Hannes Wader
Hannes Wader © 1991, aus der Phonogramm-CD "Nie mehr zurück"
Echo für Hannes - Reinhard Mey`s Rede
Guten Abend. Ich freue mich, hier zu sein, und dass es darum geht, einen lieben Freund und guten Weggefährten mit einem Echo für sein Lebenswerk zu ehren.
Unsere Weg beginnt in grauer Vorzeit, im vorigen Jahrhundert, wir schreiben das Jahr 1965. Ganz Deutschland stöhnt unter dem Joch amerikanischer Schlager, deutscher Schnulzen und lähmender Tanzmusik. Ganz Deutschland? Nein, ein kleines Häuflein unbeugsamer, zorniger junger Leute lehnt sich dagegen auf. Sie rotten sich zusammen auf einer grünen Wiese vor einer Burg mit Namen Waldeck, singen widerborstige Lieder, die sie selber schreiben und mit denen sie dem Stumpfsinn speienden Drachen der Volksverdummung den Garaus machen wollen.
Ich saß auf dieser Wiese bei einem prähistorischen Open-Air, man nannte es damals noch Freiluftveranstaltung, und wurde Zeuge, als dieser hagere, große Junge mit einem kühnen Sprung die Bühne erklomm, begnadet Gitarre spielte und mit klarer Stimme sang. "Die Blumen des Armen" hieß sein Lied und es traf mich wie ein Schlag. Das war das, was ich schon immer hören wollte, das war das, was ich suchte, das war das Lied, nach dem wir uns alle sehnten. Wir wussten alle an diesem Abend des Jahres 1965, dass ein Meister vor uns stand: Der große, hagere Junge hieß Hannes Wader.
Wir erkannten uns als Seelenverwandte und wurden Freunde, wir hatten jeder eine Handvoll eigener Lieder und waren begierig, auszuprobieren, was wir da geschrieben hatten. Aber mit einer Handvoll Liedern – selbst wenn es lange sind – ist es schwer, einen ganzen Konzertabend zu bestreiten. Also legten wir unsere Schätze zusammen, gingen gemeinsam auf die Bühne und sangen abwechselnd unsere Lieder. Wenn eine Zugabe verlangt wurde, sang ich eins von Hannes’ Liedern, und Hannes eins von mir. Wir sangen überall, wo man uns ließ, auf Straßenfesten, in Kellertheatern, am liebsten in Kneipen, denn wo viel getrunken wurde, konnten wir nach der Pause, die Lieder aus der ersten Hälfte nochmal singen, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre.
Es war unsere Sturm- und Drangzeit, wir schrieben wie im Rausch und irgendwann hatte jeder von uns sein eigenes abendfüllendes Programm, sein Publikum und jeder ging seinen eigenen Weg allein weiter. Wir haben uns nie aus den Augen verloren, nicht aus dem Sinn und aus den Ohren erst recht nicht, aber wir waren so verdammt beschäftigt, immer unterwegs – heute hier morgen dort – keine Zeit innezuhalten.
Erst gegen Ende der 80er Jahre, als der Sensemann durch unsere Reihen ging und die ersten Freunde mitnahm, erkannten wir, dass auch unsere Zeit nicht endlos sein würde und wie kostbar Freundschaft ist, und wir sind wieder enger zusammengerückt. Mit unserem Leben, unseren Familien unseren Kindern und Kindeskindern. Und wie damals singt wieder einer ein Lied des anderen, Hannes singt meine alte Ballade von den "Mädchen in den Schenken" und ich sein "Es ist an der Zeit", das wichtigste und ergreifendste aller Lieder, die ich kenne.
Hannes Wader hat die Musikszene bewegt, und er hat erreicht, was alle Liedermacher sich auf die Fahne geschrieben haben: die Welt ein Stück besser zu machen. Denn mit seinen leidenschaftlichen Hymnen gegen den Krieg, Gewalt und Unrecht hat er eine ganze Generation dazu gebracht, sich das mit dem Dienst an der Waffe nochmal zu überlegen und lieber als Ziwi in Krankenhäuser und Pflegeheime zu gehen und den Menschen wirklich zu dienen. Hannes Wader hat sich mit seinen Liedern und seinem Lebenswerk um die Menschlichkeit verdient gemacht. Ich verneige mich vor einem wahrhaft großen Liederpoeten, und ich umarme einen lieben, warmherzigen Freund.
Lieber Hannes, Ich bin glücklich, dass ich Dir nach bald 50 Jahren gemeinsamen Weges zum Echo für Dein Lebenswerk gratulieren kann. Glückwunsch, lieber Freund, Du hast ihn verdient – aber ich verlange Dir an dieser Stelle das Versprechen ab, dass du dein Lebenswerk zu unser aller Freude in kommenden, guten Jahren noch kräftig ausbaust! Wir brauchen Dich!
Reinhard Mey`s ergreifende Rede zur Echoverleihung an Hannes Wader
Anmerkung Helmut Puschmann:
Ich kann Reinhard Mey nur zustimmen! Insbesondere mit seiner Einschätzung des Wader-Liedes "Es ist an der Zeit". Grandios! Danke Reinhard! Bestimmt hast Du nichts dagegen, dass ich Deine Worte hier zitiert habe.
Lassen Sie mich aber - liebe Freunde - an dieser Stelle erwähnen, dass Reinhard Mey ein ähnlich ergreifendes Lied geschrieben hat: "Und der Wind geht alle Zeit über das Land".
Beide Lieder habe ich hunderte Male gehört - und dabei bis heute trotzdem immer noch ein Taschentuch gebraucht.
Zwei ganz große nachdenkliche Lieder zweier ganz großer deutscher Liedermacher.