tempo ab. In diesen Jahren begann das Trio zumeist mit "The lamp is low”. Und genau so passierte es ganze 7 Minuten lang auch hier. Bei diesem "Opener” mit seinen Trommelsalven auf den Metallrändern der Drums wird jedem sofort klar, mit wieviel Kraft und Technik dieser kleine Mann ausgestattet war.

Es folgt "On a clear day”, das man auch von einem MPS-Album her kennt. Aber diese Version hier hat mehr Power. Oscar spielt voller Inspiration, Bobby steuert kraftstrotzende Trommelschäge bei und Sam Jones hält felsenfest den Takt

Eines der sicher besten Alben für MPS neben den "Exclusively for my friends”-Einspielungen ist "Tristeza on piano” (1970). Dort spielt Oscar eine schöne Version von "Triste” (Jobim). Bei dem hier besprochenen Paris-Konzert ein Jahr zuvor startet "Triste” ganz anders, nämlich als Bossa-Nova mit vertrackten, aber immer swingenden Bossa-Rhythmen, jeweils wundervoll unterlegt von Jones und Durham.

Diese "Pariser” Version ist also ganz anders als jene auf "Tristeza”, zumal Oscar hier ganz unglaubliche, schier unmöglich erscheinende Pianoläufe einbaut. Hat er doch diese riesigen Pranken, die 12 weiße Tasten überbrücken konnten. Aber ist die Pariser Interpretation auch besser? Nun, ich möchte das nicht entscheiden müssen und bin froh, dass wir heute über beide Versionen verfügen.

"Down on the ground” ist eine Konzertpremiere. Das Stück beginnt etwas ungewohnt mit dunklen Tönen, entwickelt dann aber bald einen Bossa-Groove. Oscat spielt derart losgelöst, dass er noch während seiner Soli den Applaus des Publikums erhält. Auch dieser Titel erscheint später in einer großartigen Einspielung auf "Tristeza on piano”. Ich persönlich ziehe aber die Version aus dem Paris-Konzert vor. Damit endet auch die CD Nr. 5. Das Konzert aber wird auf der nächstenCD fortgesetzt.

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CD Nr. 6 der 6-CD-Box, 1969

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Cover der CD Nr. 6

Cover der CD Nr. 6 der 6-CD-Box

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16. November 1969, Salle Pleyel:

Oscar Peterson, Sam Jones, Bobby Durham,
Butch Watanabe ergänzt das Trio in den Stücken 6,7 und 8.

Titel: Tristeza / By the time I get to Phoenix / I concentrate on you / Let’s fall in love / Someday my prince will come / Lined with a groove / Billie’s bounce / Fly me to the moon / Squeaky’s Blues / The days of wine and roses / Waltzing is hip / Blues Etude (beschließt das Konzert).

Diese letzte CD der Box (Merke aber: Es gibt noch eine 7. CD!) führt uns zurück in den riesigen Salle Pleyel.

Klar ist es interessant, Versionen von Stücken zu hören, die dann nur 2 Monate später (Januar 1970) auf dem Album "Tristeza on piano” erschienen. Vergleiche sind aber heikel, das das tolle Studioalbum von Brunner-Schwer eine deutlich bessere Tonqualität hat.

Aber ich hatte ja schon darauf hingewiesen, dass "Triste” der Albumversion ähnelt, während ich "Down here on the ground” als Lifeversion der kurz darauf veröffentlichten Studioversion vorziehe.

Anders liegen die Dinge beim Titelsong "Tristeza”. Wenn auch Vergleiche immer schwierig und gefährlich sind, so finde ich die Interpretation auf dem MPS-Album besser.

Es folgt ein Medley aus "By the time I get to Phoenix” und "I concentrate on you”. Hier sind Vergleiche einfacher. Das erstere Stück findet sich auf dem schon im März 1969 herausgegebenen MPS-Album "Motions and Emotions” in einer Version mit dem Claus Ogerman Orchester. Hier wird der Titel kombiniert mit "I concentrate on you”, einem von Peterson oft eingespieltem Song, erstmalig übrigens mit Fred Astaire auf dem wegweisenden Clef-Box-Set vom Dezember 1952, wo der Tänzer und Schauspieler nicht nur singt, sondern auch zur Musik steppt. Dieses schwierig zu findende 2-CD-Set ist heute auf Verve erhältlich.

