Texte von Hannes Wader

Das Herz von Hannes Wader schlägt links. Das spürt man bei vielen seiner Texte sofort. Insbesondere seine frühen Lieder wollten aufrütteln und Veränderungen bewirken. Aber natürlich fehlen im Repertoire dieses Ausnahme-Barden auch lyrische Stücke und Liebeslieder nicht. In den späteren Liedern werden die Texte nachdenklicher, etwas Wehmut mischt sich ein und echte "Revolutionslieder" sind eher rar.
Schwer zu sagen, welcher Wader "besser" ist ...

Vielleicht lassen Sie sich von den nachfolgenden kurzen Zitaten verführen zum Erwerb der CDs mit den vollständigen Texten?

aus "Der Rattenfänger"

Es geschah, was heute noch immer geschieht,
wo Ruhe mehr gilt als Recht,
denn wo die Herrschenden Ruhe woll`n
geht`s den Beherrschten schlecht.

Doch auch heute noch setzen sich Menschen
für die Rechte Schwächerer ein,
diese Menschen könnten wohl die Erben
der Hameler Kinder sein.

Denn noch immer nehmen Menschen
Unrecht als Naturgewalt in Kauf,
und ich hetzte noch heute
die Kinder dagegen immer wieder auf.

aus "Emma Klein"

Oft hast du dich schon gewundert,
dich gefragt, wie schafft die das?
Emma Klein mit Ihrem Laden,
wer kauft denn bei ihr noch was?
Andern hat das Riesenkaufhaus
das seit einem Jahr das steht,
mit den Billigangeboten
längst die Gurgel zugedreht.
Und die tragen ihre Pleite
als ihr Schicksal mit Geduld,
oder geben sich, wie Emma Klein,
daran auch noch selbst die Schuld.

Nun hat die Bank schon zugeschlagen
und ganz schnell, fast über Nacht
das Haus samt Laden abgerissen
und `nen Parkplatz draus gemacht.
Der gehört dem Superkaufhaus
und das wiederum der Bank.
Doch das schärfste ist, dass Emma Klein
vor Kummer sterbenskrank
und bettelarm, sich noch immer
zu den Unternehmern zählt,
am Wahltag die Partei
der eignen Unterdrückung wählt.

Will nur mal fragen
sagt warum schlagen
so viele Leute
gestern wie heute
den eignen Interessen
voll ins Gesicht
und merken es nicht?

aus "Blick zurück"

Lange ging ich durch mein Leben
mühsam tastend, fast wie blind,
und nur selten nahm ich wahr
wie die Dinge wirklich sind.
Wenn ich heute klarer sehe
hast du deinen Teil daran,
wie kommt es nur, dass ich grad dich
nur noch schwer erkennen kann?

Habe oft in meinem Leben
das, was zart war, plump zerfetzt.
Doch so oft wie andre habe
ich mich selbst verletzt.
Dass ich mit dir fühlen lernte
ist noch nicht so lange her,
und ich wüsste gern, warum
spüre ich grad dich nicht mehr?

Ich bin oft in meinem Leben
mal gestolpert, mal geschwankt,
hatte viel zu viele Ziele,
bin nur selten angelangt.
Fest zu stehen, aufrecht zu gehen
hab ich erst mit dir gelernt.
Warum hab ich mich dabei
grad von dir soweit entfernt?

aus "Erinnerung"

Ja, vielleicht sind wir Menschen
nur dazu geboren
um ruhelos zu suchen bis zum Schluß.
Auch ich hab irgendwann einmal
etwas verloren,
was mir fehlt und was ich
wiederfinden muss.

aus "Ballade vom Fisch"

Wenn die Gedanken treiben
in die Zeit, in der du Kind gewesen bist,
lass es gut sein, sollen sie so bleiben
zwischen Wirklichkeit und Traum,
auch wenn es in Wahrheit kaum
jemals so gewesen ist.

aus "Hafenmelodie"

Es haben, als ein neues Jahr
gerade eingeläutet war,
die Hafenarbeiter Musik gemacht,
den Bossen zu Gehör gebracht.
Mit zwanzigtausend Mann im Chor,
das klang den Reedern schrill im Ohr,
doch zähneknirschend tanzten sie
im Takt der Hafenmelodie.

Auch Drucker, Setzer haben sie
sehr gern gehört die Melodie,
kurz aber gründlich nachgedacht,
sich ihren Text dazu gemacht.
Und ob die Unternehmerschaft
in Zukunft gegen diese Kraft
mit Aussperrung anstinken kann
und andren Tricks,
kommt noch drauf an.

Schon sangen diese Melodie
Stahl- und Metallarbeiter, die
ebenso musikalisch sind,
die wissen, dass ihr Kampf beginnt,
die wissen, dass gekürzter Lohn
und Arbeitsplatzvernichtung drohn,
auch dass der Kampf vereint geführt,
am Ende doch gewonnen wird.

