Johann Sebastian Bach - Goldberg Variationen
Entstehung, Namensgebung, Aufbau, Wirkung und Auswirkungen
Johann Sebastian Bach (1685-1750) hat seine berühmten Goldberg Variationen erstmals 1741 drucken lassen, die Urschrift ist verschollen, das exakte Entstehungsdatum unklar. Vermutlich wurden einzelne Variationen schon früher niedergeschrieben. Im Bach Werke Verzeichnis (BWV) tragen die Variationen die Nummer 988, sie zählen zum beginnenden Spätwerkes des Komponisten.
Notabene: Das BWV ist nicht chronologisch, sondern nach Kategorien aufgebaut. Allein nach der Nummer kann man also nicht erkennen, ob ein Stück ein Früh- oder ein Spätwerk ist.
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Die Übersichtsarbeit gliedert sich in folgende Kapitel:
- Entstehung des Werkes
- Architektur der Komposition
- Notenblätter
- Cembalo versus Piano forte
- Fragen zur Interpretation allgemein
- Kapazität von Tonträgern und Auswirkungen auf die Interpretation
- Beispielhafte Interpretationen auf Cembalo
- Beispielhafte Interpretationen auf Piano forte
- Einspielung mittels anderer Instrumente
- Audio- und Video-Angebote von Streamingdiensten
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Man weiß, dass der Zyklus Bach sehr am Herzen lag. Im Unterschied zu seinem nicht minder berühmten "Wohltemperierten Klavier" hat er die Goldberg Variationen publiziert und wollte ziemlich sicher später sogar noch eine korrigierte 2. Fassung herausgeben.
Den heute allgemein üblichen Namen "Goldberg Variationen" haben die Klavierstücke erst später, lange nach dem Tode des Komponisten erhalten, basierend auf den hundertfach (und hier dennoch erneut) zitierten, aber wohl eher anekdotischen Angaben des Bach-Biografen Johann Nikolaus Forkel. Danach war die Komposition eine Auftragsarbeit für den russischen Gesandten Graf Keyserlingk, der sich die Stücke von einem jungen Pianisten namens Goldberg (einem Schüler Bach`s) vorspielen ließ, wenn er nachts nicht einschlafen konnte. Wahrscheinlich "fake news", wie man heute sagen würde. Aber wenn es wirklich unwahr ist, dann ist es wenigstens gut erfunden. Was in unserer Zeit einer "alternativen Wahrheit" schon recht nahe kommt.
Obwohl nicht eindeutig so bezeichnet, gelten die Goldberg Variationen als 4. Teil der Bach`schen "Clavier-Übungen". Sie tragen den von Bach selbst notierten Titel "Aria mit verschiedenen Verænderungen vors Clavizimbal mit 2 Manualen Denen Liebhabern zur Gemüths-Ergetzung verfertiget".
Eine Sammlung von sechs Partiten (manchmal auch "deutsche Suiten" genannt) gelten als 1. Teil der "Clavier-Übungen", die Französische Ouvertüre und das Italienische Konzert als 2. Teil und die sogenannte deutsche Orgelmesse zusammen mit vier Duetten als 3. Teil. Bach wollte sowohl seine Kunst des Komponierens demonstrieren als auch seine Spieltechnik auf Cembalo und Orgel.
Ein solches bis ins Kleinste ausgefeilte Monumentalwerk, dessen Interpretation gut und gern 80, ja im Extremfall sogar deutlich mehr als 100 Minuten braucht als Einschlafhilfe? Also ich bin immer hellwach, zumindest wenn nach der Eingangsarie die erste bewegende Variation erklingt. Bei den so völlig unterschiedlichen Stimmungen (Emotionen wurden im Barock "Affekte" genannt) kann man allerdings schon ins Träumen geraten. Pianisten haben von einer hypnotischen Aura gesprochen, die sie während des eigenen Vortrags ereilt hat.
Es hängt wohl nicht zuletzt von der jeweilig persönlichen Stimmungslage ab, welche Effekte ("Affekte") die Stücke vermitteln. Man kann den Variationen hellwach mitdenkend folgen - oder sich verträumt fallen lassen. Und da Barockmusik, wie manche Ketzer sagen, "als Hintergrundmusik nicht stört", kann man damit sicher auch einschlafen, so man das zulässt. Versuchen Sie das mal mit einer Komposition von Liszt, Mahler oder Bruckner…
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Die Architektur des Werkes
Der Großteil aller Menschen, die sich den Goldberg Variationen widmen, tun das allein wegen der wunderbaren Musik. Sie ahnen (oder wissen) natürlich, dass sie gerade einem der größten Werke der Musikgeschichte lauschen, brauchen aber keine Analyse des Aufbaus im Einzelnen. Es ist Aufgabe der Musikwissenschaft, die nahezu mathematisch exakt angewandten Regeln der Komposition herauszuarbeiten, und natürlich müssen sich Interpreten damit auseinandersetzen. Für den Musikliebhaber aber reicht folgende kurze Einführung völlig aus:
Die 32 Takte der dem Zyklus zugrunde liegenden "Aria" und aller ihrer Variationen lassen sich in zweimal 16 Takte gliedern, die jeweils wiederholt werden sollen. Die 32 Takte fußen auf 4 achttaktiken Basslinien mit jeweils 8 Fundamentalnoten (siehe oben), auf denen sich die harmoniebestimmenden Akkorde aufbauen. Nicht zufällig ergeben die Aria, die 30 Variationen und die am Schluss noch einmal unverändert angehängte Aria wiederum exakt 32 Teile. Zudem ist das Gesamtwerk innerlich noch einmal in zwei Teile à 16 Stücke gegliedert, besteht mithin aus zwei symmetrischen Blöcken. Der zweite Teil des Werkes beginnt völlig logisch mit einer Ouvertüre als Variation 16. Damit haben wir bereits die wichtigsten "magischen" Zahlen des Werkes kennengelernt: 2, 4, 8, 16, 32. Wie wir noch sehen werden, kommen auch der 3, 10 und 15 Bedeutungen zu.
Doch keine Regel ohne Ausnahme, die Ouvertüre im französischen Stil (Var. 16) bietet nämlich eine Besonderheit: Sie ist nicht symmetrisch aufgebaut, dem langsamen und langen ersten Teil im 2/2 Takt folgt ein kurzer und schnellerer zweiter Teil im 3/8 Takt. Zudem sind die "Affekte" beider Teile im Gegensatz zu allen anderen Stücken sehr unterschiedlich, der erste Teil kommt majestätisch schreitend daher, der zweite Teil quicklebendig tanzend. Konstant bleibt aber die Vorschrift, beide Teile jeweils zu wiederholen. Was Bach zu dieser Besonderheit im Kompositionsaufbau bewegt hat, scheint sich einer einfachen Erklärung zu entziehen.
Von Bedeutung zum Verständnis des Werkes ist, dass ausschließlich die 32 Bassnoten der Aria samt ihren Umspielungen variiert werden, nicht etwa die Melodie der rechten Hand. Es werden also Harmonien "verändert" und nicht (wie bei den meisten anderen Variationswerken) Melodien. Bach variiert zudem ausgeprägt den Takt; steht die Aria im 3/4-Takt, so folgen Variationen z.B. im 2/4-, 12/8-, 3/8-, 6/8-, 4/4-, 2/2-, 12/16-, 9/8- und 18/16-Takt. Es sind wohl nicht zuletzt diese so unterschiedlichen Taktarten, die den Reiz der Variationen ausmachen. Alle Variationen stehen in G-Dur, nur die Variationen Nr. 15, Nr. 21 und Nr. 25 stehen in der "Varianttonart" g-moll.
Übrigens ist unter Musikwissenschaftlern umstritten, ob die "Aria" aus Bachs Feder stammt. Es werden Gründe dafür und dagegen angeführt. Einen Gedanken vermisse ich bei dem ganzen Disput: Warum sollte Bach diesem so ausgefeilten und von ihm selbst so hochgeschätzten Werk eine Fremdkomposition als Basis seiner Variationen voranstellen! Auch dass Bach eigenhändig die Aria schon 1740 (oder sogar früher!) ohne weitere Anmerkungen ins "Clavierbuch" der Anna Magdalena Bach eingetragen hat, spricht m.E. gegen eine anderweitige Autorenschaft. Und hätten nicht Bach selbst oder irgendein Chronist auf den wahren Autor hingewiesen, falls das Stück tatsächlich nicht vom Meister stammen sollte?
Manche Musikwissenschaftler nehmen heute an, dass J.S.Bach ein Werk Händels, nähmlich eine Chaconne mit 62 Variationen als Inspirationsquelle gedient hat. Sie machen das fest an der Tatsache, dass die ersten 8 Bassnoten der Aria identisch mit denen der Chaconne sind. Beweisen lässt sich das nicht. Und auch nicht, dass Bach Händels Komposition überhaupt gekannt hat. Allerdings gibt es zurück bis zu Monteverdi immer wieder Kompositionen mit dieser oder einer ganz ähnlichen Basslinie. Das Motiv scheint also einer regelmäßigen barocken Übung zu folgen. Die dann folgenden 24 Takte sind so aber allein bei Bach zu finden.
Doch ist das alles wichtig? Wenn überhaupt, dann wohl nur für Theoretiker.
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Doch weiter in der Systematik: Die beiden Blöcke von jeweils 15 Variationen (= 30 Variationen) lassen sich untergliedern in zweimal 5 (= 10) Gruppen (manchmal auch als "Trinitäten" bezeichnet) zu je 3 Variationen.
Die Dreiergruppen sind durchweg nach dem gleichen Schema aufgebaut: Die jeweils erste Variation innerhalb der 10 Gruppen ist einem festen Genre vorbehalten, also etwa einem Tanzsatz der Bachzeit (Courante, Sarabande, Giga, Chaconne), einer Fuge oder Ouvertüre. Der Mittelsatz ist "frei" komponiert, oft spieltechnisch vertrackt und am ehesten eine "Clavier Uebung" (heute würde man "Etüde" sagen). Jede dritte Variation, also der Schlusssatz einer Dreiergruppe ist als Kanon komponiert - mit Ausnahme der letzten Variation, die als "Quodlibet" bezeichnet ist, aber mit ihren "ineinander gesungenen" Volksweisen auch etwas "Kanonisches" in sich trägt. Der Kanon wurde zu Bachs Zeiten als Spielart einer Fuge mit "freierer" Imitation, also eher Variation der ersten Stimme gesehen.
Innerhalb der sich fortentwickelnden Dreiergruppen gibt es wiederum intervallmäßige Gesetzmäßigkeiten, deren Darstellung an dieser Stelle den Rahmen sprengen würde.
Manch einer hört nach eingehender Beschäftigung mit dem Werk innerhalb jeweils eines 16er-Takters zwei unterschiedliche 8er-Takte heraus, was nach dem oben gesagten über die 2 x 8 Basalnoten innerhalb 16 Takten nicht verwundert; manch einer hört aber auch vier 4er-Takte innerhalb von 16 Takten, eine Gliederung, die ich so noch nirgends beschrieben gefunden habe.
"Um Gottes Willen", werden Sie sagen, "strenge, nahezu gesetzmäßige, ja mathematische Regeln! Ich wollte doch eigentlich nur gute Musik hören!" Nun, lassen Sie sich gern beeindrucken von der Kunst der formalen Komposition - Sie müssen aber nicht. Für den Hörgenuss sollte das keine Rolle spielen. Die Architektur bildet lediglich eine feste äußere Form, innerhalb derer sich die rhythmisch, melodisch, harmonisch und damit stimmungsmäßig höchst unterschiedlichen Variationen frei austoben können. Es gibt schmerzliche, melancholische, nachdenkliche, humorvolle und tröstende Stücke.
Permanent wechseln die Stile, Tempi und Affekte, wodurch ein großer Spannungsbogen aufrechterhalten wird, der uns Zuhörer erst mit der Schlussarie wieder zur Ruhe kommen (und wenn wirklich gewünscht, auch einschlafen) lässt.
Igor Levit und Anselm Cybinski zitieren in ihrem Goldberg Potcast des Bayerischen Rundfunks T.S.Eliot:
“We shall not cease from exploration
And the end of all our exploring
Will be to arrive where we started
And know the place for the first time".
Natürlich wurden diese Verse aus anderen Einsichten geschrieben, sie passen aber auch gut auf Bach`s Monumentalwerk. Nach der Eingangsarie und 30 Variationen erklingt als letztes Stück die Aria erneut, und zwar "da capo" in unveränderter Fassung ("arrive where we started"). Nur wird sie wohl Mancher jetzt ganz anders wahrnehmen, vielleicht so, als höre er sie zum allerersten Mal. Damit wäre dann aber im Hörer eine Veränderung (!) vorgegangen, denn die Aria ist ja das einzige Stück des Zyklus, das gleich geblieben ist.
Durch einen Zufall stießen wir kürzlich auf eine Arbeit von Gérard Genette mit dem Titel "Essays in Aesthetics", University of Nebraska Press, Lincoln and London. Genette befasst sich im Kapitel 9 mit dem Thema "The Other of the Same". Darin streift er (aus gegebenem Anlass!) die Aria da Capo der Goldberg Variationen: "Even if the interpreter contented himself, on a record, with the reproduction of his initial delivery in a magnetically identical fashion, I would still swear that something has changed. Not without reason, at least the auditor has changed. So that here again to repeat is to vary."
Dieser "Dramaturgie" folgend scheint es uns angebracht, dass Interpreten die Schluss-Aria nicht bewusst anders spielen als die Eingangs-Aria, also etwa nicht (anders als zu Beginn) die Reprisen weglassen und dass Cembalisten beide Arien nicht unterschiedlich registrieren. Andreas Staier etwa folgt diesem Ansatz, offenbar gibt es aber auch ganz andere Auffassungen.
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Als Übersicht nachfolgend die Originalbezeichnungen der einzelnen Stücke. Kursiv und in Klammern stehen die mir bekannten später von Bach angebrachten Zusätze, wie sie im 1975 aufgetauchten Handexemplar notiert sind.
- Aria
- Variatio 1. a 1 Clav.
- Variatio 2. a 1. Clav.
- Variatio 3. Canone all Unisuono à 1 Clav.
- Variatio 4. à 1 Clav.
- Variatio 5. a 1 ô vero 2 Clav.
- Variatio 6. Canone alla Seconda a 1 Clav.
- Variatio 7. à 1. ô vero 2 Clav. (al tempo di Giga)
- Variatio 8. a 2 Clav.
- Variatio 9. Canone alla Terza. a 1 Clav.
- Variatio 10. Fugetta. a 1 Clav.
- Variatio 11. a 2 Clav.
- Variatio 12. Canone alla Quarta a 1 Clav.
- Variatio 13. a 2 Clav.
- Variatio 14. a 2 Clav.
- Variatio 15. Canone alla Quinta a 1 Clav.
- Variatio 16. a 1 Clav. Ouverture
- Variatio 17. a 2 Clav.
- Variatio 18. Canone alla Sexta. a 1 Clav.
- Variatio 19. à 1 Clav.
- Variatio 20. a 2 Clav.
- Variatio 21. Canone alla Settima a 1 Clav.
- Variatio 22. a 1 Clav. alla breve
- Variatio 23. a 2 Clav.
- Variatio 24. Canone all Ottava a 1 Clav.
- Variatio 25. a 2 Clav. ("adagio")
- Variatio 26. a 2 Clav.
- Variatio 27. Canone alla Nona a 2 Clav.
- Variatio 28. a 2 Clav.
- Variatio 29. a 1 o vero 2 Clav.
- Variatio 30. a 1 Clav. Quodlibet
- Aria da Capo è Fine
Heute wird zumeist bei der Variation 15 der Zusatz "Andante" angegeben. Ob diese Notiz und der Zusatz "alla breve" der Variation 22 auch aus dem Handexemplar stammen, in dem Bach eigenhändig mit roter Tinte Korrekturen für einen Neudruck angebracht hat, konnte ich nicht herausfinden.
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Die eine jeweilige Dreiergruppe beschließenden Canones sind zur besseren Übersicht fett markiert. Dort wird anhand der Satzüberschriften auch die Systematik des zunehmenden Intervalls (Prime = Unisono bis None) zur zweiten und dritten Stimme deutlich (alle Canones bis auf den letzten, die Variation Nr. 27 sind dreistimmig).