427. O.P. Einzel-CD 6  Paris-Konzerte

Cover einer Alternativedition der 6. CD

Eine kleine Geschichte gibt es übrigens auch zum 1969er MPS-Album, das zunächst nicht in Villingen, sondern in New York produziert worden ist.
Das große Orchester war bereits im Studio und die Aufnahmen sollten beginnen. Oscar aber war unzufrieden mit dem vorhandenen Klavier. So kam es, dass die Orchester-Arrangements in New York eingespielt wurden, während Oscars Part erst auf dem riesigen Steinway 270 in Villingen als Overdub hinzukam – und zwar am 6. November 1969, also nur 10 Tage vor diesem Konzert.

Das Medley dauert etwa 10 Minuten. Oscar startet solo und fügt Melodie-Zitate einiger anderer Songs bei, bis er schließlich, unterstützt von einigen gut gesetzten Basstönen übergleitet zu "I concentrate on you”. Erst zum Ende hin bemerkt man an einigen leichten Besenaktionen, dass immer noch ein Drummer mit auf der Bühne ist. Ein sehr schönes Stück Musik!

"Let`s fall in love” ist wieder so ein alter "kampferprobter” Dauerbrenner. Hier wird das Stück sehr schnell gespielt, wobei Jones wieder einmal demonstriert, was es bedeutet, den Takt ("time”) zu halten. Durham geht dieses Tempo fehlerlos mit und setzt einige feine Akzente.

Das wunderschöne "Someday my prince will come” wurde von Miles Davis in den Jazz eingebracht und auch von Dave Brubeck gibt es eine großartige Version. Von Oscar kennen wir das Stück bereits von "The way I really play” aus der Exclusively-Reihe; dort ist der "prince” einer der besten hart swingenden Tracks. Die Life-Version in Paris ist sogar noch schneller, vielleicht zu schnell, ich jedenfalls ziehe die Villinger "Wonzimmeraufnahme” vor.

Das nächste Stück "Lined with a groove” wurde von Oscar nur ein einziges Mal im Konzert gespielt: nämlich hier. Der Song stammt von seinem "Blutsbruder” Ray Brown. Nach der Vorstellung der Melodie spielt Sam Jones ein großartiges Solo und wird vom Publikum mit Aplaus gefeiert, ehe Oscar und er das Stück in wunderbarer Manier zu Ende bringen.

Nun stellt Oscar den Posaunisten Butch Watanabe vor und es geht als Quartett weiter mit "Billie`s Bounce” von Charlie Parker. Allerdings wird nach einigen schnellen Chorussen klar, dass Watanabe nicht in der gleichen Liga spielt wie die drei anderen auf der Bühne. Der arme Watanabe versucht auf ein schnelles, hart swingendes Peterson-Solo zu antworten, nur fehlem ihm offensichtlich die entsprechenden Fähigkeiten.

Ähnliches liesse sich sagen über "Fly me to the moon”, das Oscar für seine damalige Sekretärin (ihr Spitzname war Squeaky) geschrieben hatte. Dieser Blues erinnert mich etwas an "Confirmation”. Das Trio nimmt ihn in atemberaubenden Tempo, aber Watanabe, Oscars kanadischer Freund kommt da nicht ganz mit.

Nach Abtritt von Watanabe spielt das Trio zum "cool down” ein schönes "The days of wine and roses” als mittelschnellen "easy listening swing”.

Dann kommt mit "Waltzing is hip” der große Auftritt von Bobby Durham, der auch auf dem schon oben erwähnten Album "The way I really play” in diesem Stück ein langes wunderbares Solo spielt, hier in Paris aber trotz all seiner Kunst nicht den gleichen majestätischen Gipfel erreicht, wie zwei Jahre zuvor auf der MPS-Einspielung. Geschuldet vielleicht auch der Tatsache, dass er nicht die gleiche Zeit zur Verfügung hat wie damals in Villingen.