Dass bei uns in nächster Zeit
die Melodie bald weit und breit
gepfiffen und gesungen wird,
das haben alle längst gespürt.
Die Ängstlichen in unsrem Land,
die hinter vorgehaltner Hand
die Münder spitzen, fassen Tritt,
und singen die Melodie laut mit.

Denn diese Melodie ist alt,
die in wechselnder Gestalt
immer wieder neu entsteht,
wenn es um Menschenrechte geht.
Ihr versteht,
das ist die Melodie
von der Solidarität.

aus "Es ist an der Zeit"

Weit in der Champagne im Mittsommergrün,
dort, wo zwischen Grabkreuzen Mohnblumen blühn,
da flüstern die Gräser und wiegen sich leicht
im Wind, der sanft über das Gräberfeld streicht.
Auf deinem Kreuz finde ich, toter Soldat,
deinen Namen nicht, nur Ziffern und jemand hat
die Zahl neunzehnhundertsechzehn gemalt,
und du warst nicht einmal neunzehn Jahre alt.

Hast du, toter Soldat, mal ein Mädchen geliebt?
Sicher nicht, denn nur dort, wo es Frieden gibt
können Zärtlichkeit und Vertrauen gedeihn,
warst Soldat, um zu sterben, nicht um jung zu sein.
Vielleicht dachtest du dir, ich falle schon bald,
nehme mir mein Vergnügen, wie es kommt, mit Gewalt,
dazu warst du entschlossen, hast dich aber dann
vor dir selber geschämt und es doch nie getan.

Soldat, gingst du gläubig und gern in den Tod?
Oder hast du verzweifelt, verbittert, verroht
deinen wirklichen Feind nicht erkannt bis zum Schluss?
Ich hoffe, es traf dich ein sauberer Schuss,
oder hat ein Geschoß dir die Glieder zerfetzt,
hast du nach deiner Mutter geschrien bis zuletzt,
bist auf deinen Beinstümpfen weitergerannt,
und dein Grab, birgt es mehr als ein Bein, eine Hand?

Es blieb nur das Kreuz als einzige Spur
von deinem Leben, doch hör meinen Schwur:
Für den Frieden zu kämpfen und wachsam zu sein,
fällt die Menschheut noch einmal auf Lügen herein.
Dann kann es geschehen, dass bald niemand mehr lebt,
niemand, der die Milliarden von Toten begräbt.
Doch längst finden sich mehr und mehr Menschen bereit,
diesen Krieg zu verhindern, es ist an der Zeit.

Ja, auch dich haben die schon genauso belogen,
so wie sie es mit uns heute immer noch tun,
und du hast ihnen alles gegeben,
deine Kraft, deine Jugend, dein Leben.

aus "Damals"

Jung war ich, mein Hunger nach dem Leben übergroß, ging fort,
riss mich von Zuhause und allen Freunden los.
Kam in die großen Städte, wo ich nicht nur Freunde fand,
damals halfen meine Träume mir oft mehr als mein Verstand.

Große Ziele, Träume, alles liegt so weit zurück,
vertane Zeit, verpasste Chancen und oft unverdientes Glück.
Zuviel von dem, was ich mir wünschte, habe ich niemals erreicht,
und meine Lieder klingen nicht mehr so wie damals, frei und leicht,
heute singe ich um mein Leben.

aus "Gut wieder hier zu sein"

Nun, Freunde, lasst es mich einmal sagen,
gut, wieder hier zu sein, gut, euch zu sehn.
Mit meinen Wünschen, mit meinen Fragen
fühl ich mich nicht allein, gut, euch zu sehn.
Wer daran glaubt, alle Gefahren
nur auf sich selbst gestellt zu überstehn,
muss einsam werden und mit den Jahren
auch an sich selbst zugrundegehn.

Und soll mein Denken zu etwas taugen
und sich nicht nur im Kreise drehn,
will ich versuchen, mit euren Augen
die Wirklichkeit klarer zu sehn.

Und weiß ich heute auf meine Sorgen
und Ängste keine Antwort mehr,
dann seid ihr da, schon trag ich morgen
an allem nur noch halb so schwer.

aus "Uns bleibt keine Wahl"

Es herrscht die Gewalt schon solange wir denken,
es scheint die Gewalt unser Leben zu lenken,
und dauert sie lang, schon fast eine Ewigkeit,
lang ist nicht ewig im Wechsel der Zeit.

Es haben die Völker zu allen Zeiten
jede Schlacht um den Frieden verloren,
doch wir sind in diese Welt geboren
um endlich zu siegen, uns bleibt keine Wahl.