Und noch etwas nicht ganz Unwichtiges vermittelt diese Auflistung. Alle Variationen tragen Hinweise, ob sie auf zwei oder nur einem Manual gespielt werden sollen, wobei der Komponist bei den Variationen 5, 7 und 29 dem Spieler ausdrücklich beide Möglichkeiten lässt.
Zu Bachs Zeiten kam zwar das einmanualige Hammerklavier gerade auf, Bach aber hatte bei seinen Kompositionen für Tasteninstrumente (neben der Orgel) durchweg das Cembalo im Blick. Die damaligen Instrumente konnten ein, zwei oder sogar drei Manuale besitzen. Für die kompletten Goldberg Variationen hat Bach das zweimanualige Cembalo ausdrücklich vorgeschrieben. Aber sind sie damals auch wirklich "en bloc" gespielt worden?
Oft hört man, eine Interpretation der Goldbergvariationen auf Klavier (und damit auf nur einem "Manual") führe zum "Unding" sich notwendigerweise kreuzender Hände. Das aber ist gar nicht das Problem, kommt es doch auch beim Spiel auf einem zweimanualigen Cembalo zu solchen Situationen. Auf einem modernen Flügel resultieren allerdings unweigerlich "ineinandergreifende" Hände bzw Finger. Und nicht einmal das ist bei der Variation 29 auf dem (von Bach ausdrücklich zugelassenen) einmanualigen Cembalo anders.
Zur Bewältigung dieser Lage haben akribische Zeitgenossen besondere Anweisungen zum Fingersatz publiziert. Dem werden aber wohl nur Anfänger folgen, Starpianisten haben da sicher ihre eigenen Techniken, wobei auch sie - z.B. in der Variation 8 - an ihre Grenzen geraten können.
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Wenn Sie die Noten mitlesen wollen, empfehle ich Ihnen das links abgebildete preiswerte Heft des G. Henle Verlages, herausgegeben von Rudolf Steglich in der Neuauflage von 1978. Wiedergegeben wird der Urtext, ergänzt durch die von Bach eigenhändig eingefügten Korrekturen. Letztere sind erstaunlicherweise erst in einem 1975 aufgefundenen Bach`schen Handexemplar entdeckt worden. Steglich selbst konnte die Neuauflage nicht mehr besorgen, er verstarb 1976. Für ihn hat Paul Badura-Skoda diese Aufgabe übernommen.
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Aufführungspraxis - Cembalo oder moderner Konzertflügel?
Viel diskutiert wurde ungeachtet dessen die grundsätzliche Frage, ob man die Goldberg Variationen überhaupt auf einem modernen Klavier spielen "darf", oder doch besser ausschließlich auf einem (und dann wenn möglich auch noch zeitgenössischen) Cembalo. Zumal in den vergangenen Jahrzehnten die sogenannte "historische Aufführungspraxis" durch Autoritäten wie Gustav Leonhard oder Nicolaus Harnoncourt wieder "in Mode" gekommen ist (wenn man das mal augenzwinkernd so formulieren darf).
Historische Aufführungspraxis, welch großes Wort. Gut, wenn man statt heutiger moderner Instrumente Originalinstrumente der Bach-Zeit (oder getreue Nachbauten) verwendet, dann ist man sicher schon mal ein gutes Stück näher am Originalklang. Und der kann durchaus auch heute noch verzaubern. Aber wie hat Bach genau gespielt, welche Tempi hat er wirklich vorgegeben, welche Register hat er auf seinem Cembalo gezogen, hat er Rubati genutzt, wie hat er die Verzierungen eingesetzt, wie laut oder leise waren die Aufführungen? Man weiß es im Einzelnen nicht, auch wenn es von den Söhnen Bachs einige wenige Notizen zur Spielweise des Meisters gibt.
Völlig müßig ist die Frage, auf welchem Instrument Bach seine Variationen gespielt hätte, wenn ihm neben dem "Clavizimbal" auch das Piano forte zur Verfügung gestanden hätte. Ich denke, dann wäre wohl die gesamte Komposition eine andere geworden.
Clifford Curzon meinte kategorisch, man dürfe Bach keinesfalls auf dem Flügel spielen, schon allein durch die Wahl dieses Instrumentes würde die Musik romantisiert. András Schiff hält dagegen, dass kein Mensch einen Gesamtvortrag der Goldberg Variationen auf Cembalo aushalten könne. Wer hat Recht, wer Unrecht? Murray Perahia hat einmal gesagt, er als Pianist könne Bach gar nicht auf dem Cembalo spielen, das sei ein völlig anderes Instrument. Das sagt er, obschon er immerhin 2 Jahre lang Cembalo studiert hat. Der große Organist und Cembalist Walcha hätte wahrscheinlich ähnlich geantwortet, nur mit umgekehrten Vorzeichen.
Zum Glück gibt es in diesem Punkt keine Zensur, wohl aber viele mehr oder weniger einflussreiche Kritiker. Sollten Sie als Pianist dem kürzlich verstorbenen Joachim Kaiser (dem Autor eines "Pianisten-Michelin") nicht gefallen haben, war das für Ihre Karriere nicht gerade förderlich. Das war schon immer so. Wenn etwa im 19. Jhd. Eduard Hanslick eine Komposition oder Interpretation verriss, brauchte es schon einen Wagnerschen oder Brucknerschen Dickschädel und vor allem viel Können, um auch weiterhin aufrecht voran zu schreiten.
Und dann gab und gibt es neben dem eigenen Geschmack noch den sogenannten Zeitgeschmack; und zwar den der Mehrheit und den von der Musikindustrie und anderen Influencern postulierten. Versuchen Sie mal, sich als junger Künstler gegen Ihren Plattenboss oder einflussreiche Kritiker durchzusetzen! Oder besser nicht, wenn Sie überleben wollen!
Vielleicht kann man sich darauf einigen, dass in der Kunst erlaubt ist, was gefällt, sofern man Anderen damit nicht schadet. Wenn es ganz klar wäre, wie die Goldberg Variationen zu klingen haben, gäbe es nicht hunderte unterschiedliche Interpretationen. Ist es nicht wunderbar, dass wir die Freiheit (oder auch die Qual) der Wahl haben! Wozu brauchen wir als Musikliebhaber "heilige Kühe", "goldene Lämmer" und andere Pseudowahrheiten oder gar Dogmen!
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Heutige Musikwissenschaftler und vor allem Musikfreunde treibt in diesem Zusammenhang eine weitere Frage um: Darf man Bachs barocke Musik überhaupt "interpretieren", oder muss man nicht streng bei den Noten und den wenigen darin notierten Anmerkungen zur Spielweise bleiben? Eine gute Frage vor allem für Pianisten, die die Cembalokompositionen des Meisters auf einem modernen Piano Forte spielen wollen. Und für Pianisten, die sich bislang schwerpunktmäßig mit Romantikern wie Chopin, Liszt und Rachmaninow beschäftigt haben, deren Musik ohne Dynamik und Rubato kaum denkbar ist.
Im Gegensatz zum Cembalo lässt es das moderne Klavier ja zu, innerhalb ein und desselben Stückes oder Satzes mal kaum hörbar leise, dann aber wieder laut donnernd anzuschlagen. Darf das der Barock-Pianist und darf er Pedale benutzen? Von der Wahl des Grundtempos und dessen Modulation im Sinne einer Agogik war schon die Rede. Wieviel Sentiment darf der Interpret einbringen, etwa mittels der Rubatotechnik? Oder muss Bach`sche Barockmusik wie von einer (Näh-)Maschine fabriziert, wie aus einem Maschinengewehr abgefeuert klingen? Was virtuosen Flinkefingern entgegen käme, zumal manche der Stücke hohe technische Fertigkeiten verlangen. Kurz auf den Punkt gebracht: Darf Barockmusik überhaupt hörbar von Herzen kommen?
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Bemerkungen zur "Spieldauer" von Musik-Tonträgern (aus gegebenem Anlass)
Heute im Zeitalter des Streamens und der Existenz volumenmäßig praktisch
unbegrenzter digitaler Datenträger haben Fragen der Kapazität von
Tonträgern weniger Bedeutung. Historisch betrachtet war das anders und
musste beim Aufzeichnen von Musik beachtet werden.
Schellackplatten von den 20er bis in die 50er Jahre hergestellt
konnten pro Seite 3 Minuten, 12-Zoll-Platten sogar etwas mehr als 4
Minuten Musik aufnehmen, „Langspielschellacks“ (ab 1930) sogar 10
Minuten pro Seite.
Die auch heute immer noch hergestellte Langspielplatte (LP) aus Vinyl, die üblicherweise mit 33 1/3 Umdrehungen abgespielt wird, fasst im Mittel 20-25 Minuten Musik pro Seite. Technisch bedingt wird die Klangqualität nach innen zum Ende der Rille hin schlechter, da die Rillenlaufgeschwindigkeit nach innen auf ca. 70% des Ausgangswertes abnimmt. Daher werden audiophile LPs oft nur mit 15 Minuten Musik pro Seite beschickt oder selten auch mit 45 Umdrehungen pro Minute abgespielt.
Die 1982 eingeführte von allen Playern lesbare digitale Audio-CD fasste anfänglich 650 MB, später durch Erhöhung der Spurdichte 750 MB und heute sogar mehr. Damit war sie unter Einhaltung des CD-Standards (16-Bit Stereo, Abtastrate 44,1 Kiloherz) anfänglich mit 60 Minuten, später mit 74 Minuten und neuerdings sogar mit bis zu 80 Minuten Musik beschreibbar. Bei hohen Kapazitäten, die durch eine Erhöhung der Rillendichte und ein ausgedehnteres Beschreiben bis zum Rand der Scheibe erreicht werden, wächst allerdings die Gefahr von Datenverlusten.
Möglicherweise fragen Sie sich, warum wir diesen "technischen" Exkurs hier anbringen. Wir glauben, dass die Limitierungen der einzelnen Tonträger Auswirkungen auf die verschiedenen (vor allem historischen) Interpretationen hatten, indem sie die Künstler dazu "gezwungen" haben, auf die von Bach vorgeschriebenen Wiederholungen ganz oder teilweise zu verzichten bzw. manchmal auch die Tempi anzuheben. Das war schon bei den Schellackscheiben so, und auch bei den LPs mussten Entscheidungen getroffen werden, ob ein Einzel- oder ein Doppelalbum produziert werden sollte. Selbst heute bei der als Tonkonserve im Vordergrund stehenden CD muss bei einer individuellen Interpretationszeit der GV zwischen 75 und 105 Minuten überlegt werden, ob die Einspielung "gekürzt" werden soll oder ob der Verlag eine Doppel-CD spendiert. Beispiele für beiderlei gibt es reichlich, wir werden noch darauf zurückkommen.
Jedenfalls kann ich mir viele Interpretationsbesonderheiten nicht anders als mit einem "Blick auf die Uhr" erklären. Ein erster Beleg: Wenn Simone Dennerlein auf ihrer CD der GV alle Wiederholungen spielt - nur nicht die Wiederholung der ersten 16 Takte der Ouvertüre - und damit immer noch auf eine Gesamteinspielzeit von 78 Minuten kommt, so fange ich an zu grübeln...
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Interpretationsfragen
Jeder Musiker, der die Goldberg Variationen interpretieren will, muss sich vorab die Frage stellen, wie er die Aufgabe angehen will. Neben den Fragen zur Agogik, zur Anwendung von Rubati, zur Beachtung der Verzierungen (z.B. Triller, Vorhaltenoten), zur Frage des Tempos der einzelnen Stücke, zur Hervorhebung von Staccato oder Legato etc. ergeben sich gewisse Überlegungen:
Soll der Zusammenhang des gesamten Zyklus, also aller 32 Stücke herausgearbeitet werden? Oder sollen die einzelnen Affekte stückbezogen betrachtet und akzentuiert werden? Sollen Melodiebögen betont werden? Soll die horizontale Struktur der jeweils 32 Takte hervortreten? Soll die vertikale Struktur (Polyphonie) der parallelen 2 oder 3 Stimmen deutlich werden? Soll der in manchen Veränderungen bzw. Takten wirklich "vertrackte" Rhythmus herausgearbeitet werden?
Es sind zahlreiche Arbeiten und ganze Bücher zu dieser Thematik veröffentlicht worden. Da es sich bei den Goldberg Variationen um einen Variationszyklus handelt, haben Musikwissenschaftler z.B. untersucht, wie es verschiedene Interpreten mit dem "Zyklusgedanken" gehalten haben. Wen das interessiert, der findet bei Majid Motavasseli reichlich Material in einer umfangreichen wissenschaftlichen Analyse:
Zyklische Form der GV bei 76 Interpretationen
Von Rolf Dammann gibt es ein umfangreiches Werk (275 S.!) mit dem
Titel "Johann Sebastian Bachs Goldberg-Variationen" aus dem Jahr
1986, verlegt bei Schott/Mainz.
ISBN: 3-7957-1792-2 978-3-7957-1792-6
Dammann macht darin Tempovorschläge zu den einzelnen Stücken und auch
zur Registrierung bei einer Interpretation auf Cembalo, erklärt die
jeweiligen Affekte bzw. Stilisierungen und gibt weitere hilfreiche
Informationen.
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Übersicht der nachfolgend besprochenen Aufnahmen
- Landowska, Wanda
- Walcha, Helmut
- Leonhard, Gustav
- Jarrett, Keith
- Pinnock, Trevor
- Staier, Andreas
- Vinikour, Jory
- Rondeau, Jean
- Kirkpatrick, Ralph
- Richter, Karl
- Koopman, Ton
- Gould, Glenn
- Schiff, András
- Stadtfeld, Martin
- Kempff, Wilhelm
- Perahia, Murray
- Lang Lang
- Rana, Beatrice
- Levit, Igor
- Becker, Markus
- Vogt, Lars
- Arrau, Claudio
- Kimiko Ishizaka
- Weissenberg, Alexis
- Sokolov, Grigory
- Barenboim, Daniel
- Rosen, Charles
- Hewitt, Angela
- Xiao-Mei, Zhu
- Koroliov, Evgeni
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Die Interpretationen auf Cembalo
Und damit sind wir bei einigen sehr bekannten und erfolgreichen Einspielungen der Goldberg Variationen. Wenn sie, wie Bach es ausdrückte, wirklich zur "Gemüths-Ergetzung" gedacht waren, dann sollten wir nicht zögern, hineinzuhören.
Aber wo fangen wir an? Am besten wohl mit einer Cembaloaufnahme, und zwar mit der ersten veröffentlichten überhaupt.
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Vielleicht allein schon wegen der Klangqualität eher von historischem Interesse ist die Einspielung von Wanda Landowska aus dem Jahre 1933, aufgenommen von RCA. Das war nicht nur die ersten Interpretationen auf Cembalo, sondern die erste Platteneinspielung der Goldberg Variationen überhaupt.
Die Künstlerin hat sich zeitlebens für eine authentische Aufführungspraxis der Kompositionen Bachs mit zeitgenössischen Instrumenten eingesetzt, verwendete aber für die Interpretation anderer Werke auch das Klavier. Doch die Goldberg Variationen konnten nach ihrer Ansicht nur auf dem Cembalo adäquat wiedergegeben werden.
Wanda Landowska war selbstsicher genug, sich gegen Anfeindungen ihrer Interpretationen zu verteidigen: "Wenn Sie sich nicht belehren lassen wollen, spielen Sie Bach weiterhin auf Ihre Weise. Ich jedenfalls spiele ihn auf seine Weise." Wie ich finde ein starkes Statement.
Die Aufnahme musste auf kapazitätsbegrenzte Schellack-Scheiben passen, also ließ Landowska die eigentlich vom Komponisten vorgegebenen Wiederholungen weg. Es ging damals eben nicht anders, es gab ja noch nicht einmal LPs. Zudem hatte Busoni schon 20 Jahre zuvor das Weglassen der Wiederholungen (und auch bestimmter ganzer Teile) empfohlen, um den Zyklus überhaupt vor Publikum spielen zu können. Die Originalversion schien ihm dafür ungeeignet, weil zu lang.
Wanda Landowska musste als Jüdin 1940 bei der Besetzung von Paris durch die Nazis fliehen, zumal auch das Vichy-Regime Juden aktiv verfolgte. Über Umwege gelangte sie nach New York, wo sie 1945 die Goldberg-Variationen ein weiteres Mal für RCA eingespielte. Leider kenne ich diese Aufnahme nicht. Vielleicht wäre sie eine Alternative zu der technisch unvollkommenen und im Nachhinein auch noch vom Tontechniker an den Satzenden manipulierten Schellack-Einspielung von 1933. Im Booklet begründet Mark Obert-Thorn allerdings penibel, warum das notwendig war.
