Herman Koch: Angerichtet

Herman Koch

Kiepenheuer & Witsch
ISBN 978-3-462-04347-1

Koch ist Holländer; seine Geschichte spielt in einer niederländischen Großstadt, würde aber genauso gut auch in Berlin, München oder Hamburg funktionieren. Aber was ist das überhaupt für eine Geschichte! Eine Persiflage der "nouvelle cuisine" mit ihrer gähnenden Leer auf dem Teller? Ein Psychogramm? Ein Familien-Sittengemälde? Eine Krankheitsgeschichte? Ein Verwirrspiel? Ein Thriller? Absurdes Theater?

Der Leser sollte sich auf einen Mix aus alledem einstellen, zudem auf beste, aber rabenschwarze Unterhaltung.

Und er sollte sich bis zur letzten Seite niemals zu sicher sein, bereits zu ahnen, worum es eigentlich geht. So wie das Leben selbst legt auch diese Story eine ganze Reihe falscher Spuren.

Koch verlegt die eigentlich im Spießbürgermilieu angesiedelte Handlung in ein Nobelrestaurant, allein das schon eine dramaturgische Meisterleistung! Anfänglich mit tragikomischen Momenten gespickt steigert sich das Geschehen zwischen Aperitif und Digestif zu einem infernalischen Grauen.

Gelegentlich werde ich den kleinen Band an einen Neurologen und Psychiater weitergeben. Ich bin gespannt auf dessen psychopathologische Einordnung der agierenden Charaktere. Vermutlich haben dem Autor Herman Koch beim Schreiben sehr präzise Ausprägungen schizoaffektiver Krankheitsbilder vor Augen gestanden.

Das Buch besticht durch ein unmittelbares Aufeinandertreffen von Situationskomik, sich selbst entlarvender kleinbürgerlicher Maskeraden, krimineller Energie, Charakteropathien und Brutalität. Die Geschichte fügt sich erst langsam durch ein geschicktes Spiel auf verschiedenen Zeitebenen zusammen, lässt den Leser zwischendurch aber kaum verschnaufen, zumal er sich bis zum Schluss nie sicher sein kann, wie die Geschichte ausgehen wird.

Genau deshalb auch hier keinerlei Details. Jeder Leser muss sich am Ende selbst die Moralfrage stellen, schließlich geht es um nicht weniger als um Mord und Totschlag.