Es heißt, die Gewalt sei menschlich und bliebe
bestimmender für unser Sein als die Liebe,
doch menschlicher ist, die Gewalt und den Krieg
zu bekämpfen, hier lohnt sich der Kampf um den Sieg.

aus "Krebsgang"

Wie alle Menschen nackt geboren,
was besser hieße ausgesetzt,
bin ich bis heute nackt geblieben,
ungeschützt und oft verletzt.
Ein Krebs bin ich, und zwar von jener
Art, die ihre Blöße meist
in Schneckenhäusern, leeren Muscheln
versteckt, doch selber gerne beißt.

Hab mich, weil ich nicht kriechen wollte
quer und seitwärts fortbewegt,
und so die mir bemessne Strecke
mehr als halb zurückgelegt.
Dieser mühevolle Krebsgang
färbt mir Bart und Schläfen grau,
tappte in so manche Falle,
wurde erst durch Prügel schlau.

Leichtgläubig bin ich oft gewesen,
bin Phantomen nachgerannt,
habe Freunde, die mich liebten
oft als solche nicht erkannt.
Die bitte ich jetzt um Vergebung,
ich sehe meine Fehler ein,
doch wenn sie nicht vergessen wollen,
muss ich mir eben selbst verzeihn.

aus "Im Januar"

Kirschbäume blühen im Januar
und milde Winde wehn seit Neujahr,
Sommer und Winter, der Tag und die Nacht,
der Wind und der Regen, von Menschen gemacht,
es scheint sich die Erde wie im Fieber zu drehn,
Eisberge schmelzen, neue Wüsten entstehn.
Für meine Kinder wünschte ich mir schon
eine wärmere Welt,
hab sie mir nur nicht so vorgestellt.

aus "Traumtänzer"

Bin mal mutig, mal feige,
mal dumm und mal weise
und zahle dafür meinen Preis.
Die Strategen und Denker
"unterrichteter Kreise"
wissen auch nicht viel mehr, als ich weiß.

Manche sagen, die Menschheit
ist längst auf dem Wege,
für immer zugrunde zu gehen,
nennen heute schon Fakten,
erbringen Belege,
für die Gräuel, die morgen geschehn.

Wer hat recht, wer hat unrecht,
wer ist Opfer, wer Täter?
Glücklich, wer das beantworten kann.
Und wenn wir es wissen,
nicht jetzt, eher später,
dann kommt`s vielleicht nicht mehr drauf an.

All die nüchternen Rechner,
die coolen Gewinner,
die Durchblicker kommen und gehn,
und ich werde wohl wieder
auf Seiten der Spinner,
der Narren und Traumtänzer stehn.

aus "Stellungnahme"

Ist Stillschweigen klüger?
Sich niemals beschweren?
Lieber Unrecht erleiden,
um Streit zu vermeiden
der für einen selbst vielleicht übel ausgeht?
Nein! Seiner Feinde
muss man sich erwehren
und sich klar entscheiden,
auf welcher von beiden Seiten
für alle Welt sichtbar man steht.

aus "Wünsche"

Ich wünsche mir
ein heißeres und mutigeres Herz,
um mich nicht aus Furcht vor übermächtigen Gewalten
weise aus dem Streit der Welt herauszuhalten.

Ich wünsche mir
ein empfindlicheres offeneres Ohr,
dass ich nicht abgestumpft, taub und gleichgültig werde
gegen die Schreie der Verdammten dieser Erde.

Ich wünsche mir
einen klareren und wacheren Verstand,
der niemals schläft, mich immer und überall warnt,
wo die Lüge sich als Wahrheit tarnt.

Ich wünsche mir
mehr Geduld, mehr Weitsicht und Gelassenheit,
um die Unbesiegbarkeit von Hass und Dummheit zu erkennen,
um nicht selbst, blind vor Zorn, dagegen anzurennen.

Ich wünsche mir
eine stärkere und glücklichere Hand,
die Kraft, um meine Trägheit immer wieder zu bezwingen,
um das, was ich tun muss, endlich zu vollbringen.

aus "Strom der Zeit"

Wer sich allein dem Strom der Zeit entgegenstemmt,
der unterliegt, wird von der Flut doch fortgeschwemmt.

Nie traf der Lärm der Welt mein Ohr so hart, so grell,
die Zeit, sie jagt so blind wie nie zuvor, so kalt, so schnell.

Möchte nur bleiben was ich bin und widerstehn,
den eignen Weg so gut wie ich kann zuende gehen.

Weiß nicht, was vielleicht morgen schon mit mir geschieht,
ob ich noch steh, oder ob mich der Sog hinunterzieht.

Bildnachweis: Hannes Wader © 1991, aus der Phonogramm-CD "Nie mehr zurück"