Die 6. CD und damit die ganze 6-CD-Box beschließt einmal mehr der Track "Blues Etude”. Oscar hat diese Eigenkomposition sehr oft gespielt, auf einem besonders hohen, nahezu "olympischen” Level auf dem mit einem Grammy Award dekorierten Album "The Trio” (Pablo). Die Pariser Version ist als hart swingender Boogie-Woogie ein guter Konzertabschluss, reicht aber nicht an die oben genannte Interpretation (mit Pass und Pedersen) heran, die ohnehin zu den wirklich allerbesten Einspielungen Petersons überhaupt zählt.

Nun, das Fest ist durchaus nicht vorbei. Da gibt es ja noch die separat veröffentlichte 7. CD.

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CD 7, 1961 – 1969

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095. O.P. Paris Zusatz CD Web

Cover der 7. Zusatz-CD der Paris-Konzerte

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Wie schon oben ausgeführt, hatten einige vermutet, die 7. CD sei eine Art Zusammenschnitt aus den 6 CDs der Box. Andere glaubten, die Stücke der 7. CD seien qualitativ nicht ganz so exzellente und deswegen aussortierte Überbleibsel der Radiosessions.. Beides ist falsch!

Die Produzenten bei Trema wollten ganz einfach vermeiden, ein und den selben Titel zweimal in der Box zu haben, Sie veröffentlichten deshalb eine separate 7. CD mit anderen Versionen einiger schon in der Box enthaltener Titel:

28. Februar 1961, L‘Olympia, Oscar Peterson, Ray Brown, Ed Thigpen:
Daahoud.
22. März 1963, L’Olympia, Peterson, Brown, Thigpen:
I remember Clifford / The lamp is low (mistitled as Where do I go from here.)
22. März 1963, Besetzung wie zuvor, ergänzt durch Roy Eldridge:
But not for me / Mainstem.
25. April 1964, Théâtre des Champs Elysées, Peterson, Brrown, Thigpen zusammen mit Roy Eldridge:
Satin Doll / My one and only love / Tangerine.
26. April 1964, gleiche Besetzung wie 25. April 1964:
Six and four / Nightingale.
20. März 1965, Théâtre des Champs Elysées, gleiche Besetzung wie 25. April 1964:
You look good to me / Someday my prince will come.
29. März 1966, Salle Pleyel, Oscar Peterson, Sam Jones, Louis Hayes:
I concentrate on you.
18. November 1969, Salle Pleyel, Oscar Peterson, Sam Jones, Bobby Durham:
Li’l darlin’

Ein Vergleich der Titel mit den entsprechenden Stücken der Box:

  1. Daahoud, hier mit Brown / Thigpen, in der Box mit Brown / Ellis
  2. I remember Clifford, hier aufgenommen 1963, in der Box 1961, beide Aufnahmen mit Brown / Thigpen
  3. The lamp is low, hier mit Brown / Thigpen, in der Box eine deutlich längere Version mit Jones / Durham
  4. But not for me, sowohl auf der 7. CD als auch in der Box 1963 mit Brown / Thigpen + Eldridge (Kommentar siehe oben im Text)
  5. Mainstem, wie unter 4.
  6. Satin doll, hier aus 1964, in der Box aus 1963, jeweils mit Brown / Thigpen
  7. My one and only love, hier mit Brown / Thigpen, in der Box mit Jones / Hayes
  8. Tangerine, hier aus 1964, in der Box aus 1965, jeweils mit Brown / Thigpen
  9. Six and four, hier aus 1964, in der Box aus 1963, jeweils mit Brown / Thigpen
  10. Nightingale, hier aus 1964 wie in der Box, aber aus einer anderen Session, jeweils mit Brown / Thigpen
  11. You look good to me, hier 1965 mit Brown / Thigpen, in der Box aus 1966 mit Jones / Hayes
  12. Someday my prince will come, hier aufgenommen in 1965 mit Brown / Thigpen, in der Box aus 1969 mit Jones / Durham
  13. I concentrate on you, hier aus 1965 mit Jones / Hayes, in der Box als Teil eines Medley aus 1969 mit Jones / Durham
  14. Li`l darlin`, hier aus dem Jahre 1969 mit Jones / Durham, in der Box aus 1965 mit Brown / Thigpen
421. O.P. Japan-Ausgabe der 7. CD

