The Velvet Underground & Nico

Velvet-Underground

Samtener Untergrund? Und das auf dem Jazz-Label Verve? Mit dem in Klassischer Musik ausgebildeten John Cale und mit dem Garagen-Rocker Lou Reed! Mit einer deutschen Sängerin namens Nico! Zudem Texte über wirklich schlimme Dinge. Und Warhols vollreifer Banane als provokantes Phallussymbol auf dem Cover!
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Aber keine Bange, alles halb so schlimm! Ein Glockenspiel eröffnet den ersten Song "Sunday Morning". Dazu haucht Nico mit tiefer Stimme ins Mikro. Danach im drogenschwangeren Track "I`m Waiting For The Man" Lou Reeds knarzige Stimme zur ungestimmt wirkenden E-Gitarre. Über allem das sich monoton wiederholende Schlagzeug und Cales düstere, langgezogene Bratschenbögen. Spätestens jetzt merkt man, dass sich da etwas Alternatives, etwas Experimentelles auf dem Plattenteller dreht. Vielleicht ein Indie? Oder etwa doch Garagenrock? Immerhin hieß Reeds und Cales erste Gruppe bezeichnenderweise "The Primitives". Jedenfalls sollten seinerzeit ganz offenbar knallige Kontrapunkte zur allzuglatten, aber eben kommerziell erfolgreiche Mainsteam-Musik gesetzt werden.

Und so geht es weiter, es wechseln sich melodiöse, ruhige, getragene Stücke ab mit experimentellen, bewusst instrumental verzerrten rohen Rocksongs. Heute schockt das Album überhaupt nicht mehr. Seinerzeit aber war es in jeder Hinsicht ein Paukenschlag - trotzdem aber kommerziell erfolglos. Richtig schräg war erst das Folgealbum "White Light/White Heat", das heute als einer der Wegbereiter für die psychedelische Musik dieser Zeit gilt, in einigen etwas "hoffnungslos" oder gar depressiv klingenden Tracks aber auch schon den Grunge vorwegnimmt.

Auch diese Texte hatte es zuvor in der Rockmusik noch nicht gegeben. Lou Reed nimmt kein Blatt vor den Mund und beschreibt realistisch und ungeschminkt menschliche Aberrationen. Im introspektiven Song "Heroin" finden wir seine eigenen Erfahrungen mit diesem "Stoff" wieder, der - wie es im Text heißt - sein Leben, ja seine Frau ist, aber auch eines Tages sein Tod sein wird. Beklemmend!

Ein eigentlicher "Hit", eine radiotaugliche Auskoppelung befindet sich auf der Platte nicht. Auch schaffte das Album keinen Platz unter den ersten 150 Titeln der meistverkauften LPs dieser Zeit. Damals war die "Kompromißlosigkeit" der Band noch verstörend. Der Einfluss dieses erst später als geniales Meisterwerk erkannten Albums auf nachfolgende Musikergenerationen kann trotzdem gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Das also ist das Debut der legendären "The Velvet Underground" aus dem Jahre 1967. Heute im Rückblick ein wirkliches "Avant Garde"-Album. Produziert wurde es von dem angesagten Pop-Art-Künstler Andy Warhol, der auch das Bananen-Cover entwarf. Warhol war fasziniert von der Andersartigkeit, dem Nonkonformismus und dem provokanten Auftreten der Gruppe. Auf Warhols Betreiben kam das ehemalige deutsche Model "Christa Päffgen", pardon "Nico" in die Band, verließ die Gruppe aber noch vor Erscheinen des Folge-Albums.

Ob Nico überhaupt singen kann? Nun, so gut wie Lou Reed allemal. Hören Sie hinein in "Sunday Morning", "Femme Fatale", "I'll Be Your Mirror" und vor allem "All Tomorrow`s Parties": langgezogene dunkle Melodieschleifen mit einem gewissen tranceartig-erotischen Touch. Auf alle Fälle passt diese Besetzung in Warhols künstlerisches Gesamtkonzept.

Nach Nicos Ausstieg und der Veröffentlichung des Folgealbums "White Light/White Heat" kam es zu Zwist zwischen den Protagonisten. Es setzte ein allmählicher Zerbröselungsprozess ein, vor allem, als nach John Cale schließlich auch noch Lou Reed die Gruppe verließ.

