Vorbemerkung

Mein Jugendfreund Klaus Körner, Lengerich/Westfalen hat mir erlaubt, an dieser Stelle seine werkorientierte Korngold-Biografie einzustellen.

Ich verdanke Klaus Körner überhaupt die Entdeckung des Komponisten Korngold und speziell dessen Oper "Die tote Stadt".

Für beides, die Biografie und die Hinführung zu Korngold sage ich Klaus an dieser Stelle meinen hezlichsten Dank.

Werkorientierte Biograhie zu E.W. Korngold von Klaus Körner

Erich Wolfgang Korngold kann man als musikalischen Vater und Vorgänger von John Barry bezeichnen. Er war der erste, der Filmmusik wirklich kultivierte. Filmmusik hat er jedoch nur "aus der Not", nämlich als jüdischer Emigrant in den USA geschrieben (und damit gut und viel Geld verdient), ursprünglich und eigentlich war er ein durchaus ernsthafter und auch ernst zu nehmender Sinfoniker.

Korngold wurde am 29. Mai 1897 in Brünn geboren und starb am 29. November 1957 in Los Angeles. Er war ein zu seiner Zeit berühmter und anerkannter Komponist, Dirigent und Pianist.

Erich Wolfgang Korngold war der Sohn des seinerzeit sehr berühmten jüdischen Musikkritikers Dr. Julius Korngold. Julius Korngold war ein angesehener Rechtsanwalt in Brünn. Sein eigentliches Wirken war allerdings die Musikkritik. Dadurch fiel er auch dem berühmt berüchtigten Eduard Hanslick auf, dem die "unprovinzionellen, scharfen und stilistisch glänzenden" Kritiken des Kollegen aus Brünn gefielen. 1901 holte Hanslick Korngold nach Wien an die "Neue Freie Presse", wo Korngold auch Nachfolger Hanslicks wurde.

Julius Korngold erkannte natürlich die außerordentliche Begabung seines Sohnes Erich Wolfgang (den zweiten Vornamen "Wolfgang" hatte er ihm in Mozartscher Verehrung gegeben), der bereits mit fünf Jahren begann, Klavier zu spielen.

Der erste Lehrer von Erich Wolfgang war Robert Fuchs. Schon nach ein paar Wochen berichtete Fuchs, dass der kleine Erich "die Auffassungsgabe eines zwanzigjährigen in den Schatten stellt". Da Vater Korngold Zweifel hatte, ob die Komposition das Richtige für seinen Sohn sei, wollte er den Rat eines "unbeeinflussbar und aufrichtigen Mannes" einholen und suchte mit seinem Sohn im Juni 1907 Gustav Mahler auf, der dermaßen beeindruckt war, dass er den Rat gab, ihn zu Alexander von Zemlinsky zu geben:

"Schicken Sie den Buben zu Zemlinsky, der wird ihm alles geben, was er braucht". Zwischen Schüler und Lehrer entwickelte sich nahezu umgehend eine tiefe Sympathie. Korngold bewahrte dann auch lebenslange Treue und nahezu verehrungsvolle Anhänglichkeit zu Zemlinsky. Im Sommer 1910 ging Zemlinsky nach Prag und Korngold jammerte: "So verlor ich allzu früh, kaum 13 Jahre alt, den verehrten und geliebten Meister".

Also kam Korngold dann zu Hermann Graedener, der die Ausbildung fortführte. Kurz darauf bekam Korngold eine Postkarte von Zemlinsky aus Prag: "Lieber Erich! Ich höre, Du lernst bei Graedener. Macht er Fortschritte?"

Korngold galt damals schon in Wien als Wunderkind. Mit elf Jahren erregte er durch die Komposition des pantomimischen Balletts "Der Schneemann" Aufsehen. Das ursprüngliche Klavierwerk wurde von Zemlinsky orchestriert und 1910 in der Choreografie von Carl Godlewski unter der Leitung von Franz Schalk an der Wiener Hofoper uraufgeführt. Danach wurde Korngold von der Wiener Hocharistokratie gefördert. Mit dreizehn Jahren schrieb er Klaviersonaten. Sein erstes offizielles "Opus 1" war das Klaviertrio, das er sich zu seinem 13. Geburtstag praktisch selbst als "Geburtstagsgeschenk" machte.