Dennoch lohnt es sich, in die 1933er-Aufnahme hineinzuhören. Ich verwende dabei einen Kopfhörer. Die Interpretation strotzt vor barocker Kraft, soviel ist schon mal sicher. Landowska nimmt sich aber auch die Freiheit für Tempovariationen und Rubati. Bis 1933 waren die Variationen übrigens praktisch unbekannt. Landowska gebührt das Verdienst, diesem Werk wieder ein Publikum verschafft zu haben.
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Wer bei einer Interpretation mittels Cembalo bleiben will, sei verwiesen auf die Aufnahme von Helmut Walcha aus dem Jahre 1961. Walcha hat unter anderem als Organist an der Thomaskirche gearbeitet. Er ist ein ausgesprochener Bach-Spezialist, wurde wegen seiner Komplett-Einspielungen Bach`scher Orgelmusik weltbekannt, ist aber zudem ein begnadeter Cembalist.
Seine nun über 60 Jahre alte, inzwischen allerdings remasterte Aufnahme der Goldberg Variationen ist klangtechnisch kaum von heutigen Produktionen zu unterscheiden. Sie wurde für 3 (!) Seiten einer Doppel-LP produziert, die 4. Seite (D) blieb unbespielt. 75 Minuten Spieldauer waren für eine einzelne LP (zumindest damals) nicht machbar, andererseits wollte man dem Hörer ein nochmaliges Drehen der 2. Platte ersparen. Heute passt die Aufnahme mit ihren 75 Minuten Spieldauer gut auf eine einzige Audio CD neuerer Generation. Zumal Walcha damals die Reprisen der Schlussaria weggelassen hat (weglassen musste?), was knapp 2 Minuten "einspart".
Ob auf LP oder CD, ein gradliniger, unprätentiöser, dezent registrierter (oft beide Manuale unterschiedlich!), wenig verzierter und schon gar nicht verzuckerter Bach. Lassen Sie sich fallen und von der Macht, Weite und Größe dieser Interpretation verzaubern. Für mich eine Referenzeinspielung, gerade weil sich Walcha als Interpret so zurücknimmt. Wir hören Bach und nicht Walcha.
Ich kann es an nichts festmachen, glaube aber, dass Walcha aus seinem tiefen Bachverständnis heraus immer die genau richtigen Tempi wählt. Um so mehr fällt auf, dass er die Variation 25 im Vergleich sehr schnell spielt, sie dauert nur 5:13 Minuten. Betrachtet man Einspielungen der letzten Jahre, so braucht etwa Lang Lang mit 10:32 Minuten doppelt so lange und selbst der zupackende Stadtfeld lässt sich nicht drängen, beachtet ausnahmsweise die Reprisen und kommt auf 9:11 Minuten, Staier (2010) auf 8:04. Auch Schiff (2001), Gould (1982) und Leonhard (1978) spielen deutlich langsamer als Walcha. Ich erkläre mir diese Diskrepanz aus dem erst 1975 aufgefundenen Bach`schen Handexemplar. Da trägt die Variation 25 den von Bach selbst mit roter Tinte angebrachten Zusatz "adagio", was Walcha 1961 noch nicht bekannt gewesen sein kann.
Walcha liegt mit seinen 75 Minuten (ohne Weglassen der Schlussarien-Reprisen) wären es 78 Minuten) genau im Zeitmaß heutiger Interpretationen auf Klavier, die wir als ziemlich "schnell" gespielt empfinden. Bei Walcha hat man allerdings nie das Gefühl, dass er "zu schnell" spielt, er nimmt aber generell die von vielen Interpreten "langsam" gespielten Variationen relativ schnell und gewinnt dadurch Zeit, um die von anderen oft "schnell" gespielten Stücke geruhsamer anzugehen. Ich kann mir gut vorstellen, dass Bach ziemlich ähnlich gespielt hat.
Es ist eine Erwähnung wert, dass wir die hervorragende Klangtechnik dieser in 1961 produzierten Aufnahme dem 1968 verstorbenen Tontechniker Erich Thienhaus zu verdanken haben. Thienhaus, seines Zeichens Physiker, war ein Pionier der Aufnahmetechnik. Er lehrte in Berlin und Detmold, wo er auch das erste (heute nach ihm benannte) Institut zur Ausbildung von Tonmeistern gründete. Er hat sich mit dieser Aufnahme selbst ein Denkmal gesetzt. Und Helmut Walcha gleich mit. Beide thronen nun in einem von ionischen Säulen getragenen Tempel; oder wie interpretieren Sie das Cover der remasterten CD?
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Ähnlich fundamentale Cembaloeinspielungen hat Gustav Leonhard 1953 (Vanguard Classics), 1965 (Teldec, Das Alte Werk) und vor allem erneut 1978 (Deutsche Harmonia Mundi) veröffentlicht. Die Aufnahme von 1978 ist meine Favoritin und neben der Interpretation von Walcha die vielleicht beste Gelegenheit zum "Kennenlernen" des Bach`schen Meisterwerkes. Eine berückende Interpretation mit etwas mehr Modulationen und Phrasierungen als jene von Walcha, dadurch etwas "moderner" klingend, dabei aber immer dem Notentext verpflichtet.
Leonhardt spielt nicht auf einem originalen zeitgenössischen Instrument, sondern nutzt ein erst 1975 gebautes Cembalo. Dies ist allerdings ein getreuer Nachbau eines Instrumentes, das von Blanchett 1730 in Paris gebaut wurde. Es hat einen schlanken hellen Ton, völlig anders als die von Staier (s.u.) gespielte Kopie eines anderen zeitgenössischen Cembalos mit orgelartiger Fülle. Die Unterschiede sind frappierend. Welches Instrument Bach gespielt hat, weiß man nicht. Insofern kann man nur spekulieren, welches Klangideal er wohl hatte.
Für mich neben der Aufnahme von Walcha eine weitere und wohl nicht mehr zu überbietende Referenzeinspielung auf Cembalo, die zudem noch durch eine perfekte Aufnahmetechnik glänzt. Schließt man die Augen, sieht man das Cembalo direkt vor sich. Eines der großen Vermächtnisse des 2012 verstorbenen Musikers. Nur eine Frage sei erlaubt: Warum werden die von Bach vorgeschriebenen Wiederholungen (Reprisen) ignoriert!? Liegt es an der begrenzten Kapazität einer LP (oder gar CD, die ja 1978 schon in den Startlöchern stand)? Warum aber dann nicht eine Doppel-LP oder Doppel-CD-Kassette veröffentlichen!
Immerhin ist Leonhardt konsequent und lässt alle Wiederholungen weg. Das erhält wenigstens die Symmetrie des Werkes.
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Wenn Sie neben Klassik auch Jazz hören, kennen Sie Keith Jarrett von seinen berühmten Solo-Improvisationen oder seinen legendären Trio-Aufnahmen. Auch Jarrett hat sich auf dem Cembalo den Goldberg Variationen gewidmet. Die Aufnahme ist 1989 bei ECM erschienen. Sein Cembalo klingt weniger voll als die Instrumente von Walcha und Leonhard, schlanker, weniger scharf, insgesamt zurückgenommener. Das wollte er wohl so. Das Instrument ist ein japanischer Neubau von 1988, aber angelehnt an deutsche Instrumente der Bachzeit. Manchmal hat es eine glockenartigen Anmutung, die durchaus an japanische Klänge erinnert. Besonders gut gefallen mir die von Jarrett gewählten delikaten unaufdringlichen Registrierungen.
Ein Amerikaner mit afrikanischen Wurzeln spielt deutsche Barockmusik auf einem japanischen Cembalo! Das hätte sich Bach nicht träumen lassen.
Jarrett bleibt sehr stark am Notentext, ein Freund meinte: er "vertraue" ganz einfach Bachs Noten und sehe keinen Anlass, virtuose Effekte und Verzierungen hinzuzufügen. Was die Reprisen betrifft, geht Jarrett einen eigenen Weg. Er beachtet sie bei 10 der 30 Variationen, ohne dass ich einen Plan erkennen kann. Ganz sicher aber gab es einen. Denn von den 10 Veränderungen mit ausgespielten Wiederholungen befinden sich 5 im ersten Teil (2, 3, 4, 6, 9) und 5 im 2. Teil (16, 21, 25, 29, 30), die Symmetrie der beiden Blöcke wird zumindest nicht völlig aufgelöst.
Mithin eine bewusst wenig spektakuläre, aber grundsolide und vor allem ganz ehrliche und ehrfurchtsvolle Einspielung. Jarrett mag Bach und ich mag Jarretts Interpretation.
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Wie in Deutschland Gustav Leonhardt hat sich in England Trevor Pinnock einer historischen Aufnahmepraxis verschrieben, und zwar als Dirigent des "English Concert" und als Solist. Für die Interpretation der Goldberg Variationen hat er ein flämisches Cembalo von 1648 gewählt, das heute im Musée Instrumental in Paris aufbewahrt wird. Das Instrument klingt sehr hell und schlank und verfügt über nur wenige Registrierungsmöglichkeiten, die sich zudem noch recht ähnlich sind. Die Aria zu Beginn und am Ende wird mit unterschiedlichen Registern gespielt und eignet sich so gut für einen diesbezüglichen Klangvergleich.
Pinnock intoniert äußerst präzise, bleibt immer ernsthaft und sachlich. Die Aria und die Nr. 25 (Adagio) spielt er vergleichsweise schnell, die Nr. 26 und Nr. 29 ebenfalls. Sonst sind die Tempi im seinerzeit für Cembalointerpretationen üblichen Rahmen (die Aufnahme datiert aus 1980). Insgesamt eine strenge, fast analytisch anmutende Interpretation, die auf diese Weise einen ganz eigenen Reiz besitzt, verstärkt durch das dazu passende Instrument. Auf den Punkt gebracht hat das eine französische Musikkritikerin, die zumindest bei einigen Variationen eine Steifheit (wie bei einem Wachsoldaten vor dem Buckingham Palast), bei anderen eine Dürre (wie bei einem englischen Mager-Model) wahrgenommen hat. Gut, ein wenig mehr barocker Glanz, wie Pinnock ihn in der Ouvertüre kurz aufblitzen lässt, hätte der Interpretation gewiss nicht geschadet. Aber dafür haben wir ja Gustav Leonhardt. Mit Sicherheit kannte Pinnock dessen 78er Einspielung und war bemüht, eine sich davon abhebende Klangsprache zu finden, und das bei aller Bewunderung seines großen Vorbildes.
Manierismen, wie immer wieder von anderen Cembalisten und Pianisten genutzt, finden sich in seinem Spiel nicht. Die Charaktere der einzelnen Veränderungen kommen dennoch differenziert herüber, und zwar ohne jeden Gefühlsausbruch, was ohnehin eher nicht zu einem Briten passen würde, insbesondere dann nicht, wenn er Barockmusik spielt. Die Aufnahmetechnik und die digitale Aufbereitung der seinerzeitigen "Archiv Produktion" sind hervorragend, man sieht das Instrument plastisch vor sich und zum Greifen nah.
Auch Pinnock hatte ganz offenbar ein "Zeitbudget" für seine LP-Einspielungen, das er einhalten musste. So konnte er nur bei einige Variationen die vorgeschriebenen Wiederholungen ausspielen, betont aber, dass er seine Wahl "mit Bedacht" vorgenommen hat.
Die Gesamtspielzeit liegt mit knapp 61 Minuten heute so deutlich unter der Kapazität einer CD, dass als Bonus noch das wundervolle Italienische Konzert (BWV 971) beigegeben wird.
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Andreas Staier legt eine gewaltige Einspielung vor, voller barocker Kraft, laut, üppig, mit Nachhall wie aus einer Kathedrale, überhaupt vom Klang her an eine Orgel erinnernd, was nicht zuletzt dem gewählten Cembalo zuzuschreiben ist. Das ist nämlich die Kopie eines 1734 von Hieronymus Albrecht Hass in Hamburg gebauten Instrumentes mit theoretisch 59 Registrierungsmöglichkeiten. Bach könnte diesen Typus gekannt, vielleicht sogar selbst gespielt haben.
Damit Affekte und Effekte sich nicht zu schnell abnutzen und Steigerungsmöglichkeiten bleiben, werden erst ab der Ouvertüre (Variation 16), also zu Beginn der zweiten Hälfte wirklich "alle Register gezogen". Das läßt sich auch problemlos mit der von Bach eingebauten Dramaturgie des Goldberg-Zyklus rechtfertigen.
Staier begründet im Booklet die Wahl dieses "Cembalo-Monsters" damit, dass er die Zeit gekommen sehe, sich wieder auf die großen und üppigen Instrumente der Bachzeit rückzubesinnen, nachdem in den letzten Jahrzehnten eher schlanke und subtil klingende Cembali (nach-)gebaut wurden. Er zitiert etwas süffisant einen F. Hubbard (1965) mit folgender Charakterisierung der gewaltigen Cembali des 18. Jhd.: "The grotesque result of the barbarous imposition of tonal concepts appropriate to the organ". Ob es sich bei dem Zitierten um den großen Jazztrompeter Freddie Hubbard handelt, wird nicht klar, scheint mir aber eher unwahrscheinlich. Staier meint, wenn er vielleicht auch nicht die ganze Welt mit der Wahl dieses Cembalo-Nachbaus für die Einspielung der Goldberg Variationen beglücke, so beglücke er doch zumindest sich selbst. Und vielleicht ist genau das immer noch das Wichtigste?! Vor lauter Glück brummt er bei der Eingangsaria mit, und auch bei den Variationen immer mal wieder, eine Art "Brummo continuo".
Staier ist ein ausgewiesener Spezialist der historische Aufführungspraxis auf Cembalo und Hammerklavier. Er erklärt seine Interpretation auf einer extra angelegten DVD, das sollte Schule machen. Er zeigt zudem Bachs persönlichen Hintergrund auf, in dessen Kontext er die Variationen geschrieben hat. Wie andere Musikwissenschaftler äußert auch Staier Zweifel daran, dass dieses Werk eine Auftragsarbeit gewesen sein könnte und begründet das.
Alles in allem eine Aufnahme, die allein schon durch ihre räumliche Opulenz hervorsticht, aber eben genau durch den damit einhergehenden Hall und eine teils rasant schnell gespielte Interpretation einige Feinheiten der Artikulation untergehen lässt. Beides kann man wohl nicht haben. Vergleichen Sie dazu die Variation Nr. 5 und vor allem die Nummern 26 und 29. Ihr Musikzimmer sollte den Nachklang nicht zusätzlich noch durch Raummoden verstärken. Oder Sie verwenden einen guten Kopfhörer, was damit sowohl ihrer eigenen Musikergötzung dient, zudem aber auch Helene Fischer beim Nachbarn nebenan noch eine Chance gibt. Ich konnte den Ort der Aufnahme nicht herausfinden, glaube aber, dass es eine Kirche gewesen sein muss. Zur Interpretation der Goldberg Variationen auf einer Orgel ist es jetzt jedenfalls nur noch ein kleiner Schritt auf die Empore...
Bei den mit "Andante" (Variation 15) und "Adagio" (Variation 25) überschriebenen Stücken setzt Staier das "Nasalzugregister" ein, um den Affekt einer klagenden menschlichen Stimme zu imitieren. Ich verstehe zwar diesen Ansatz, mag aber das Nasalregister nicht und empfinde überdies darin einen Bruch des klanglichen Gesamtkontextes. Aber das ist ausschließlich eine Frage des subjektiven Geschmacks. Im Übrigen hält sich Staier strikt an die Noten, was heute nicht mehr selbstverständlich ist. Wobei er auch wirklich nach Noten und nicht etwa "auswendig" spielt. Verzierungen und Rubati setzt er sparsam ein, seine Interpretation braucht solcherlei Beiwerk auch gar nicht.
Eine Einspielung, die durch die beschriebenen Charakteristika ihren ganz eigenen Reiz ausübt und paradoxerweise gerade wegen der barocken Attitüde in unsere sich immer schneller drehende und Effekte forcierende Welt passt. Direkt im Anschluss gespielt wirkt jede andere Aufnahme (auch auf Piano forte!) "flach". Stellen Sie bei vergleichendem Hören Staier ans Ende! Ich bin froh, dass es diese Aufnahme gibt und lege sie je nach Stimmung (Johann Sebastian möge mir verzeihen) immer mal wieder auf. Ich bin aber doch froh, dass ich alternativ Walcha und Leonhardt habe...