Noch heute klingt das Debut der Velvets frisch und unverbraucht – und trotz aller innovativer Scheiben der letzten 45 Jahre auch immer noch leicht experimentell. Das heute als Meilenstein angesehene Ergebnis muss wohl Resultat des genialen Zusammenwirken des Komponisten und Lyrikers Reed, des Instrumentalisten und Arrangeurs Cale und der Promotion des skurrilen, aber kreativen Drella (Spitzname Andy Warhols) sein. So richtig rund wird die Produktion dann noch durch den Beitrag der in den Liner Notes als "Chanteuse" bezeichneten Nico.

"Peel slowly and see" hat Andy Warhole geäußert als Anspielung auf die tatsächlich "schälbare" Banane des Originalcovers. Darf ich Ihnen einen Rat beim Genießen der Platte geben: "Don`t peel but hear".

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Reunion-Doppel-CD "Live MCMXCIII" 1993

Velvet MCMXCIII

1993 kam es zu einer Reunion der Originalbesetzung incl. Europa-Tour. Natürlich ohne die bereits 1988 verstorbene Nico. Wer am gereiften Velvet-Samt-Sound interessiert ist, kann sich einen lohnenden Konzertmitschnitt aus dem "L`Olympia" in Paris besorgen vom 15., 16. u. 17.6.1993. Und auch die Banane ist wieder da...

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Einige kurze Songzitate aus dem Debut-Album

Sunday Morning

Sunday morning
Brings the dawn in
It's just a restless feeling by my side.
Sunday morning
And I'm falling

I'm Waiting For The Man

I'm waiting for my man
Twenty-six dollars in my hand
Feel sick and dirty more dead than alive
I'm waiting for my man
He's never early, he's always late
First thing you learn is you always gotta wait

Femme Fatale

Here she comes
You'd better watch your step
She's going to break your heart in two, it's true
You're written in her book
You're number 37, have a look
She's going to smile to make you frown,
what a clown

Venus In Furs

Shiny, shiny, shiny boots of leather
Whiplash girlchild in the dark
Comes in bells, your servant, don't forsake him
Strike, dear mistress, and cure his heart
Severin, Severin, speak so slightly
Severin, down on your bended knee

Taste the whip, in love not given lightly
Taste the whip, now bleed for me
Shiny shiny, shiny boots of leather
Whiplash girlchild in the dark
Severin, your servant comes in bells, please don't forsake him
Strike dear mistress and cure his heart

All Tomorrow's Parties

And what costume shall the poor girl wear
To all tomorrow's parties
Why silks and linens of yesterday's gowns
To all tomorrow's parties
And what will she do with Thursday's rags
When Monday comes around
She'll turn once more to Sunday's clown and cry behind the door

Heroin

I don't know just where I'm going
But I'm gonna try for the kingdom, if I can
'Cause it makes me feel like I'm a man
When I put a spike into my vein
And I'll tell you things aren't quite the same
When I'm rushing on my run
And I feel just like Jesus' son
And I guess that I just don't know

I have made the big decision
I'm gonna try to nullify my life
'Cause when the blood begins to flow
When it shoots up the dropper's neck
When I'm closing in on death
And you can't help me, not you guys
And all you sweet girls with all your sweet talk
You can all go take a walk
And I guess that I just don't know

Heroin, be the death of me
Heroin, it's my wife and it's my life

There She Goes Again

There she goes again
She's out on the streets again
She's down on her knees my friend
But you know she'll never ask you please again
Now take a look, there's no tears in her eyes
She won't take it from just any guy
What can you do
You see her walking on down the street
Look at all your friends she's gonna meet
You'd better hit her

I'll be your mirror

I'll be your mirror, reflect what you are
In case you don't know
I'll be the wind, the rain and the sunset
The light on your door
To show that you're home

The Black Angel's Death Song
The myriad choices of his fate set themselves out upon
A plate for him to choose, what had he to lose
Not a ghost bloodied country all covered with sleep
Where the black angel did weep
Not an old city street in the east

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