Seltene Japan-Ausgabe der 7- Zusatz-CD

Mit Ausnahme der beiden letzten Tracks liegt der Schwerpunkt der 7. Box beim Trio mit Brown und Thigpen, was eine "gute Nachricht” für die Liebhaber dieses "zweiten großen Peterson-Trios” ist.

Das gilt natürlich auch für die beiden Titel des Trio zusammen mit Roy Eldridge.

Die beiden letzten Einspielungen der 7. CD sind hingegen von Interesse im Hinblick auf die Interpretation durch verschiedene Trioformationen.

Los gehts mit einer alternativen Version von "Daahoud”, gespielt vom Brown / Thigpen Trio. Allerdings wurde das Schlagzeug zu schwach ausgesteuert, was einer der Gründe ist, warum ich die Version mit Ellis und Brown aus der Box vorziehe.

406. O.P. Paris Konzerte

Cover einer Alternativedition der 7. CD

Die Einspielung von "I remenber Clifford” wird wie das Gegenstück in der Box vom Brown / Thigpen Trio interpretiert, hier 2 Jahre später. Wiederum bin ich hingerissen von der schönen Melodie, der Oscar auch hier voller Achtung begegnet und dabei etwas langsamer nimmt. Nur ist der Flügel offensichtlich leicht verstimmt.

Lassen Sie mich aber bereits hier auf die in einem späteren Kapitel besprochene Version aus dem London House (vgl. die London House Sessions) verweisen, die für mich eine Art Referenz dieses Songs darstellt und die ich deshalb noch über die beiden Pariser Einspielungen stellen möchte.

Zwar ist die Version von "The lamp is low” von Jones / Durham in der Box ultraschnell und atemberaubend, dennoch mag ich die Interpretation auf der 7. CD von Brown / Thigpen fast noch lieber. Sie ist zwar deutlich kürzer und langsamer, swingt aber auf eine wunderbar leichte Weise.

Wie schon oben ausgeführt, werden beide ziemlich kurze Versionen von "But not for me” und "Mainstem” von den gleichen Musikern (Brown / Thigpen Trio + Eldridge) gespielt und sind ohne große Unterschiede - oder besser gesagt nahezu identisch, was auch Sie nach nochmaligem Hören bestätigen werden.

405. O.P. Paris Konzerte

Cover einer Alternativversion der 7. CD

Ähnliches läßt sich über das auch hier vom Brown / Thigpen Trio dargebotene "Satin Doll” sagen. Allerdings erscheint mir insbesondere Oscar hier deutlich inspirierter. Das Stück swingt mehr als die frühere Version in der Box, wird getragen von Ray Browns fest dahinschreitendem Bass und klingt in meinen Ohren insgesamt eine Spur heiterer.

Beide Versionen von "My one and onely love” zu vergleichen heißt auch, zwei verschiedene Trios zu vergleichen: Brown / Thigpen gegenüber Jones / Hayes. Wenn auch die Aufnahme mit Brown / Thigpen um die 2:30 Minuten kürzer ist, so gebührt ihr dennoch der Vorzug. Lässt sich doch auch heute noch nachempfinden, dass Oscar und Ray Im Zusammenspiel eine Art Extraklasse bildeten.

Die beiden Versionen von "Tangerine” werden zwar vom gleichen Trio (Brown / Thigpen) gespielt, sind aber äußerst unterschiedlich. Diese Version klingt ausgelassener, swingt härter und die Musiker sind näher beisammen als bei der 1965er Einspielung ein Jahr später. Hörenswert, wie heiter Oscar quasi über die Tasten tanzt und wie nah Ray ihm folgt.