Das Plattenlabel "harmonia mundi" gehört übrigens einem französischen Unternehmen und hat nichts zu tun mit der "deutschen harmonia mundi", bei der Leonhardt seine letzte Einspielung veröffentlicht hat.
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Eine sehr empfehlensqwerte Studio-Einspielung wird 2001 von Jory Vinikour vorgelegt. Er spielt einen amerikanischen Nachbau eines 1624 gefertigten Cembalos von Johannes Ruckers aus Antwerpen (Flamen), das heute noch im Musée D`Unterlinden (Colmar) zu bewundern ist.
Vinikour spielt alle Wiederholungen, lässt sich weder treiben, noch bummelt er und kommt auf 85:39 Minuten, die vom Plattenverlag "Delos" auf 2 CDs verteilt werden. Der Klang des Cembalo ist klar, präsent und ohne Nachhall. Die Registrierung ist stimmig, bringt Klangfarben ein, drängt sich aber nie in den Vordergrund. Sehr gut gefällt uns, dass die Schlussaria genau gleich registriert wurde wie die Eingangsaria und dieser auch ziemlich genau in der Tempowahl entspricht.
Vinikour spielt auf seinem eher warm klingenden Instrument geradlinig,
verwendet nur sehr sparsam Tempomodulationen und Rubati, wodurch aber
das Werk trotz aller gebotenen Nüchternheit "menschengemacht"
klingt. Ich denke, die GV und Barockmusik allgemein können bei
ungeschickter Interpretation sehr schnell seelenlos und wie
maschinengemacht klingen.
Das Booklet ist von Vinikour selbst geschrieben und umfasst auch einen
Absatz des kalifornischen Instrumentenbauers Kevin Fryer zum flämischen
Originalinstrument und seinem Nachbau. Es wird in französisch und
englisch wiedergegeben.
Eine Einspielung, die durchaus als Referenz einer Cembaloaufnahme gelten kann. Jedenfalls eine gute Ergänzung, um nicht zu sagen Alternative zu Walcha und Leonhard. Im Augenblick unser Favorit unter den Cembaloeinspielungen.
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Jean Rondeau`s Cembalo-Aufnahme ist eine Art Gegenentwurf zu wahrscheinlich allem, was Sie bisher auf diesem Gebiet kennen. Sie fällt aus dem Rahmen, nämlich zunächst einmal völlig aus dem zeitlichen Rahmen. Rondeau lässt sich Zeit, viel Zeit und beglückt uns mit seiner eigenwilligen Interpretation ganze 107:12 Minuten, natürlich unter Beachtung aller Reprisen. Die z.T. deutlichen Pausen zwischen den einzelnen Veränderungen sind dabei mit eingerechnet. Zum Vergleich: Lang Lang auf seinem Steinway live liegt bei 93 Minuten, Andreas Staier auf seinem prachtvollen Cembalo braucht 81 Minuten, Schiff live auf seinem Bösendorfer 71 Minuten, Gould (ohne Reprisen) 36 Minuten. Oder anders ausgedrückt: Für Rondeaus sensitive Einspielung brauchen Sie dreimal so lange, dreimal so viel Geduld wie für Goulds 1955 vorgelegte Sensation. Und trotzdem klingen die berühmten "Bravourstücke" nicht "langsam" und keinesfalls schleppend.
Die Einspielung wurde 2021 in einer Pariser Kirche aufgenommen. Der Klang des Cembalos als auch der Raumklang sind "superbe". Das Instrument wurde 2006 als Nachbau zeitgenössischer deutscher Cembalos gefertigt.
Im von Rondeau selbst verfassten knappen Booklet wendet er sich mit folgenden Worten an uns: "Nun bleibt mir nur noch, Sie zum Anhören dieser Goldberg-Variationen einzuladen - ihre Ruhemomente zu erforschen - ein Erlebnis, in dem Sie ein Gefühl von Intimität, Reinheit und Wahrhaftigkeit finden mögen".
Damit sind die Intentionen klar. Sie werden auch noch einmal ausgeschmückt durch ein Zitat von Christian Bobin: "Les Variations Goldberg de Bach, c`est le feuillage-univers, le poumon des etoiles surprises dans leur sommeil". Und durch mehrere leere bzw. nur mit dem Wort "silence" bedruckten Seiten des Beiheftes.
Und in der Tat ist die Wirkung dieser Einspielung ganz unterschiedlich zu allem, was die meisten von uns je gehört haben mögen. Man fühlt sich - entspannt zurückgelehnt - in eine barocke Kirche, ein barockes Schloss, einen barocken Konzertsaal versetzt, die Augen streifen langsam über das reich mit Gold und rotem Brokat verzierte Interieur, Ruhe kehrt ein, alle Hektik weicht, wir erkennen Details, die wir bisher übersehen haben. Den geplanten Kurs "Autogenes Training" können wir absagen.
Niemand weiß Genaues über die im Barock gewöhnlich verwendeten Tempi. Zudem hat Rondeau vielleicht gar nicht den Anspruch, das richtige Tempo gefunden zu haben. Der Zuhörer aber wird einzelne Passagen viel differenzierter wahrnehmen als bei "schnellen" Einspielungen.
Rondeau bleibt bei einer respektvollen Auslegung der Noten, er lässt nichts weg und fügt nichts hinzu. Die Aufnahme klingt "wie aus einem Guss", was auch auf die bewusst ziemlich gleichförmige Registrierung aller Variationen zurückzuführen ist. Die recht langsamen Tempi eröffnen aber auch die Möglichkeit zu dezentem Einsatz von Agogik und speziell Rubati.
Jean Rondeau ist sich ganz sicher bewusst, welche Diskussionen sein Beitrag zur Interpretation der Goldberg Variationen auslösen wird. Wie immer gehört eine ziemliche Portion Mut dazu, gegen den Strom der Zeit (d.h. eine Spieldauer zwischen 72 und 82 Minuten) zu schwimmen. Aber wie heißt es doch: Nur wer gegen den Strom schwimmt, gelangt zur Quelle.
Wenn Sie die GV lieben, speziell als Cembalodarbietung, sollten Sie unbedingt einmal in diese so ungewöhnliche Interpretation hineinhören. Sie werden, wenn Sie offen sind, eine neue Facette des Bach`schen Universums kennenlernen. Wie stark dieser Fascettenschliff in Ihnen "nachfunkelt", entscheiden Sie allein. Aber eines versichere ich Ihnen: Sie werden nicht einschlafen....
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Es sei neben der 1961er-Aufnahme von Helmut Walcha noch kurz hingewiesen auf drei weitere Cembaloeinspielungen "alter Recken", mit denen die Nachkriegsgeneration (teils noch per LP) "goldbergisiert" worden ist, und zwar auf die Interpretationen von Ralph Kirkpatrick (1959), Karl Richter (1972) und Ton Koopman (1988).
Wenn Sie eine antiquarische LP oder CD einer dieser Einspielungen für kleines Geld finden und erwerben, machen Sie nichts falsch. Alle drei Interpreten nehmen sich selbst zurück, spielen Bach "pur" ohne alle Mätzchen, kaum Tempomodulationen, fast keine Rubati, dezent unterschiedliche Registrierungen. Bei dieser Generation Bachspezialisten war es nicht üblich, sich selbst ins Rampenlicht zu stellen.
Am ehesten kommt die Interpretation des deutschen Bach-Spezialisten Karl Richter aus 1972 (es gibt auch eine Einspielung aus 1965) der des von uns als Referenz gesetzen Helmut Walcha nahe. Erstere wurde seinerzeit (wie die von Walcha) auf 2 LPs veröffentlicht (wobei die 2. Seite der 2. LP hier auch wirklich beschrieben war!) und bringt alle Reprisen, nur die Aria da capo wird (wie bei Walcha) nicht wiederholt. Auch die Spielzeit ist ähnlich, bei Walcha 75:20, bei Richter 77:10 Minuten, (bei Beachtung der Reprisen der Schluss-Aria wären es jeweils 2 Minuten mehr gewesen).
Der anerkannte amerikanische Bach- (und Scarlatti-)Spezialist Ralph Kirkpatrick spielt keine Reprisen, die Spieldauer liegt entsprechend bei "nur" 43:38 Minuten, was heute (wie bei der 1955er Aufnahme von Gould) etwas "karg" anmutet, aber damals gut auf eine Einzel-LP passt (die es übrigens bei der Archiv-Produktion der DG in Mono und alternativ in Stereo gab). Aufgenommen wurde in der Berliner Jesus-Christus-Kirche.
Der ebenfalls hoch anerkannte holländische Bach-Spezialist Ton Koopman kommt auf 62:22 Minuten. Er spielt alle Reprisen der ersten 16 Takte und lässt alle Reprisen der zweiten 16 Takte weg. Würde er nicht diesen Kunstkniff verwenden, wäre seine Einspielung etwa 83 Minuten lang und hätte auf keine CD gepasst. Nach unserem Wissen gibt es von dieser Aufnahme keine LP-Pressung. Aufgenommen wurde in einer Utrechter Kirche, der Raumklang ist sehr angenehm.
Klangtechnisch sind alle 3 Aufnahmen (wie auch die von Walcha) kaum von heutigen Einspielungen zu unterscheiden. Für die Tonmeister muss es schon seinerzeit erheblich einfacher gewesen sein, ein Cembalo gut klingend mitzuschneiden als ein Klavier. Allein der "Gesamtklang", der auch den Raumklang mit einschließt, wirkt bei modernen Aufnahmen angenehmer und weniger eng.
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Die Interpretationen auf einem modernen Konzertflügel
Die Goldberg Variationen auf einem modernen Klavier? Da gibt es keinen Mangel, eher einen gewaltigen Überfluss. Man kann den Eindruck gewinnen, dass jeder Pianist, jede Pianistin das Werk spätestens bis zum 35. Lebensjahr eingespielt haben muss, vielleicht als eine Art "Meisterstück". Im Folgenden sollen nur einige wenige breiter bekannte Aufnahmen dargestellt werden. Das Spektrum der möglichen Interpretationen ist damit ganz sicher nicht voll erfasst.
Nicht vorbei kommt man an den beiden Einspielungen des Kanadiers Glenn Gould aus 1955 und 1982 kurz vor seinem Tode. Beide Aufnahmen haben Stärken. Die von 1955 hat eine Hype ausgelöst und ist "Kult". So schnell, so brillant, so "artistisch" hatte man das Werk - wenn überhaupt - noch nie gehört. Die von 1982 ist klangtechnisch besser, wenn auch immer noch etwas dumpf und nicht auf der Höhe der Zeit. Von der Interpretation her gesehen ist sie reifer und ausgewogener, Gould lässt sch deutlich mehr Zeit, die Variationen haben jetzt Luft zum Atmen.
Gould war ein Tastengenie, das ist unwidersprochen. Warum werde ich dennoch mit ihm nicht warm? Zu viel technische Brillanz zu Ungunsten der Gefühle? Oder ist es die Tatsache, dass der Exzentriker bei vielen Stücken mitbrummt, ja mitsingt? Zwar 1982 weniger laut als 1955, aber immer noch störend.
Zumindest geht er 1982 etwas geruhsamer an die Sache heran, braucht für die 32 Stücke immerhin 51 Minuten, während er 1955 den Parcours (fast provokativ) in nur 36 Minuten schaffte. Die jeweilige Spieldauer lässt sich allerdings nicht unmittelbar vergleichen, da Gould 1955 alle Reprisen weglässt, 1982 aber zumindest die ersten 16 Takte der 10 Canones wiederholt. Auf alle Fälle gebührt Glenn Gould das Verdienst, Bachs Goldberg Variationen aus der Versenkung herausgeholt und populär gemacht zu haben. Sie sollten hineinhören, vielleicht auch nur, um mitreden zu können, wenn Ihre Gesprächspartner ins Schwärmen kommen.
Von einem Gould-Fan wurde ich darauf hingewiesen, dass der Kanadier weitere zweimal die GV aufnehmen ließ. Und zwar 1954 live in einem Broadcast für die CBC und 1959 während eines Recitals in Salzburg.
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Mir stehen 2 Einspielungen von András Schiff zur Verfügung, eine Studioaufnahme aus 1983 und der Mitschnitt eines Live-Konzertes aus 2001 in Basel. Letzterer wurde von Manfred Eicher 2003 auf ECM veröffentlicht, wie immer in exzellenter Klangqualität. Ich vermute, Schiff spielt auf einem Bösendorfer. Hat die Aufnahme doch nicht den Steinway-typischen hellen und etwas spitzen Nachklang.
Übrigens summt der Pianist an mehreren Stellen mit, ähnlich wie Gould, aber leiser. Komisch, hier stört es mich nicht. Ich ziehe ganz eindeutig die Aufnahme aus 2001/2003 der aus 1983 vor. Das schon allein wegen des um Klassen besseren Klanges.
Sir Schiff muss keinem mehr etwas beweisen, er ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere und Kunst angekommen. Er interpretiert gelassen, lässt früher verwendete Effekte weg, sucht nicht nach versteckten Nuancen, konzentriert sich auf das Wesentliche, und das ist nun einmal die Struktur des Werkes.
Hören Sie in die "langsame" Variation 25 und die "schnelle" Variation 26 hinein (achten Sie dabei auf die linke Hand!), dann wissen Sie, was ich meine. Und hören sie die unvergleichlich feinen Ziselierungen der Variation 29. Besser kann man Bach`s Noten auf einem Flügel nicht artikulieren. Dass die Aufnahme so lebendig wirkt, liegt vielleicht nicht zuletzt an der Liveathmosphäre, der sich kaum ein Musiker entziehen kann. Für mich ist diese großartige Einspielung eine Referenzaufnahme des Werkes auf einem heutigen Piano forte.
Ein weiterer Pluspunkt muss aufgezeigt werden: Das Booklet führt mit großer Expertise in die Entstehungsgeschichte des Werkes und in jede einzelne Variation ein, und zwar aus der Sicht des Pianisten. Das wünschte man sich für alle Aufnahmen klassischer Musik.
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Hoch gelobt wurde die Sony-Einspielung von Martin Stadtfeld, sie erreicht 2004 Platz 1 der meistverkauften Klassik-CDs. Der damals erst 23jährigePianist gewinnt mit ihr den Echo-Klassikpreis 2004 als "Nachwuchskünstler des Jahres". Er geht mit unbekümmerter jugendlicher Frische ans Werk, wie 1955 Glen Gould, mit dem er wegen seiner technischen Fertigkeiten auch immer wieder verglichen wird. Sein Spiel ist schnörkellos, beeindruckend trocken, modern und herrlich unangepasst, aber manchmal auch etwas eigenwillig.
Manche sagen, er spiele nicht Bach, sondern spiele mit Bach. Vergleichen Sie dazu die Variation 19, die Stadtfeld (anders als Gould!) nicht als zartes Menuett, sondern als eine Art Presto spielt. Damit wäre das Stück aber bereits nach 35 Sekunden vorbei gewesen. Das war ihm dann doch wohl etwas zuviel (besser: zu wenig!) des Guten, deshalb beachtet er hier ausnahmsweise die vorgeschriebenen Reprisen, allerdings spielt er die Melodie der rechten Hand bei der ersten Wiederholung 1 Oktave höher.
Was wohl Bach dazu gesagt hätte? Ich mag die Einspielung, glaube aber, dass Stadtfeld in 20 Jahren eine noch reifere, durchgeistigtere Aufnahme vorlegen wird, womit er es vielen seiner Kollegen gleichtun würde.
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Wilhelm Kempff, der große, vielleicht größte deutsche Pianist der Nachkriegsjahre hat mit seinen für immer gültigen Beethoven- und Schubert-Einspielungen Geschichte geschrieben. Aber was passiert da unter seinen Händen mit Bach`s Goldberg-Variationen! Es ist nur schwer in Worte zu fassen. Sie müssen sich selbst ein "Hörbild" machen.
