Elke Heidenreich: Passione
Untertitel: Liebeserklärung an die Musik
Verlag Carl Hanser
ISBN 978-3-446-23325-6
Elke Heidenreichs entzückendes Buch "Passione" ist ganz sicher
eine leidenschaftliche, manchmal aber auch leidende Liebeserklärung an
die Musik und ganz speziell an die (nicht zuletzt italienische!) Oper.
Vor allem aber ist es ein Buch über die Sehnsucht. Und damit sind wir
auch schon wieder beim Titel, denn: nur wer die Sehnsucht kennt …
"Passione" ist ein sehr persönliches Bekenntnis zu Wunderbarem
und zu Wundern, wie sie uns heute vielleicht wirklich nur noch in der
Oper widerfahren. Wir dürfen allerdings nicht vordergründig an Text und
Bühnenbild haften, sondern müssen – wie etwa bei einem Märchen – die
dahinter liegenden Dimensionen spüren und begreifen. Und dabei hilft uns
im Falle der Oper mehr als alles andere die Musik. Es geht also – wie
fast immer bei großer Kunst – um die Essenz hinter dem bloßen äußeren
Geschehen. Deshalb auch ist nichts gegen neue, radikale, zunächst
vielleicht auch schockierende Inszenierungen einzuwenden, wenn sie uns
im Heute lebenden Menschen helfen, zur eigentlichen Wahrheit, zum
wirklichen Gehalt der Aussage des Künstlers vorzudringen. Vielleicht
muss man sich manchmal sogar bewusst quasi außerhalb der realen Welt
positionieren, um das Weltgeschehen zu begreifen. Nach Elke Heidenreich
funktioniert genau dies auch heute noch in der Oper, "sogar in
Bayreuth". Und das ist die eigentliche Botschaft dieses
blitzgescheiten, aber auch so sensiblen und sehnsuchtsvollen Buches.
Elke Heidenreich bringt viele veranschaulichende Zitate zu musikalischen
und philosophischen Themen, die nicht jedem geläufig sein dürften, aber
oft haargenau "sitzen". Es ist erstaunlich, wie viel einprägsame
Aussagekraft in solch einer einzigen Bemerkung stecken kann. Aber trotz
der vermittelten zahlreichen klugen Einsichten ist das Buch niemals
akademisch, immer schwingt eine tiefe "Passione" mit und stößt
dadurch auch im Leser resonanzbereite Saiten an.
Elke Heidenreich führt sinngemäß aus: Die Musik weckt Tote (Eurydike!),
wenn wir ihr trauen und bedeutet Leben, wenn wir nicht (wie letztlich
Orpheus) zweifeln. Und das, obwohl eigentlich alles "falsch" auf
der Bühne ist. Na und? Was ist schon echt in unserem Leben? Dabei ist
die Oper durchaus nicht die moralische Anstalt, nach der es uns
verlangt. Die Moral muss in uns sein, sonst ist sie nirgends. Aber die
Oper befreit uns, sie setzt Gefühle frei bei der Suche nach Harmonie.
"Passione" ist nebenbei bemerkt eigentlich gar kein
geschlossenes Buch, kein Werk aus einem Guss, sondern eine sehr
geschickte Zusammenstellung zahlreicher Einzelartikel, die Elke
Heidenreich zu verschiedenen Zeitpunkten für verschiedene Anlässe
verfasst hat. Das aber erscheint dem Leser letztlich immer stärker als
Gewinn, variiert und vertieft dieses Stilmittel das Grundthema doch in
höchst einprägsamer Weise.
Das Buch will durchaus nicht belehren, nicht den Leser zum Opernbesuch
bekehren, keine Überzeugungsarbeit für die Musik leisten. Allenfalls
will es neugierig machen, aber auch das nur ganz dezent. Im Wesentlichen
will das Buch der Autorin selbst und allen anderen Musikliebhabern bei
der Antwort auf die Frage helfen, warum die Musik und speziell die Oper
auch heute noch eine solche Faszination ausstrahlen. Vielleicht hat sich
mancher von uns genau das noch gar nicht gefragt und hätte folglich (vor
der Lektüre von "Passione"!) überhaupt keine Antwort parat,
falls sich ihm eine solche Frage doch irgendwann einmal – wie auch immer
- stellen sollte.