In der chromatischen Sprache lehnt er sich an Richard Strauss und Max Reger an, aber es hat auch die typischen "korngoldschen" melodischen Akzente, wie das Thema des Kopfsatzes oder den Mittelteil des Scherzo. Gerade in diesem Mittelteil zeigt sich (mit 13!) schon der späte Korngold.

Richard Strauss schrieb damals zum Schneemann: "Das erste Gefühl, das einen überkommt, wenn man hört, dass dies von einem 11 jährigen Jungen geschrieben wurde, ist Schrecken und Furcht, dass ein solch frühreifes Genie auch die normale Entwicklung nehmen möge, die ihm so innig zu wünschen wäre. Diese Sicherheit im Stil, diese Beherrschung der Form, diese Eigenheit des Ausdrucks in der Sonate, diese Harmonik - es ist wirklich erstaunenswert." Am 4. Oktober 1910 fand dann die Galapremiere mit König Albert von Belgien als Ehrengast unter dem Dirigat von Franz Schalk statt.

Es folgten eine Schauspiel-Ouvertüre und eine Sinfonietta. Seine Jugendwerke wurden häufig durch prominente Musikerpersönlichkeiten des frühen 20. Jahrhunderts aufgeführt, z. B. Bruno Walter, Artur Schnabel, Arthur Nikisch, Wilhelm Furtwängler, Felix Weingartner und Richard Strauss.

Am Ende des ersten Weltkriegs wurde Korngold dann doch noch zu Militär eingezogen, da er aber als kriegsdienstuntauglich eingestuft wurde, kam er in die Musikkapelle eines Infanterieregiments.

Korngold empfand sich als ein Vertreter der Moderne. Seine G-Dur-Violinsonate op. 6 war am 9. März 1919 in Schönbergs Verein für musikalische Privataufführungen gespielt worden. Allerdings verließ er nie die Tonalität. In den 1920er-Jahren übernahm er mehr und mehr die Ansichten seines Vaters, der ein ausgesprochener Gegner der musikalischen Moderne war. So komponierte er 1931 die "Vier kleinen Karikaturen für Kinder" op. 19, in denen er die Stile Arnold Schönbergs, Igor Strawinskys, Béla Bartóks und Paul Hindemiths karikierte.

1923 komponierte er als Auftragswerk das Klavierkonzert cis moll für die linke Hand. Geschrieben war es für Paul Wittgenstein; Korngold richtete es auf die speziellen technischen Fähigkeiten Wittgensteins aus und Wittgenstein spiele auch die Uraufführung am 22. September 1924 in Wien unter dem Dirigat Korngolds. Für Wittgenstein schrieb er übrigens auch ein Klavierquartett.

Korngolds Opernkompositionen "Der Ring des Polykrates" und "Violanta" (beide 1916), Die tote Stadt (1920), Das Wunder der Heliane (1927) hatten zu seiner Zeit überragenden Erfolg und ließen ihn - neben Richard Strauss - zum meistgespielten Opernkomponisten Österreichs und Deutschlands werden. Sein wohl bedeutendster Erfolg war die Oper "Die tote Stadt".

1924 heiratete Korngold Luzi Sonnenthal, mit der er zwei Söhne hatte. 1926 erhielt er den Kunstpreis der Stadt Wien.

1929 wurde Korngold zum Dirigenten am Hamburger Stadttheater berufen, 1931 wurde er Professor an der Wiener Musikakademie. 1929 begann auch die äußerst fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Max Reinhard und Korngold, zunächst mit der Bearbeitung der "Fledermaus". Eigentlich hatte Korngold für Reinhard die Operette "La Vie Parisienne" von Offenbach bearbeiten und dirigieren sollen, das Werk fand er aber zu schwach und er hatte keine großen Probleme, Reinhard eben die Fledermaus vorzuschlagen.