Kempff lässt (fast) alle Verzierungen weg und spielt die reine Melodie. Da ist keine bedeutungsvolle Schwere, kein Getöse, kein Gerase, keine Verzögerung, kein "Pianissimo", kein "Fortissimo". Da gibt es kein "langsames" und "schnelles" Stück, alles fließt unaufgeregt und doch zwingend. Man hört den destillierten Geist der Variationen, als wenn sie ihren Klangkörper schon längst hinter sich gelassen hätten. Kempff hat jeglichen Ballast abgeworfen und schwebt entspannt und schwerelos über uns. Es hat ein bisschen den Anschein, als käme die Musik aus einer anderen Welt, oder gar aus dem Himmel? Jedenfalls eine Interpretation voller erhebender Schönheit, eine Interpretation, wie man sie wahrscheinlich erst mit 75 Jahren erschaffen kann.
Wenn Sie mal in einen Videomitschnitt eines Konzertes oder einer Studioproduktion von Kempff hineinschauen, so wird Ihnen - vor allem bei Stücken von Bach, Beethoven und Schubert - auffallen, dass er kaum auf die Tasten schaut. Sein Blick ist nach oben gerichtet, sein Gesichtsausdruck spiegelt Erleuchtung. Man fragt sich spontan, was er gerade sieht und/oder hört.
Die Variationen klingen nach dem, was sie wirklich sind: Absolute Musik. Man erlebt, dass Bach`s Werk gar keine barocktypischen Zutaten braucht, jedenfalls nicht auf dem Klavier. Dabei verliert sich niemals die Polyphonie, soweit sie dem Werk eigen und auf nur einem "Manual" herauszuarbeiten ist. Und so fassungsloser, weil unvorbereitet ist man, wenn Kempff die Variation 14 mit ihren reichen Trillern spielt. Hat man das Stück je so gehört?
Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass den Goldberg Variationen auf Klavier nichts Wesentliches abgeht, dann hat Kempff ihn mit seiner Einspielung erbracht.
1970 war noch keine CD mit 70-80minütiger Speicherkapazität in Sicht. Die Goldberg Variationen aber auf 2 LPs zu verteilen wäre unüblich und teuer gewesen. Also stand nur die Zeit für Vorder- und Rückseite einer einzelnen LP zur Verfügung. Dann aber war eine Gesamtaufnahme nur realisierbar, wenn Wiederholungen weggelassen wurden. Kempf löst das Problem zum Teil dadurch, das er bei einigen Veränderungen nur die ersten 16 Takte wiederholt, nicht aber die zweiten 16 Takte. Ich erinnere mich diesbezüglich an die Variationen Nr. 4, 10 und 14. Nennen wir es eine "erzwungene künstlerische Freiheit".
Die Einspielung ist von 1970. Da gab es durchaus schon das Wissen, wie man einen Konzertflügel tontechnisch klar, präzise und dennoch voll klingend aufnehmen kann. Das aber ist hier leider nicht geschehen. Mir scheint das Klavier deutlich übersteuert zu sein, hört man in üblicher Lautstärke, klirrt es sogar. Das alles wird auch auf "Japan Pressungen" nicht besser. Also ist man gezwungen, den Lautstärkeregler herunterzudrehen. Was letztlich dieser so erhabenen, ruhigen und entspannten Interpretation durchaus gemäß ist. Trotzdem wäre es interessant, in die (nicht remasterte) Original-LP hineinzuhören. Möglicherweise ist die der CD klangtechnisch überlegen.
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Die Einspielung der Goldberg Variationen durch Murray Perahia aus dem Jahre 2000 gehört zu den besten Klavierinterpretationen überhaupt. Wie bei Kempff steht die Melodie im Vordergrund, sie strahlt Ruhe und Durchgeistigung aus. Wie bei Schiff fügt sie sich aber zudem in die komplexe vertikale Harmonie ein, die erst am Ende von jeweils 16 kontrapunktisch durchgeführten Takten mit der Tonika zur Ruhe kommt.
Genauso hat Perahia seine Interpretation geplant, was er in dem superben Booklet ausführlich erklärt. Und dies auch an Notenbeispielen. Der interessierte Musikfreund erkennt, wie sich die auf den Fundamentalnoten aufbauenden Akkorde in den Dienst der polyphonen Harmonie stellen.
Tatsächlich würde ich Perahia`s Aufnahme zwischen Kempff`s noch spirituellerer und Schiff`s etwas spielfreudigerer Interpretation verorten. Ein weiteres Charakteristikum ist der weiche, warme und dabei so herrlich differenzierende Anschlag, und zwar sowohl in den lyrischen, als auch in den bravourösen Stücken. Sein Spiel verleiht der Musik Flügel.
Dazu kommt eine makellose Aufnahmetechnik, die das Klavier dem Hörer so nahe bringt, als säße er in der ersten Reihe. Das schafft längst nicht jeder Tontechniker.
Da ich bei den Cembaloeinspielungen zwei Referenzaufnahmen benannt habe, will ich das auch bei den Darbietungen auf Kavier tun und neben der Interpretation von Schiff aus 2001 diese von Murray Perahia als Referenz adeln.
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Ja, und dann Lang Lang. Lange lange habe ich nachgedacht, ob ich an dieser Stelle etwas zu der DG-Aufnahme aus 2020 sagen soll, sagen muss, sagen will. Kann man dem Pianisten in einer kurzen Besprechung dieser Einspielung (eigentlich sind es ja zwei Einspielungen!) gerecht werden? Es sei wenigstens versucht.
Lang Lang polarisiert, das hat er schon immer getan, allerdings ohne es zu wollen. Die einen sehen in Ihm den Showman, den Pop-Superstar, den von seiner Plattenfirma DG künstlich als Überpianist stilisierten Tastentitanen, den oberflächlichen, die europäische Musik nicht wirklich verinnerlichenden Sonnyboy. Die anderen attestieren ihm neben der unumstrittenen technischen Brillanz inzwischen einen Reifungsprozess, einen eigenen, aber immerhin nicht mehr zu eigenwilligen, dafür von echter Empathie geprägten Zugang zu westlicher Musik, und zwar durchaus von Barock bis Romantik. Doch Lang Lang bleibt auch nach den jetzt als Studioaufnahme und zusätzlichem Livemitschnitt aus der Leipziger Thomaskirche vorgelegten Goldberg Variationen für viele Berufs- und Laien-Kritiker eine Reizfigur.
Nur warum eigentlich? Warum verübelt man ihm sein manchmal exaltiertes Auftreten? Bei Bernstein hat man dessen publikumwirksames Gehoppse akzeptiert, bei Gould seine Exzentrik, und selbst ein Nigel Kennedy und David Garrett haben ihr Publikum. Die Klassische Musik kann wahrscheinlich ohnehin nur überleben, wenn man Pop-Elemente einbaut oder wenigstens zulässt. Nicht nur die Zeiten ändern sich, auch die Musikkonsumenten. Oder man lehnt solcherlei Anpassung an den "Musikkapitalismus" und Zeitgeschmack ab, wie es z.B. ein Frank Peter Zimmermann tut.
So befremdet es noch immer, übrigens auch manche Künstler, wenn nach einzelnen Sätzen und nicht erst am Ende des Werkes applaudiert wird. Und manchen gesetzten Klassikliebhaber entsetzt es, in welcher Kleidung das neue Publikum in den Konzert - oder Opernsaal eindringt. Aber wäre es besser, wenn im Zuschauerraum nur noch die regungslos verharrenden Senioren in Abendanzug, Krawatte und langem Kleid Platz nehmen würden? Die Musikwelt befindet sich im Wandel, nicht zuletzt durch den allezeit möglichen Konsum per Streaming. Ein neues Publikum mag sich dadurch erschließen lassen. Dem müssen sich dann aber wohl auch die Interpreten stellen. Oder nicht?
Ich hätte der Deutschen Grammophon allerdings geraten, in dem opulenten Booklet der Luxusedition auch etwas über Bach und sein Werk zu sagen, so wie es früher selbstverständlich war. Doch leider: kein Wort zu Bach, kein Wort zum Werk. Dafür gefühlt viele Dutzend Hochglanzfotos von Lang Lang (exakt sind es 25). Da fragt man sich schon: geht es hier um Bach oder den Interpreten? Das Gegenbeispiel ist das Booklet zur 2001er Einspielung von András Schiff. Ein winziges SW-Portrait des Interpreten, dazu aber eine umfangreiche und kundige Werkeinführung durch den Pianisten selbst.
Nun aber doch zur Interpretation der Goldberg Variationen durch Lang Lang. Zunächst einmal hat er es sich nicht leicht gemacht, er hat das Stück jahrelang studiert und erst 2020 mit 38 Jahren aufgenommen. Er ist inzwischen verheiratet, hat wegen diverser Überlastungen eine Art Sabbatical hinter sich gebracht und wirkt heute in Interviews ruhig und gereift. Er hat die Variationen gleich zweimal eingespielt, einmal im Studio, das andere mal als Aufzeichnung eines Livekonzertes in der Leipziger Thomaskirche. Die Interpretationsunterschiede sind minimal. Allerdings ist der Klavierklang in der Kirche deutlich halliger. Ich ziehe die Studioaufnahme vor, mag sie auch etwas weniger Spontanität haben. Klangtechnisch ist sie überragend.
Lang Lang ist einer der wenigen, der alle von Bach vorgegebenen Wiederholungen spielt. Deshalb benötigt jede der beiden Aufnahmen 2 CDs. Langweilig wird die Musik dadurch niemals, und eingeschlafen wäre wohl nur Graf Keyserlingk, und auch nur dann, wenn der Pianist (wie es wahrscheinlich Goldberg tat) leise und ohne jegliche Dynamik gespielt hätte - aber das war ja nicht Lang Lang`s Auftrag.
Man weiß von Lang Lang, dass er sich vorab viele Gedanken zur Herangehensweise gemacht hat, zu den Tempi, den Tempomodulationen (Agogik, Rubato), zum Pedalgebrauch, zur Lautstärke der Liveaufführung und zur Ornamentierung. Herausgekommen ist eine äußerst subjektiv artikulierte, kräftige, in manchen Stücken extrem langsam, in anderen (Variation 26 im 12/16 Takt) extrem schnell gespielte, dabei oft tempomodulierende und reich verzierte Interpretation. Vielen Kritikern gefällt das nicht, aber es ist nun mal seine eigene derzeitige Sichtweise. Er soll gesagt haben, dass er das Stück in 20 Jahren wohl anders interpretieren werde. Ggf. warten Sie also mit dem Kauf noch...
Interessant finde ich Lang Lang`s Bemerkung, dass ihm Harnoncourt einmal gesagt habe, er spiele die Variationen schön, aber nicht "einsam" genug. Der Altmeister wollte ihm wohl durch die Blume bedeuten, dass er beim Spiel nicht an das Publikum, sondern allein an sich, Bach und das Werk denken solle. Zugegebenermaßen ein nicht leichter Ansatz für ein Livekonzert.
Bleibt die Frage nach der einzigen wirklich gültigen Interpretation; es gibt sie nicht! Wenn Sie mich fragen, ich mag Lang Lang`s gefühlvolle, fast romantisierende Einspielung. Sie ist der Gegenpol zu den "Gouldberg"-Variationen, die lange als der "Gould"-Standard galten.
Hören Sie rein in die Variation 13; unvorbereitet könnten Sie sich fragen, welcher deutsche Romantiker das Stück wohl komponiert hat. Mindestens aber würden Sie es in die Zeit der "Empfindsamkeit" verlegen, die in Deutschland aber erst nach dem Tode Bachs begann. Dazu trägt neben der Wahl des Instrumentes auch die extrem langsame Vortragsweise bei. Lang Lang spielt ganze 6:40 Minuten, Walcha, der auch nicht gerade rast und ein gutes Gefühl für Tempi hat, braucht nur 3:47 Minuten. Vielleicht hat Lang Lang doch soeben eine der vielen visionären Seiten Bachs entdeckt? Genug Stoff für manche Diskussionen.
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Hier kommen sie, vier "neuere" Interpretationen, die trotz kompletter Einspielung aller von Bach vorgeschriebener Wiederholungen im Gegensatz zu Lang Lang gerade so auf eine einzige CD passen. Ob das die Vorgabe der Produzenten war, etwa auch bei Beatrice Rana mit ihren 77:45 Minuten Spieldauer? Oder hatte der Visionär Bach doch schon die CD im Auge?
Beatrice Rana ist so etwas wie der "Shootingstar" unter den Pianistinnen des 21. Jh. Sie geht manches altehrwürdige Werk wohl recht bewusst anders an als wir es zu hören gewohnt sind. Schon bei Chopins Etuden op. 25 kamen mir manche Passagen völlig fremd, um nicht zu sagen befremdlich vor.
Ich will nicht sagen, dass sie auf dieser 2016 eingespielten Aufnahme der Goldberg Variationen "rast", zudem vermeidet sie so ziemlich alle bekannten Manierismen wie beispielsweise Rubati, ausgedehnte Triller oder deutliche Tempovariationen, was mir gefällt. Aber das Tempo, mit dem sie einige Variationen angeht, ist schon atemberaubend.
Wobei ich die vergleichsweise "leichte" Tempoanhebungen bei der Aria, deren Wiederholung, dem Quodlibet und bei den Variationen Nr. 15 und Nr. 25 gut nachvollziehen kann, ja sogar ausdrücklich begrüße.
Doch wenn ich das Werk nicht so gut kennen würde, käme ich bei einigen Stücken ins Grübeln, ob hier jemand gerade Franz Liszt`sche Adaptationen in Grund und Boden jagt, vergleiche z.B. die Variation 5, aber zudem auch andere "mittlere" Variationen (manche sprechen rechtfertigend (?) von "Toccaten") der jeweiligen Dreiergruppen. Hören Sie also rein in die Variationen 8, 11, 14, 17, 20 (Vorsicht vor Schwindel!), 23, 26 und 29!
Ist das noch Barockmusik? Wenn man vor lauter rasanten Läufen einzelne Töne gar nicht mehr differenzieren kann? Hätte Bach selbst seine Stücke so schnell gespielt? Und hätte er sie überhaupt so schnell spielen können? Oder sind diese Fragen ohne jede Relevanz? Fragen über Fragen!
Ich kann nur empfehlen, Ranas Interpretation erst dann zu Vergleichen heranzuziehen, wenn man das Werk anhand der Referenzeinspielungen gut kennengelernt hat. Für dabei möglicherweise auftretende Nebenwirkungen können wir allerdings keine Verantwortung übernehmen.
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Auch bei den Herren Pianisten gibt es einen Shooting Star, die Rede ist von Igor Levit, der nur 5 Jahre älter als Beatrice Rana ist und etwa gleichzeitig bzw. ganz kurz vor ihr (2015) die Goldberg Variationen aufgenommen hat. Levit spielt ähnlich schnell und braucht für den Zyklus mit 78 Minuten nur 15 Sekunden länger.
In seinem Podcsst erwähnt er, dass es für ihn ein "Dogma" sei, alle von Bach vorgesehenen Wiederholungen zu spielen, obwohl er ansonsten alles andere als dogmatisch veranlagt sei. Ich kann gerade deshalb kaum glauben, dass die Einspielungen ganz ohne "Blick auf die Uhr" erfolgt sind, eher glaube ich (wie bei Beatrice Rana), dass das Zeitbudget einer CD einzuhalten war und damit die Tempi zumindest einzelner Variationen vorgegeben waren.
Levit nimmt - wie nicht anders zu erwarten und wohl auch anders gar nicht möglich - vor allem die mittleren Variationen der "Trinitäten" sehr schnell. Genau diese Stücke mögen es am ehesten verzeihen, wenn sie so schnell gespielt werden, sind es doch "Clavier Übungen" im engeren Sinn.
Im Übrigen von der Virtuosität und von der Emotionalität her eine tadellose Aufnahme ohne pianistische Effekthascherei, angenehm nüchtern, ohne die Erhabenheit des Werkes anzutasten.
Levit erwähnt in seinem Podcast, dass für ihn die Variation 13 einen Höhepunkt des Zyklus darstellt; die ist nach der 25. Variation die zweitlängste seiner Einspielung, auch, weil sie nicht in Hetze vorgetragen wird. Vielleicht ist es dieser Umstand des genau richtigen Zeitmaßes (5:36), was die Variation 13 so besonders klingen lässt. An diesem Stück lässt sich gut zeigen, dass eine schnellere Interpretation (z.B. Glen Gould 1955 mit 2:10 ohne Wiederholungen), aber auch eine noch langsamere Interpretation (z.B. Jean Rondeau, 7:59) der Musik viel von ihrer Wirkung nehmen können. Es ist augenscheinlich wichtig, aber nicht einfach, das rechte Zeitmaß zu finden, falls es das überhaupt gibt.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich gewöhne mich "langsam" an die schnelle Spielweise heutiger junger Pianisten und Pianistinnen. Gewöhnung an Veränderungen (sic!) kann auf bestimmten Gebieten gefährlich sein, weil man den Vergleich zum Ursprung verliert. Hier ist es anders, wir haben genügend historische Vergleichsaufnahmen und können bewusst wählen. Es ist also keine Gefahr in Verzug. Und dann gibt es ja bemerkenswerterweise auch noch Claudio Arrau aus 1942, siehe unten.