Bei "Six and four” haben wir es wiederum mit zwei Einspielungen des gleichen Trios (Brown / Thigpen) zu tun. Nach nochmaligen Anhören erscheint mir diese Version als Eröffnungsstück gedient zu haben, hören Sie nur, wie das Publikum reagiert. Und hören Sie zudem, wie das Trio 1964 voller Inspiration und Geschlossenheit musiziert hat. Nur schade, dass offenbar eines der Mikros während der letzten Chorusse ausgefallen ist. Ed Thigpen an den Drums spielt hier wirklich herausragend.

Allerdings gibt es weitere große Einspielungen dieses Titels. Ich werde bei der Besprechung der Box "London House Sessions” und zweier weiterer großartiger Konzertmitschnitte des Jahres 1964 (Doppel-CDs "Tokyo 1964” und "In Concert”, Ljubliana) darauf zurückkommen.

429. O.P. Einzel-CD 7 Paris-Konzerte

Cover einer Alternativedition der 7. CD

Das nächste Stück ist Oscars Eigenkomposition "Nightingale”, sowohl hier, als auch auf der CD 2 der Box vom Brown / Thigpen Trio performt. Mit scheint diese Version auf der 7. CD leicht besser. Oscar spielt "bluesiger” und Ray demonstriert noch unüberhörbarer, welche Bedeutung dem Bassisten eines Klaviertrios zukommt. Letztlich aber sind beide Einspielungen dicht beieinander.

"You look good to me” wird in der Box vom Trio mit Jones / Hayes, auf der Zusatz-CD vom Brown / Thigpen Trio gespielt. Hier nun startet der Track mit einem großen Brown-Solo, für Oscar allein schon Herausforderung und Inspirationsquelle gleichermaßen. Die drei Jazzer spielen derart kompakt und geschlossen, dass es offenbar ist, welchem der beiden Trios die Krone gehört.

Ein Vergleich von "Someday my prince will come” zwischen dem Brown / Thigpen Trio und dem Jones / Durham Trio ist schwieriger, zumal wir ja auch noch über die 1 Jahr zuvor aufgenommene Version des berühmten Konzertes in Ljublana aus 1964 verfügen. Ich werde darauf eingehend bei der Besprechung dieser Mitschnitte in einem der folgenden Kapitel zurückkommen.

Auch nicht einfach ist der Vergleich von "I concentrate on you”, zumal dieses Stück im Box-Set Teil eines Medleys ist, dort vom Trio Jones / Durham und hier auf der Zusatz-CD vom Trio Jones / Hayes interpretiert wird. Mir gefällt allein schon wegen Oscars Herangehensweise die Medley-Version am besten. Allerdings gibt es mindestens 7 Peterson-Einspielungen dieses Tunes und möglicherweise darunter noch gelungenere, vor allem, wenn man auch die Soloversionen mit einbezieht.

Zum Ende dieses Kapitels über die "Paris-Konzerte” müssen wir noch "Lil` Darlin´” betrachten, das letzte Stück der Zusatz-CD, hier mit Sam Jones und Bobby Durham. Den Vergleich mit der Einspielung von Brown / Thigpen innerhalb der Box gewinnen diesmal - etwas überraschend vielleicht - Jones und Durham auf Grund der interessanten Rhythmuswechsel, aber auch Oscars Interpretation dieses konzerterprobten Standards.

Zusammengenommen ist diese 7. Zusatz-CD eine äußerst willkommene Ergänzung der 6-CD-Box. Wenn ich Ihr Interesse an den Paris-Konzerten geweckt haben sollte, versuchen Sie doch bei Aktionshäusern wie ebay und auf anderen Plattformen die schwer zu findenden Box-Sets oder die von mir oben beschriebenen Einzelveröffentlichungen zu bekommen. Es lont sich!

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443. O.P. announcing 2

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Artikel
über Oscar Peterson`s
LP/CD Oscar Peterson in Paris

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