Zwischen 1932 und 1937 vertonte Korngold den Grundstoff des Romans Die Magd von Aachen (Zsolnay Verlag, 1931) von Heinrich Eduard Jacob (1889 -1967) zur Oper "Die Kathrin". Das Libretto bzw. der Textentwurf stammt von Ernst Decsey (1870–1941). Die Uraufführung erfolgte am 7. Oktober 1939, dem 50. Geburtstag Jacobs, in Stockholm. Erst am 19. Oktober 1950 gelangte die Oper in Wien zur österreichischen Erstaufführung.

1934 nahmen nach Gastspielen in Italien Korngold und Reinhard, wie sie glaubten, für lange Zeit Abschied voneinander, weil Reinhard in die USA ging, um dort Werfels "Eternal road" zu inszenieren. Korngold selber reist über Spanien zurück nach Wien, weil er in Barcelona den damals 71 jährigen Pablo Casals besuchen wollte. In Wien wieder angekommen, fand er ein 50 Worte Telegramm von Reinhard vor, der ihn aufforderte, sofort nach Hollywood zu kommen, um mit ihm einen "Sommernachtstraum-Film" zu machen. Korngold ging von einer Arbeit von sechs bis acht Wochen aus.

Korngold sollte für Reinhardts Film "A Midsummer Night’s Dream" (Ein Sommernachtstraum) die Filmmusik anhand Mendelssohns Schauspielmusik arrangieren. Der ausdrückliche Auftrag bestand also darin, die Musik Mendelssohns als Grundlage zu benutzen und für den Film zu bearbeiten. Mit der Arbeit am Sommernachtstraum setzte Korngold neue Maßstäbe in der noch jungen Geschichte der Filmmusik: Er vergrößerte das Orchester von Tanzband-Stärke auf Symphonieorchester-Stärke. Er griff teilweise in die Regie ein, um die Sprache der Schauspieler an den Rhythmus der Musik anzupassen. Teilweise schrieb er Dialoge selbst. Korngold passte die Musik Mendelssohns an Reinhardts Dramaturgie an, komponierte im Stil Mendelssohns weite Passagen neu, da Mendelssohns Musik zeitmäßig bei weitem nicht ausreichte, teilweise unter Verwendung von Motiven aus anderen Werken Mendelssohns. Die Kritiken zum Film veranlassten Reinhardt allerdings, keinen weiteren Film zu drehen. Die Musik Korngolds wurde allerdings einhellig gelobt.

Da sowohl Reinhardt als auch Korngold zwar "Theater" kannten, aber nicht "Film", wurden aus den wenigen Wochen viele Monate. Erst Anfang Mai 1935 gingen Korngolds zurück nach Wien. Da aber Korngold in den USA bereits viele neue Angebote - u. A. von Ernst Lubitsch - erhalten hatte und wegen der Stimmung im mittlerweile braunen Österreich, entschloss sich die Familie, im August 1935 zurück in die Staaten zu gehen, wo sie dann mit ganz großem Bahnhof empfangen wurden.

In den nächsten Jahren arbeitete er als Filmkomponist der Warner Brothers. Für den 1936 entstandenen Film Anthony Adverse erhielt er im Folgejahr den Oscar, den zweiten 1938 für The Adventures of Robin Hood. Diese und seine anderen Werke wurden prägend für die gesamte Branche. Insgesamt verfasste er zwischen 1935 und 1946 die Musik für 19 Filme (u. a. The Sea Hawk, The Sea Wolf).

Zum Zeitpunkt des Anschlusses Österreichs an Deutschland war Korngold gerade in Hollywood mit den Arbeiten an Robin Hood beschäftigt. Seine Kontakte zu Warner Brothers ermöglichten es ihm, seine Familie und seine Eltern in die USA zu holen.

  • 1936: Oscar-Nominierung (Beste Filmmusik) für Unter Piratenflagge
  • 1937: Oscar (Beste Filmmusik) für Anthony Adverse (Ein rastloses Leben)
  • 1939: Oscar (Beste Filmmusik) für Robin Hood, König der Vagabunden
  • 1940: Oscar-Nominierung (Beste bearbeitete Filmmusik) für Günstling einer Königin
  • 1941: Oscar-Nominierung (Beste bearbeitete Filmmusik) für The Sea Hawk

Die Musik zu Robin Hood, König der Vagabunden erreichte Platz 11 in der Liste der 25 Besten Filmmusiken aus 100 Jahren, welche vom American Film Institute zusammengestellt wurde.