Im Booklet schreibt Anselm Cybinski (Levit`s Podcast-Partner): "Alles Zeremonielle ist Levit fremd; er ist das Gegenteil eines weltentrückten Hohenpriesters am Klavier: ein Geist von quecksilbriger Beweglichkeit, der in rasendem Tempo denkt, spricht und schreibt". Das "spielt" hat sich Cybinski verkniffen.
Ja wenn das so ist, lieber Johann Sebastian, dann dürfen wir wirklich von Igor nicht auch noch barocke Kontemplation verlangen...
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Auf Markus Becker wurden wir durch seine grandiosen Einspielungen der beiden Clara Wieck gewidmeten fis-moll Sonaten von Schumann (op. 11) und Brahms (op. 2) aufmerksam, die wir hier nebenbei bemerkt ausdrücklich empfehlen möchten. Zudem hat er einige sehr einfühlsame Jazzplatten vorgelegt. Da wollten wir natürlich wissen, wie er im Jahre 2000 die Goldberg Variationen angegangen ist.
Becker`s Interpretation ist sehr fein ziseliert, die linke Hand zeichnet ein immer gut durchhörbares Bassfundament, auf eine besondere Hervorhebung bzw. Übertreibung der von Bach vorgegebenen Verzierungen verzichtet er. Die Tempi entsprechen denen von Igor Levit, bzw. ist es chronologisch gesehen ja umgekehrt. Becker spielt alle Wiederholungen und braucht 78 Minuten, also exakt so lange wie Levit. Überhaupt ähneln sich beide Einspielungen, die von Becker ist etwas "nüchterner", verwendet fast keine Rubati und arbeitet sehr eindrucksvoll die Melodienbögen heraus. Ich finde zudem das Klavier etwas angenehmer, klarer, vielleicht auch etwas "wärmer" aufgenommen. Aber das ist eine reine Sache des Geschmacks und nur im a/b-Vergleich zu hören. Die Tontechniker haben jedenfalls in beiden Fällen gute Arbeit geleistet.
Becker und Levit lehren an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover. Wenn ich beide Aufnahmen der GV vergleiche und dazu noch die Einspielung ihres 2022 verstorbenen Kollegen Lars Vogt (78 Minuten!) dazu nehme, möchte ich fast von einer "Hannoveraner Schule" sprechen. Alle drei spielen kraftvoll, fast schnörkellos, vielleicht könnte man auch sagen "modern". Interpretationsunterschiede gibt es, aber sie sind nicht groß.
Levit ist für mich der "Rhythmiker", Becker der "Melodiker" und Vogt der "Harmoniker". Mein Favorit ist zur Zeit die Einspielung von Lars Vogt, siehe nächstes Kapitel.
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Ich finde die Quelle nicht mehr, aber ein Pianist oder Musikwissenschaftler hat einmal geschrieben, es gebe keine "langsamen" und keine "schnellen" Stücke innerhalb der Goldberg Variationen. Genau das könnte man bezweifeln, hört man in die Interpretationen der Aria, der Variationen 15 und 25 und der jeweils unmittelbar folgenden Variationen verschiedenster Pianisten / Pianistinnen hinein. Lars Vogt aber scheint genau dieser Meinung zu sein und nähert die Tempi der Variationen einander an. So fallen insbesondere die Variationen 15 und 25 nicht mehr "aus dem Rahmen".
Im Interview zitiert Vogt den befreundeten Dirigenten Sir Roger Arthur Carver Norrington, der immer sage: "Es gibt keine langsamen Sätze". Norrington ist aber nicht die Quelle, die ich zu der oben zitierten Aussage suche. Vogt baut jedenfalls auf dieser Vorstellung seine Interpretation auf, verweist auch darauf, dass es für die Aria keine Tempovorschrift gebe, schon gar nicht die Anweisung zu einem "Adagio". Zu langsam gespielt, würden nach seinem Empfinden die Bassnoten gar keine Verbindung mehr zueinander haben und abreißen. Auch empfinde er einen Bruch zur schnellen lauten Variation 1, falls die Aria zu langsam und zu leise gespielt wird.
Als Nebeneffekt müssen die "schnellen" Variationen nicht mehr ganz so schnell gespielt werden, um trotz Beachtung aller vorgeschriebener Wiederholungen die maximale Kapazität einer CD einzuhalten. Lars Vogt hat einen wunderbar weichen, doch präzisen Anschlag, der infolge nicht übertriebener Tempi auch in den Bravourstücken fein differenziert erhalten bleibt. Vogt betont die Harmonien und zeichnet mittels seines ausgefeilten Legatospiels große fließende Bögen über einzelne Stücke, aber auch über das gesamte Werk. Rhythmische Effekthaschereien sind nicht sein Ding, stattdessen nutzt er elegant und dezent die dynamischen Möglichkeiten seines präzise ortbar, klar und hell aufgenommenen Flügels und bringt damit auch auf dem Klavier Klangfarben in Bachs so faszinierendes Werk.
Eine delikate, würdevoll entstaubte, schnörkellos-moderne, klare, respektvolle, in allen Belangen stimmige Interpretation, die Effekte (und Affekte!) allein durch die Musik selbst überbringt und nicht auf manchmal zweifelhafte individuelle Zutaten zurückgreifen muss. Letztere können Bachs Werk sehr leicht "entweihen".
Die Interpretation des 2022 viel zu früh verstorbenen Lars Vogt ist im Augenblick unser Favorit unter den Klaviereinspielungen. Sie hat das Zeug zu einer weiteren Referenzaufnahme. Seien Sie aber bitte nicht allzu irritiert, wenn Sie in manchen Rezensionen andere Auffassungen finden.
Kurze Zwischenbemerkung: Wenn wir oben augenzwinkernd von einer "Hannoveraner Schule" gesprochen haben, so gehören neben Professoren doch auch Schüler dazu, oder? Ich kann Ihnen Marie Rosa Günter (Schützling von Jelena Levit) empfehlen. Sie hat als ihr Debut-Album Bach`s GV gewählt. Das Werk wurde 2016 mit nur 25 Jahren unprätentiös und selbstverständlich fehlerlos für "Genuin Classics" eingespielt. Und Sie ahnen es schon: Spieldauer 78 Minuten unter Beachtung aller Reprisen. Oder Konstanze Eickhorst, Schülerin von Karl-Heinz Kämmerling in Hannover, später selbst Professorin ebendort. Ihre Einspielung von 1995 (78 Minuten) ist makellos und vom Klang her rund und schön. Es ist die vielleicht emotionalste Aufnahme der allesamt recht "nüchternen" und eher sparsam interpretierten "hannoveraner Einspielungen".
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Anmerkung zu den Interpretationen von Rana, Levit, Becker und Vogt im Vergleich zu Claudio Arrau
Wenn wir die Interpretationen von Rana, Levit, Becker und Vogt mit ihren Tempi und Spieldauern von um die 78 Minuten als "modern" empfinden, so wissen wir sehr wohl, dass Claudio Arrau 1942 die Variationen ebenfalls unter Beachtung aller Wiederholungen auf Band eingespielt hat und dafür auch nur 79 Minuten benötigte. Diese insgesamt überhaupt erst zweite Tonaufnahme der GV ist aus verschiedenen (überall nachlesbaren) Gründen seinerzeit nicht veröffentlicht und erst 1988 aus den Archiven hervorgeholt worden.
Wenn wir heute Arrau`s Einspielung (zwar remastert aber immer noch "historisch" anmutend) im Stream hören, dann klingt sie mit ihrer Authentizität und ihrem absoluten Respekt vor dem Komponisten doch sehr stark nach einer "Steilvorlage" für die o.g. vier Künstler:innen. Jedenfalls war sie vor 80 Jahren im Vergleich zu der Herangehensweise einer Wanda Landowska "modern" - und sie ist es auch heute noch. Nur so viel (auch uns ins Stammbuch geschrieben) zum Begriff "modern".
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2012 hat Kimiko Ishizaka etwas seinerzeit ziemlich ungewöhnliches getan: Sie hat die Goldberg Variationen im Teldex Studio Berlin auf einem Bösendorfer 290 Imperial eingespielt und die Aufnahme zum freien und kostenlosen Download ins Netz gestellt. Als Platform fungiert "Bandcamp", dort sind auch Noten und Covers frei erhältlich. Neben MP3 soll ein Download von FLAC-, WAV-, ALAC- und AIF-Formaten möglich sein. Zudem lassen sich die Variationen auf allen üblichen Diensten streamen, z.B. bei Spotify, Deezer, Apple Music und Amazon Music.
Auf den Einspielungen liegt kein Copyright. Jeder kann mit der Musik tun, was er will. Man kann sie etwa als eigene Erkennungsmelodie oder als Klingelton verwenden. Man kann natürlich an die Künstlerin "spenden", und das sollte man auch zumindest dann tun, wenn die Interpretation gefällt.
Wichtig aber ist und bleibt letztlich die Qualität der Aufnahme. Fangen wir mal mit dem leichteren Teil an: Der Bösendorfer Imperial (von der Firma gesponsort) klingt klar, hell, warm und einfach phänomenal gut. Die Tontechniker haben hervorragende Arbeit geleistet und sowohl den Raumklang als auch den Klang des Flügels audiophil eingefangen. Es ist ein pures Hörvergnügen - und das bereits beim Lauschen der Musik im MP3-Format. Meines Erachtens gibt es derzeit keine klangtechnisch bessere Piano-Einspielung auf dem Markt. Ähnlich gut produziert ist nur die Studioaufnahme von Lang Lang aus dem Jahr 2020.
Aber jetzt zum schwierigeren Teil, der Interpretation. Kimiko Ishizaka spielt einen unprätentiösen, klaren, unaufgeregten, flüssigen Bach nahezu ohne Verzierungen mit nur sehr dezent eingesetzten Dynamikvariationen. Praktisch keine Tempomodulationen, alle Stücke erscheinen wie aus einem Guss, keine Rubati, dezente Triller nur dort, wo sie von Bach ausdrücklich vorgeschrieben werden. Selbst auf die allgemein üblichen Ritardandi am Ende einer Variation verzichtet die Pianistin. Um die Struktur des Werkes zu verdeutlichen fügt Ishizaka bei einigen Variationen nach jeweils 16 Takten eine winzige Zäsur ein. Eine in sich stringente Interpretationsleistung. Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass es innerhalb der GV keine "langsamen" oder "schnellen" Stücke gibt, dann hat ihn Ishizaka hier erbracht.
Es ist absolut erstaunlich, welchen Eindruck solch eine Interpretation ohne jeden hinzugetanen individuellen Effekt (und Affekt!) hinterlässt. Man spürt ohne Frage dennoch die absolute Leidenschaft der Interpretin, vor allem aber hört man hier die Größe der Bach`schen Komposition in "Reinkultur". Natürlich ist das alles eine Frage der Hörgewohnheiten und des persönlichen Musikgeschmacks. Und dann kann ja eigentlich nicht sein, was nicht sein darf, dass nämlich eine noch recht unbekannte junge Pianistin mit einer auch noch kostenlos erhältlichen Einspielung solche Granden wie etwa A. Schiff, D. Barenboim und M. Perahia in den Schatten stellt.
Kimiko Ishizaka bereitet uns in jedem Fall mit ihrer Interpretation ein pures audiophiles Vergnügen und zeigt, dass bei Bach bereits alles in den Noten steht und dass es keinerlei weiterer Zutaten des Pianisten/der Pianistin bedarf.
Nachgetragen sei noch kurz, dass alle Reprisen bis auf die der Schlussaria gespielt werden und dass die Gesamtaufnahme 82 Minuten in Anspruch nimmt, mit allen Reprisen wären es 85 Minuten gewesen. Es hat wohl auch eine Doppel-CD gegeben, die aber scheinbar vergriffen ist.
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Wir empfehlen, die folgenden kurz besprochenen Klavier-Aufnahmen der Goldberg Variationen vor einem eventuellen Erwerb erst einmal im Geschäft anzuhören oder zu streamen, z.B. mittels Apple Music.
Die ausführenden Pianisten sind von ihrer Qualität her über jeden Zweifel erhaben, die Einspielungen sind teils erhaben, sicher zudem für manchen von besonderem historischem Interesse, haben aber aufnahmetechnische oder andere Unzulänglichkeiten. "Fans" der Pianisten oder "Sammler" (ja, die gibt`s!) werden natürlich dennoch zugreifen.
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Der bulgarisch Pianist Alexis Weissenberg hat die Variationen zweimal aufgenommen, und zwar 1966 (Coverbeispiel oben links) und erneut 1981 (Coverbeispiel oben rechts). Er hatte in den Nachkriegsjahren den Ruf eines Tastenartisten und wurde deshalb oft mit Glenn Gould und Vladimir Horowitz verglichen. In seiner Kindheit hat er als Jude Vertreibung und Flucht erlebt, später dann eine ernste Krankkeit, die ihn nicht mehr konzertieren ließ.
Beide Einspielungen der Goldberg Variationen entstanden für EMI und wurden zunächst auf jeweils zwei LPs veröffentlicht. Wenn Sie Cover im Netz sehen, auf denen ein Porträt des Pianisten zu sehen ist, gehören die zu einer der beiden Doppel-LPs. Beide LP-Ausgaben lassen sich antiquarisch für wenig Geld erwerben.
Von den Übertragungen auf CD existieren diverse Ausgaben mit ganz unterschiedlichen Covers, die oft nicht verraten, um welche Einspielung es sich handelt. Im aktuellen JPC-Katalog wird gar keine CD-Einspielung Weissenberg`s mehr angeboten, über Amazon, Ebay, Medimops etc. kann man aber problemlos alle "Spielarten" finden. Für weitere Informationen eignet sich insbesondere "Discogs" (https://www.discogs.com), eine Website, die ich ohnehin allen Interessierten an historischen, heute nicht mehr neu im Handel erhältlichen Aufnahmen empfehle. Dort kann man kaufen, verkaufen und seine eigene Sammlung katalogisieren.
Die 1966er Einspielung ist sehr zugespitzt, wollte sich ganz offenbar von Gould abheben, hat viele ungewöhnliche Manierismen und einen engen etwas metallischen, teils sogar leicht verzerrten Klavierklang. Das Instrument klingt eher nach einem Zimmerklavier als nach einem Konzertflügel.
Weissenberg hat möglicherweise nicht zuletzt deswegen 1981 eine Neueinspielung vorgelegt. Man kann nachlesen, dass er selbst mit dieser Neuinterpretation nicht zufrieden war, näheres ist mir nicht bekannt. Immerhin hat er im Juni 1981 in einer Pariser Konzerthalle 4 Tage lang aufgenommen, eigentlich ungewöhnlich für ein Stück, das heute "en bloc" vorgetragen wird und keine 1 1/2 Stunden dauert. Vielleicht gab es aber bereits erste krankheitsbedingte Probleme.
Beide Einspielungen haben Stärken, ich ziehe sie zu Vergleichszwecken immer wieder heran. Interessant ist, dass die Spieldauer von 77:53 Minuten in 1961 fast identisch ist mir der von 1981 (78:23 Minuten). Mindestens in diesem Punkt hatte sich Weissenberg`s Ansatz also in den Jahren nicht verändert. Und das, obwohl es ja ursprünglich bei beiden Aufnahmen (für jeweils 2 LPs) mit Sicherheit kein "Zeitbudget" gab. Oder sollten aus Qualitätsgründen bewusst nicht mehr als 20 Minuten Musik auf eine Plattenseite gepresst werden?
Interessant ist, dass viele heutiger Interpretationen auf Piano mit um die 78 Minuten eine ähnliche Aufführungsdauer aufweisen. Bei Weissenberg ist es aber nichts als Zufall, dass die digitalisierten Aufnahmen auf eine einzelne moderne CD passen.
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Von Grigory Sokolov existiert eine 1982er Liveeinspielung aus dem Großen Saal des Leningrader Konservatoriums. Ursprünglich auf 2 LPs veröffentlicht wurde das Konzert später (unter Beigabe von 7 kleineren Bach-Stücken, die höchstwahrscheinlich "Zugaben" waren) auch auf 2 CDs herausgegeben. Sowohl die LPs als auch die CDs sind nur schwer zu beschaffen und erzielen Sammlerpreise. Das Konzert lässt sich aber streamen, z.B. bei Apple Music (iTunes).
Der Klavierklang ist nach heutigen Maßstäben unzureichend eingefangen, zudem gibt es zahlreiche wirklich fürchterliche Huster im Publikum, verständlich bei einer Liveaufnahme aus Russland im Monat Februar.
Die Einspielung der GV mit allen Wiederholungen dauert 86 Minuten, Sokolov nimmt sich Zeit, ohne jemals "schleppend" zu spielen. Rubati und andere Tempovariationen lässt er außen vor, beachtet aber - soweit wir das nachvollziehen konnten - bei aller Schnörkellosigkeit sämtliche Bach`schen Anweisungen. Sein Anschlag ist höchst kultiviert, differenziert, nie affektiert, immer im Dienst der Partitur. Sokolov ist einer der großen noch lebenden und immer noch Konzerte gebenden Virtuosen unserer Zeit, tritt aber (wie stets) ganz hinter das Werk zurück, und das auch bei den kraftvoll interpretierten Bravourstücken.
Eine pianistisch tadellose, werkgetreue und erfrischend nüchterne Einspielung. Nur der mulmige Klang des Klaviers, Eingriffe des Technikers bei den Pausen (wenn auch weniger gravierend als bei Barenboim), eigenartige Nebengeräusche und die teils wirklich nicht akzeptablen Huster stören erheblich. Nun wissen wir aber alle, dass es von Sokolov auch künftig keine Studioeinspielungen geben wird. Wer die GV von ihm besitzen möchte, muss also hier zugreifen. Von der Interpretation her gesehen würde er mit dem Kauf keinen Fehler begehen. Ähnliche Herangehensweisen (wenn auch mit leicht forcierterem Tempo) findet man alternativ in den dann auch technisch blitzsauberen Studioaufnahmen von Markus Becker, Igor Levit und Lars Vogt.
Mithin eine Einspielung vor allem für Anhänger von Grigory Sokolov.
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Von Daniel Barenboim gibt es eine 1991er Liveeinspielung der GV aus dem Teatro Colón in Buenos Aires. Die Darbietung dauert mit allen Wiederholungen 80 Minuten und wurde (wie damals üblich) auf 2 CDs verteilt. Leider kamen etliche störende "Huster" mit aufs Band, zudem klingt das Klavier oftmals insbesondere in den Höhen verzerrt, als wäre es bei der Aufnahme übersteuert worden. Zwischen einzelnen Variationen macht Barenboim Pausen, bei anderen Variationen schließt sich die nächste Nummer unvermittelt an. Als störend empfinde ich zudem, dass später "Pausen" zwischen einzelnen Variationen "herausgeschnitten" wurden, was bein Hören (vor allem mit Kopfhörer) als "Bruch" überkommt, da der Hallenklang plötzlich "abbricht".
Barenboim interpretiert laut und wuchtig (um nicht zu sagen "mit Brachialgewalt"), oft spielt er die Takte 1-8 und 17-24 lauter als die Takte 9-16 und 25-32, ein Stilmittel, über das man streiten kann. In einigen Variationen betont er die linke Hand bzw den Bass, diese Stücke entfalten dann schon einen besonderen Reiz, besonders dort, wo Bach "Staccato" vorgeschrieben hat. Die Var. 25 lässt er allerdings unangetastet, hier hört man nur Bach, keinen Barenboim.
Als großer Bewunderer dieses Ausnahmekünstlers darf ich mir vielleicht doch einen persönlichen Eindruck erlauben: Barenboim war an diesem Abend wenig inspiriert. Der Interpretation fehlt zudem etwas Delikatesse, etwas Glanz.
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1967 eine Aufnahme der Goldberg Variationen auf dem Piano einzuspielen bedeutete, sich mit Glenn Gould`s Interpretation aus 1956, Rosalyn Tureck`s "Anti-Gould-Aufnahme" von 1957 und der ersten (1966) von zwei Einspielungen Weissenberg`s auseinanderzusetzen, denn seitdem waren weiterhin nur noch die Cembaloaufnahmen von Walcha und Kirkpatrick erschienen. Charles Rosen hat 1967 (veröffentlicht 1969) eine sehr einfühlsame Deutung des Werkes vorgelegt, ganz und gar ohne aufgesetzte Effekte, nahezu lyrisch, könnte man sagen und dabei vermuten, dass sich Mancher an einer gewissen "Romantisierung" gestört haben mag. Uns erinnert seine Einspielung sehr an die nur kurze Zeit später von Kempff vorgelegte.
Rosen`s Erstausgabe "füllte" 3 LP-Seiten einer LP-Box mit späten Bachwerken. Er spielt (wie Walcha, Kirkpatrick und später andere) alle Reprisen bis auf die der Aria da Capo. Ob das einer künstlerischen Auslegung der an sich von Bach ja ganz klaren Ansage entspringt, die Aria so zu wiederholen, wie sie zu Beginn des Werkes erklingt, mag man bezweifeln. Unter Beachtung der Wiederholungsvorschrift wäre die dritte Plattenseite über 27 Minuten lang geworden, was man damals wohl vermeiden wollte. Bei Beachtung der Reprisen hätten allerdings heute die 78:10 Minuten gut auf eine CD gepasst, so sind es 75:50 Minuten. Diese Bemerkung bitten wir aber nicht anders als "Randnotiz" zu verstehen.
Unseres Erachtens ist die gefühlvolle Einspielung von Charles Rosen eine in sich stimmige, runde und nach wie vor hörenswerte Deutung des Werkes. Sehr interessant ist das extrem langsame Tempo, mit dem Rosen an die Ouverture herangeht. Würde ein barockes Tanzpaar dazu "schreiten" müssen, sähe das aus wie bei der Wachablösung vor dem Buckingham Palace.
Wie nicht anders zu erwarten, ist der Klavierklang dieser 1967er Einspielung gegenüber dem heutigen Standard etwas eng, manchmal darüberhinaus auch etwas spitz; der Aufnahmeraum (wahrscheinlich ein Studio) scheint bewusst ziemlich "schalltot" zu sein. Trotzdem ein Aufnahme, die es lohnt, angehört zu werden, und sei es nur zu Vergleichszwecken. Mancher wird erstaunt sein über den Unterschied zu Einspielungen heutiger junger Pianisten/Pianistinnen, die - zumindest uns - als oftmals zu schnell, "aufgesetzt", ja "hölzern" erscheinen, vgl. etwa Ingrid Marsoner aus 2012 mit ihrem "Geschwindritt". Bachs Goldberg Variationen, wohl "ein weites Feld", frei nach Fontane.
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Neugierig wäre ich auf die Einspielung von Edwin Fischer ("nicht ich spiele, es spielt") und Wilhelm Backhaus. Allein, sie stehen mir nicht zur Verfügung, sind wohl zur Zeit nicht erhältlich und lassen sich auch nicht streamen.
Lohnend ist es, in die vielleicht aber doch etwas zu ungestüme Sturm und Drang-Darbietung von Alexandre Tharaud (mit teils verschwimmenden Tönen) hineinzuhören. Und natürlich gibt es noch dutzende weiterer Aufnahmen, die ich nicht kenne, die aber - folgt man den (natürlich subjektiven) Kritiken - auch ihre Meriten haben. Kein Cembalist oder Pianist kann die Goldberg Variationen spielen, ohne sich zuvor intensiv mit ihnen auseinanderzusetzen und ein eigenes Spielkonzept zu erarbeiten.
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Zusammenfassend empfehle ich als Basis der "Goldberg-Studien" die (remasterte) Aufnahme von Helmut Walcha und die 1978er Aufnahme von Gustav Leonhard als Beispiele ganz und gar authentischer Cembalo-Interpretationen und den Livemitschnitt von András Schiff, die Aufnahme von Murray Perahia und die Einspielung von Lars Vogt als Vertreter einer modernen, aber eben auch ernsthaften und reifen Einspielung auf dem Konzertflügel. Hat man sich mit diesen Referenzen ausführlich auseinandergesetzt, kennt man das Werk wahrscheinlich auswendig und kann sich gelassen anderen Interpretationen zuwenden.
Hören Sie dann z.B. erst Wilhelm Kempf und dann Lang Lang oder erst Keith Jarrett und danach Andreas Staier. Es werden sich immer wieder neue Welten auftun.
Wenn ich wirklich wählen müsste, würde ich mich für eine Einspielung auf Cembalo entscheiden. Die Töne perlen einfach schöner, haben sie doch (zumindest als Studioaufnahme) nicht den klaviertypischen Nachhall. Und durch die mittels der Register möglichen Klangfarben wirkt die Musik reicher, dem Barock gemäßer. Das gleicht die Tatsache aus, dass man auf dem Cembalo nicht "dynamisch" spielen kann. Doch das hatte Bach ja "notgedrungen" in seiner Komposition berücksichtigt.
Auch scheint eine Klavierinterpretation zu schnellerem Spiel zu verleiten, jedenfalls spielen alle Pianisten deutlich schneller als die Cembalisten. Für die Variation 26 (zugegeben mit den 32tel-Läufen ein zu virtuosen Eskapaden verleitendes Stück) benötigen Walcha und Pinnock (Cembalo) 2:30 bzw. 2:16, Schiff und Lang Lang (Klavier) 2:05 bzw 1:46 Minuten (jeweils mit allen Wiederholungen). Nur Staier ist auf seinem Cembalo mit 2:01 Minuten ähnlich rasant. Beim Vergleich der Interpretationen ohne Wiederholungen benötigen Jarrett und Leonhardt auf Cembalo 1:19 bzw. 1:13 Minuten, Gould und Stadtfeld auf Klavier 0:52 bzw. 0:53 Minuten.
Wenn Sie mir eine ganz persönliche Meinung gestatten: Die Goldberg Variationen brauchen diese Rasanz der Pianisten nicht, ganz im Gegenteil verlieren sie durch eine z. T. abenteuerliche Geschwindigkeit viel von ihrer Schönheit, Weite und Erhabenheit.
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Wenn Sie Interpretationen verschiedener Künstler vergleichen wollen, würde ich jeweils die Aria und folgende Variationen anspielen: Variation Nr. 1 (schneller Tanzrhythmus im 3/4 Takt einer Courante), Nr. 13 mit der tröstenden Melodie, Nr. 14 (mit Pralltrillern und flirrenden Zweiunddreißigsteln), Nr. 16 (wunderbare Läufe und punktierte Rhythmen), Nr. 25 (nach Landowska die "schwarze Perle" der Variationen, ein todtrauriges Stück), Nr. 26 (mit virtuos-schnellem 18/16-Takt) und Nr. 29 (eine Art vorweggenommenes "Finale" mit gehämmerten beidhändigen Akkorden). Sie bekommen dabei rasch einen Überblick, wie der Künstler an getragene, gefühlsschwere, aber eben auch bravouröse Stücke herangeht. Und dann, dann müssen Sie sich wohl entscheiden...
Oder Sie kommen zu der Überzeugung, dass die Variationen doch nicht Ihr Gemüt ergötzen, warum auch immer. Und damit wären Sie nicht allein. Mancher Zeitgenosse kann mit Barockmusik und speziell dem Goldberg-Zyklus nichts anfangen. Das ist übrigens nicht neu. Köstlich die Beschreibung in E. T. A. Hoffmanns 1814 erschienener Erzählung "Johannes Kreislers, des Kapellmeisters, musikalische Leiden" über das Unvermögen weiter Teile der Biedermeier-Gesellschaft, große Kunst und Musik zu verstehen. Im Anschluss an die misslungene Gesangsdarbietung der völlig unmusikalischen Töchter des Gastgebers greift Kreisler in die Tasten. Bei seinem Vortrag der Goldberg Variationen aber leert sich nach und nach der Salon, und wenn nicht der musikverständige Diener durchgehalten hätte, wäre der Pianist beim Quodlibet schließlich ganz allein gewesen. So aber lässt er sich, unterstützt von einigen Gläschen roten Weines, sogar noch zu weiteren Klavier-Fantasien anregen.
Wenn diese Geschichte (sie ist ja eher eine Persiflage) nicht wahr ist, so ist sie doch wieder einmal gut erfunden und steht Forkel`s zu Beginn unseres Überblicks zitierten Anekdote in nichts nach.
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Andere Bearbeitungen und Interpretationen der Goldberg Variationen
Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass es Bearbeitungen der Goldberg Variationen für alle möglichen Soloinstrumente gibt, für Orgel, für diverseste Kammermusikensembles und auch für großes Orchester. Zudem haben Rock und Pop zugegriffen und nicht zuletzt hat sich beispielsweise auch Jacques Loussier mit seinem Jazz-Trio ihrer bemächtigt. Und warum denn nicht.
Irgendwie schwebt die Musik von Bach (oder ist es gar des Meister Seele selbst?) ohnehin über allem, oder um es salopp zu sagen, sie ist durch nichts und niemanden kaputt zu kriegen.
Oder aber Sie verzweigen hier nicht zurück zum Seitenanfang sondern schauen bei besonderem Interesse nachfolgend noch, welche Interpretationen der Goldberg Variationen über die Klassik-Streamingdienste Medici.tv und Primephonic/Apple Music angeboten werden.
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Goldberg Variationen auf Medici.TV
und Primephonic
Als Nachtrag zur obigen Übersichtsarbeit möchte ich noch darauf hinweisen, dass es heute möglich ist, viele Einspielungen zu streamen, und zwar als Video- und/oder Audio-Datei.
Die meisten von Ihnen werden YouTube kennen, Amazon Music, Spotify oder iTunes. Diese Portale stellen allerdings Musik (auch bei der kostenpflichtigen Version) nur in komprimierter, also datenreduzierter Form zur Verfügung. Wer Musik unkomprimiert hören will, etwa über die HiFi-Audio-Anlage, wählt meist andere Platformen, etwa Qobus, Deezer oder Tidal.
Wer im Wesentlichen Klassik hört, ist bestens bedient mit medici.tv (für Videos) und war bestens bedient mit dem leider gerade "abgeschalteten" primephonic (für Audio). Ab März 2023 gibt es einen Nachfolgedienst, siehe unten.
Die vier letztgenannten Dienste sind immer kostenpflichtig. Je nach Abonnement fallen monatliche Kosten zwischen 7,00 und 19,00 € an. Bei allen Streaming-Diensten kann man zunächst ein kostenloses Probehören wählen. Auch zum Test, ob die lokale Internetgeschwindigkeit ausreicht; sie sollte mindestens 20 mbit/s betragen.
Ich empfehle medici.tv für Filme und einen hoffentlich kommenden Nachfolger von primephonic für reines Audio. Primephonic übertrug wahlweise MP3-Dateien oder Flac-Dateien in Auflösungen von 16 bit 41 kHz bis HighRes 24 bit 192 kHz. Als Nachfolge-Plattform soll laut primephonic Apple Music dienen. Und das ist nun auch tatsächlich eingetreten: ab März 2023 hat Apple (iTunes) eine neue App rein für Klassische Musik ins Netz gestellt. Die App entspricht weitgehend dem abgeschalteten „primephonic“ und hat entsprechende komfortablere Suchfunktionen als die bisherige Apple-Musik-App, die es parallel weiter gibt.
Noch ein Hinweis: es ist nicht möglich, HighRes-Einspielungen (mit mehr als 16 bit) von einem Streaming-Empfangsgerät über Bluetooth auf die Musikanlage zu übertragen. Dazu braucht es eine Kabelverbindung, z. B. ein USB-Kabel vom Laptop zum DAC der Elektronik Ihrer Anlage. Aber vielleicht reicht Ihnen ja schon die Qualität einer gehobenen MP3-Datei völlig aus. Dann genügt als Empfangsgerät ein Handy, das die Musik per Bluetooth übertragen kann.
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CD Goldberg Variationen Angela Hewitt 2015
Die Goldberg Variationen als Video über medici.tv
Wer bisher keine Gelegenheit hatte, die Goldberg Variationen live und dazu noch nahe am Klavier zu erleben, dem empfehle ich auf medici.tv insbesondere die Interpretation von Angela Hewitt aus der Thomas Kirche Leipzig (2021).