1946 beendete er weitgehend die Arbeit an Filmmusiken und wandte sich wieder der klassischen Orchestermusik zu. 1946 entstand auch das Cellokonzert op. 37. 1947 schrieb er für Alma Mahler-Werfel das Violinkonzert D-Dur. In diesem Konzert hat er seine Filmmusiken wieder verarbeitet. Im ersten Satz finden sich die Filme "Flammende Nächte" und "Juarez", im zweiten Satz, der Romance "Anthony Adverse" und im dritten Satz "Der Prinz und der Bettelknabe" wieder. Das Violinkonzert wurde 1947 in St. Louis mit Jascha Heifetz unter der Leitung von Vladimir Golschmann uraufgeführt und im Publikum brachen wahre Begeisterungsstürme aus; die Kritik verhielt sich allerdings eher zurückhaltend. Man warf ihm "mangelndes Formbewußtsein" vor.

Zwischen 1949 und 1951 hielt er sich in Österreich auf, wo er vom Publikum, aber nicht von der Musikkritik positiv empfangen wurde. In dieser Zeit wurden die Symphonische Serenade B-Dur op. 39 von den Wiener Philharmonikern unter Wilhelm Furtwängler, sowie die Stumme Serenade op. 36, beide in Wien, uraufgeführt.

Während einer zweiten Europareise 1954/55 kam es im Oktober 1954 zur Uraufführung seiner einzigen Symphonie in Fis-Dur op. 40 durch die Wiener Symphoniker unter Harold Byrns im Rahmen eines Rundfunkkonzerts, nachdem die Gesellschaft der Musikfreunde die Aufführung abgelehnt hatte. In dieser Sinfonie zitiert er ausführlich aus seinen Filmmusiken; in erster Linie aus dem Film "The private Lives of Elisabeth and Essex" (1939).

Ähnlich wie Mahler verlässt Korngold stringente Themenarbeit nach Sonatenhaupsatzform. Er geht schon plakativ vor, indem er in erster Linie mit Wiederholungen und Klangeffekten arbeitet - wobei man wieder an Filmmusik denkt. Es wird deshalb auch oft behauptet, die gesamte Musik Korngolds klinge wie Filmmusik. Kesting hat allerdings umgekehrt einmal geschrieben: "Korngold hat in der Filmmusik dermaßen Maßstäbe gesetzt, dass Filmmusik heute wie Sinfonik klingt."

Seine Fis-Dur Sinfonie ist wohl das musikalische Vermächtnis Korngolds: Recht düster die marschartige Durchführung des ersten Satzes (auch mit Honneggerschen Anklängen). Auch das Trio im Scherzo des zweiten Satzes ist unheimlich und düster (wie in der ersten Symphonie von Mahler); der dritte Satz "Adagio Lento" erinnert eindeutig an Mahlersche Symphonien. Das Finale ist dann der optimistische Schluss.

Am 17. Oktober 1956, Korngold war gerade 59 Jahre alt, erlitt er den ersten Schlaganfall, dem dann weitere folgten. Trotzdem erholte er sich zunächst und trainierte mit eiserner Disziplin. Sein 60. Geburtstag wurde groß begangen; die Radiosender brachten "eine Korngold-Stunde" es wurde das Tonband der Münchener Aufführung der toten Stadt gesendet, Bruno Walter und Lotte Lehmann gratulierten. Was Korngold als besondere Ehre ansah, war ein Glückwunschtelegramm, das gezeichnet war: "Ihre Wiener Philharmoniker". Am 29. November 1957 um 16:30 starb er.

Der Versuch, nach 1946 zur absoluten Musik zurückzufinden, blieb weitgehend ohne Erfolg. Sein Spätwerk wurde von den Zeitgenossen in den USA und Europa mit starker Kritik und viel schlimmer, mit Nichtbeachtung gestraft. Korngolds Musik geriet in der Folge zunehmend in Vergessenheit. Nach der Neuauflage seiner Werke in den USA ab 1972 erlebten Korngolds Kompositionen aber international eine Renaissance.

© Klaus Körner, Lengerich / Westfalen

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