Neben dem Hören dieser ewig gültigen, lebendigen, aber doch klassisch-durchgeistigten Interpretation ist es ein Genuss, der Pianistin auf die Hände zu schauen - und auch ins Gesicht. Angela Hewitt lebt Bach, in jeder Sekunde. Und man erfährt hautnah, wie schwierig es sein muss, die Variationen auf einem einzigen Manual zu spielen. Von der Pianistin gibt es eine CD mit den GV aus 1998/1999 (Hyperion, 78:25, Henry Wood Hall, Steinway Flügel, en bloc eingespielt, Aria da capo ohne Wiederholung) und eine Neueinspielung aus 2015/2016 (Hyperion, 82:14, Fazioli Flügel, Christuskirche Berlin Oberschönweide, alle Wiederholungen), deren Cover oben links wiedergegeben ist. Als wir diesen Artikel schreiben, kennen wir Hewitt`s CD-Neuaufnahme noch nicht. Wenn die angegebene Laufzeit stimmen sollte, wäre das die längste Audio-CD, die ich kenne und ich würde gern wissen, wie das technisch möglich war.
Während die Aufnahme von Angela Hewitt ohne Publikum eingespielt wurde, können Sie auf medici.tv zwei weitere Interpretationen als Konzertmitschnitte erleben:
Zum einen Zhu Xiao-Mei in der Thomas Kirche beim Leipziger Bach-Fest 2014 und zum anderen Evgeni Koroliov im Gewandhaus beim Leipziger Bach-Fest 2008.
Beide Aufnahmen haben intensive Momente. Beide Interpreten bringen ihre eigene Persönlichkeit ein und haben ihren eigenen Zugang zu Bachs Meisterwerk gefunden. Allein das jeweilige Minenspiel spricht Bände.
Einspielungen der GV von Xiao-Mei und Koroliov kann man ebenfalls auch auf CD bekommen, siehe die beispielhaften Covers links und rechts unten.
Das Cover unten rechts gehört zur Neueinspielung von Xiao-Mei aus 2016, Accentus Music, 76 Minuten. 2007 hatte die Künstlerin die GV schon einmal aufgenommen für Mirare, 61 Minuten. Beide Versionen kann man über Apple Music streamen. Der Konzertabend in der Thomaskirche Leipzig wurde gefilmt und als DVD von Accentus Music veröffentlicht. Beigegeben ist als Bonus ein Film über Xiao-Mei mit Interviews unter dem Titel: "The return is the movement of Tao, Zhu Xiao-Mei and the Goldberg-Variations".
Das Cover der Doppel-CD links unten zeigt Koroliov`s Einspielung vom April 1999 aus der Festeburgkirche Frankfurt am Main mit einem schönen Klavier- und Raumklang. Koroliov war hörbar tief inspiriert. Auch diese Aufnahme lässt sich per Apple Music streamen. Sie dauert 85 Minuten unter Beachtung aller Wiederholungen.
Mein Favorit von diesen Dreien aber ist Angela Hewitt. Hier stimmt einfach alles, die Interpretation ohnehin, dazu der wunderbare Klang des Fazioli-Flügels und die brillante optische und akustische Aufnahmetechnik. Vielleicht gibt es diese Einspielung irgendwann auch auf einer DVD.

Goldberg Variationen Evgeni Koroliov 2CD-Album 1999
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Die Goldberg Variationen über Streaming-Dienste
Wenn ich beim Verfassen der Übersichtsarbeit noch keinen Zugang zu speziellen, oft historischen Einspielungen hatte, etwa zur Interpretation eines Claudio Arrau, so ist das nun durch Streamen möglich.
Ich gebe nachfolgend eine Übersicht der (seinerzeit!) über primephonic anwählbaren Interpretationen auf Piano und Cembalo, und zwar solche, die nicht oben im Artikel bereits erwähnt wurden. Bewerten kann ich diese Einspielungen nicht. Es ist nahezu unmöglich, die angebotenen ca. 200 Aufnahmen durchzuhören. Die Aufstellung dient allein dem Zweck, Hinweise auf das Vorhandensein der jeweiligen CD zu geben, im Falle, dass man einen ganz bestimmten Künstler/eine Künstlerin sucht und die Aufnahme vor einem eventuellen Kauf hören möchte.
Wenn Sie über Streamingdienste in die Aufnahmen hineinhören, werden Ihnen als erstes äußerliche Unterschiede auffallen. Die Klaviere klingen sehr verschieden, und noch mehr die Cembali, nicht zuletzt durch die diversen Registrierungen. Entscheidenden Anteil an der Wirkung haben die Tontechniker, die teils historische Aufnahmen nahe und präsent, neuere Einspielungen aber dumpf und entfernt klingen lassen können. Der Tontechniker ist nach dem Pianisten die wichtigste Persönlichkeit für das Ergebnis auf LP oder CD.
Dann fallen sofort Unterschiede der Interpretationsweise auf, hier vor allem bei den gewählten Tempi, den Verzierungen und den Rubati. Manche Aufnahmen klingen "streng" und beabsichtigen wohl, "werkgetreu" herüberzukommen. Bei anderen Einspielungen reibt man sich die Augen und fragt sich, ob man gerade ein Stück von Mozart hört.
Wenn Sie urteilen können, was die "richtige" Interpretation dieses Meisterwerks ist, so tun Sie das getrost. Ich beneide Sie darum. Und selbst, wenn wir genau wüssten, wie Bach seine Variationen vorgetragen hat, würde ich persönlich doch viel Raum lassen für heutige Auslegungen. Ich kenne von den 200 Zyklen, in die ich hineingehört habe, keinen einzigen, den ich für "völlig daneben" betrachten würden.
Zum Verständnis der Listen
Die alphabetische Reihenfolge der Interpreten richtet sich nach den Vornamen, wie auf Musikplatformen üblich. Danach ist der Musikverlag (Label) angegeben.
Die von "primephonic" angegebene Jahreszahl entspricht dem Veröffentlichungsdatum der CD, deren Daten gestreamt werden. Das Aufnahmedatum kann davon erheblich abweichen. So wird bei Claudio Arrau 2016 angegeben, die Einspielung erfolgte aber bereits 1942, wurde jetzt allerdings erstmals 1982 in remasterter Form wieder veröffentlicht.
Von einzelnen Interpreten finden sich mehrere verschiedene Einspielungen. Ich habe in diesen Fällen die jüngste Aufnahme in die Liste übernommen.
Goldberg Variationen auf Cembalo über primephonic:
Aline Ratkowska | Sarton Records | 2011 |
Anne-Catherine Bucher | Naxos | 2019 |
Anthony Newman | 903 Records | 2012 |
Avner Arad | MSR Classics | 2010 |
Blandine Rannou | Zig Zag Territoires | 2010 |
Blandine Verlet | Naive | 2012 |
Céline Frisch | Alpha | 2001 |
Charlotte Mattax Moersch | Centaur Records | 2019 |
Chiara Massini | Pan Classics | 2020 |
Christiane Jaccottet | Denon | 2009 |
Christine Schornsheim | Capriccio NR | 2016 |
Christophe Rousset | Decca | 1994 |
Colin Booth | Magnatune | 2011 |
Davide Pozzo | Pan Classics | 2017 |
Diego Ares | Harmonia mundi | 2017 |
Elisabetta Guglielmin | OnClassic | 2021 |
Erich Traxler | Paladino Music | 2020 |
Fabio Bonizzoni | Glossa | 2005 |
Frédéric Haas | La Dolce Volta | 2010 |
George Malcolm | Universal Music Australia | 1961 |
Glen Wilson | Naxos | 2010 |
Gösta Funck | Classic Concert Records | 2011 |
Gustav Leonhard | Harmonia mundi | 1978 |
Hans Pischner | Berlin Classics | 2014 |
Helena Jank | Kalamata | 2011 |
Ignacio Prego | Glossa | 2016 |
Janine Johnson | Magnatune | 2006 |
Joel Pontet | Saphir Productions | 2012 |
John Metz | Soundset | 1998 |
Jörg Ewald Dähler | Claves Records | 1986 |
Jory Vinikour | Delos | 2000 |
Joseph Payne | BIS | 1991 |
Jozsef Gat | Hungaroton | 2014 |
Karl Richter | Deutsche Grammophon | 1995 |
Ketil Haugsand | Simax Classics | 2002 |
Lisa Goode Crawford | Centaur Records | 2008 |
Luc Beauséjour | Analekta | 1997 |
Luca Guglielmi | Stradivarius | 2012 |
Malcolm Archer | Convivium Records | 2021 |
Marcin Swiatkiewicz | Rubicon | 2020 |
Masaaki Suzuki | BIS | 1997 |
Matthew Halls | Linn Records | 2010 |
Michael Tsalka | Paladino Music | 2020 |
Millicent Silver | Post Classics | 2009 |
Pascal Dubreuil | Ramée | 2016 |
Peter Watchorn | Musica Omnia | 2021 |
Pierre Houtai | Naive | 2013 |
Pieter Dirksen | Etcetera | 2010 |
Pieter-Jan Belder | Brilliant Classics | 2017 |
Ralph Kirkpatrick | Deutsche Grammophon | 2000 |
Richard Egarr | Harmonia Mundi | 2006 |
Robert Hill | Music + Arts Programs of America | 2011 |
Roberto Loreggian | Dynamic | 2018 |
Rozsa Farkas | Hungaroton (2 Cembali) | 2014 |
Sergio Vartolo | Tactus | 2012 |
Sungyun Cho | Passacaille | 2016 |
Susanne Hartwich-Düfel | Hartwich-Düfel | 2010 |
Ton Koopman | Warner Classics | 1984 |
Trevor Pinnock | Archiv | 2003 |
Valeria Petersburgskaya | RCD Music | 2002 |
Wladyslaw Klosiewicz | CD Accord | 2010 |
Wolfgang Rübsam | Naxos | 2018 |
Yoshiko Leki | Regulus | 2018 |
Goldberg Variationen auf Klavier über primephonic:
Aapo Hakkinen | Alba | 2013 |
Alexander Gurning | Avanti Classic | 2011 |
Alexander Paley | Haenssler Classics | 2004 |
Alexandre Tharaud | Erato/Warner Clssics | 2015 |
Alexis Weissenberg | Warner Classics | 2001 |
André Parfenov | Naxos | 2019 |
Andrea Bacchetti | Dynamic | 2012 |
Andrea Padova | Stradivarius | 2014 |
Andrei Gavrilov | Deutsche Grammophon | 1992 |
Andrei Vieru | Harmonia Mundi | 1998 |
Antoni Beses | Edicions Albert Moraleda | 2010 |
Audun Kayser | Bergen Digital | 1998 |
Beatrice Rana | Warner Classics | 2017 |
Beth Levin | Centaur Records | 2008 |
Bob van Asperen | Warner Classics | 2012 |
Cédric Pescia | Claves Records | 2004 |
Charles Rosen | Sony Classical | 1969 |
Chih-Long Hu | Blue Griffin Recording | 2017 |
Chiyan Wong | Linn Records | 2021 |
Claudio Arrau | Sony Classical (Remastert 2016) | 1942 |
Claudio Colombo | IMD-Claudio Colombo | 2020 |
Colin Noble | Centaur Records | 2011 |
Daniel Propper | Skarbo | 2013 |
Daniel-Ben Pienaar | Avie Records | 2011 |
David Jalbert | Atma Classique | 2012 |
Diana Boyle | Divine Art | 2017 |
Dong Hyek Lim | Warner Classics | 2008 |
Ekaterina Dershavina | Arte Nova Classics | 2004 |
Evgeni Koroliov | Haensler Classic | 2000 |
Francesco Tristano Schlimé | CD Accord | 2010 |
Geoffrey Douglas Madge | Zefir Records | 2020 |
Giovanni Mazzocchin | On Classical | 2017 |
Grete Sultan | Wergo | 2013 |
Grigory Sokolov | JSC Firma Melodiya | 2012 |
H-K Juhn | MSR Classics | 2006 |
Igor Levit | Sony Classical | 2015 |
Ingrid Marsoner | Gramola Records | 2012 |
Irina Zahharenkowa | Classic Records | 2010 |
Irma Issakadze | Oehms Classics | 2008 |
Isidro Barrio | Deutsche Grammophon | 1996 |
Jean Muller | Haenssler Classics | 2017 |
Jeno Jando | Naxos | 2005 |
Jeremy Denk | Nonesuch | 2013 |
Jimin Oh-Havenith | Musicaphone | 2020 |
Jörg Demus | Musical Heritage Society | 1970 |
Julia Cload | Meridian Records | 2009 |
Konstantin Lifschitz | Denon | 2009 |
Lars Vogt | Ondine | 2015 |
Lilia Boyadjieva | Centaur Records | 2019 |
Lori Sims | Two Pianists | 2015 |
Mahan Esfahani | Deutsche Grammophon | 2016 |
Maria Perrotta | Universal Music Italia | 2014 |
Maria Tipo | Warner Classics | 2007 |
Maria Yudina | Russian Compact Disc | 1999 |
Markus Becker | CPO | 2000 |
Mia Chung | Channel Classics Records | 1999 |
Minsoo Sohn | Honeus | 2012 |
Miquel Villalba | Aglae Musica | 2015 |
Monica Leone | Pro Classica | 2006 |
Nicholas Angelich | Warner Classics | 2011 |
Nick van Bloss | Nimbus Alliance | 2011 |
Peter Hill | Delphian | 2018 |
Peter Serkin | Sony Classical | 1965 |
Pietro Soraci | Da Vinci Classics | 2019 |
Pi-Hsien Chen | Naxos | 1988 |
Piotr Slopeck | DUX | 2013 |
Ragna Schirmer | Berlin Classics | 2000 |
Ramin Bahrami | Universal Music Italia | 2004 |
Reiko Fujisawa | Quartz Music | 2018 |
Remi Masunaga | Bayard Musique | 2011 |
Ronald Hawkins | MSR Classics | 2009 |
Rosalyn Tureck | Deutsche Grammophon | 1999 |
Sachiko Kato | Centaur Records | 2012 |
Sachiko Kawamura | Claudio Records | 2014 |
Simone Dinnerstein | Concord Records | 2007 |
Stepan Simonian | Clavi-Music | 2017 |
Steven Devine | Chandos | 2011 |
Tatiana Nikolayeva | Bluebell | 2012 |
Tzimon Barto | Capriccio NR | 2015 |
Victor Ginsburg | Classical Records | 2018 |
Virginia Black | Collins Classics | 1991 |
Won-Sook Hur | DUX | 2019 |
Yuan Sheng | Piano Classics | 2017 |
Zhu Xiao-Mei | Accentus Music | 2016 |
Sie finden über diverse Streamingdienste auch zahlreiche Adaptationen der Goldberg Variationen für andere Soloinstrumente, Duette, Trios, größere kammermusikalische Ensembles oder Orchester.
Spannend sind Einspielungen auf der Orgel (z. B. von Hansjörg Albrecht, Robert Costin und Elena Barshai), auf dem Akkordion (z. B. von Lena Rist-Larsen und Theodoro Anzelotti) und auf der Harfe (z. B. von Parker Ramsay und Sylvain Blassel).
Anfang 2023 muss ich an dieser Stelle noch anmerken, dass es den Dienst "primephonic" leider nicht mehr gibt. Die erfassten Stücke sollen in Apple Music (früher iTunes) integriert werden. Seit März 2023 gibt es nun bei Apple eine neue App allein für Klassische Musik. Wie gut das neue Streaming-Programm gelungen ist, habe ich noch nicht letztlich überprüft. Aufgefallen ist mir allerdings, dass Apple inzwischen bei vielen Titeln verlustfreie Steaming- und Downloadmöglichkeiten anbietet bis hin zu sogenannten "Hi-Res-Lossles"-Formaten. Die bei einer evtl. Bluetooth-Übertragung systembedingten Einschränkungen bleiben aber auch dann bestehen.
Ein Kollege, Dr. Rudolf Kasparek aus Aachen hat mich kürzlich auf ein Zitat des Philosophen Emil Cioran zur Wirkung der Goldberg Variationen aufmerksam gemacht:
"Wir überlassen uns dem Echo, das sie in uns geweckt haben. Nichts existiert mehr, ausgenommen eine inhaltlose Überfülle, wohl die einzige Art, mit dem Höchsten in Berührung zu kommen."
Kann es ein besseres Schlusswort geben?