Spyder Lenscal - Zur Autofokus-Feinjustage

Spyder Lenscal

Vorbemerkungen:

Der Autofokus von Systemkameras kann schon beim Kauf dejustiert sein, oder sich im Laufe der Zeit verstellen. Deshalb gibt es bei einigen Kameras verschiedener Hersteller die Möglichkeit, den Autofokus separat für jedes Objektiv nachzujustieren.

Um nun aber bei mangelnder Punktschärfe einen Anhalt zu haben, um wieviel und in welche Richtung die Korrektur erfolgen soll, braucht es eine Messeinrichtung. Eine sehr einfache Lösung hat Datacolor mit seinem "Spyder Lenscal" auf den Markt gebracht. Die Bedienungsanleitung ist aber mehr als knapp und auch im Netz einschließlich YouTube kommt man nicht wirklich weiter. Deshalb hier meine eigenen Erfahrungen.

Das "Spyder Lenscal" ersetzt keine optische Bank. Mit der allerletzten Präzision arbeitet diese Messmethode nicht. Aber der Erfolg einer Korrektur (falls erforderlich) ist sehr deutlich.

Aufbau der Messeinrichtung

Das Spyder Lenscal wird rechtwinklig aufgeklappt und mit der im 45°-Winkel davor und dahinter verlaufenden Skala fixiert. Am besten stellt man es auf ein Stativ und befestigt es dort mit Hilfe seines eingebauten Gewindes. Eine kleine integrierte Wasserwaage ermöglicht die notwendige korrekte horizontale und vertikale Ausrichtung. Die Skala soll gleichmäßig von natürlichem Licht oder Kunstlicht beleuchtet sein, es soll also keinen Helligkeitsverlauf auf der Skala geben.

Aufbau der Kamera mit Autofokus-Objektiv

Auch die Kamera mit Autofokus-Objektiv kommt auf ein Stativ. Der Abstand vom Boden bis zur Mitte der Frontlinse soll gleich sein wie der Abstand vom Boden bis zur Mitte des Messpunktes direkt neben der kreuzenden Skale des Lenscal. An Hand einer Wasserwaage wird die Kamera horizontal und vertikal korrekt ausgerichtet. Jetzt muss noch die Sensorebene (früher Filmebene) der Kamera möglichst parallel zur Lenscal-Meßfläche ausgerichtet werden. Dafür reicht m.E. ein gutes Auge. Oder man orientiert sich an natürlichen oder aufgebrachten Hilfslinien auf dem Boden.

Einstellungen am Objektiv:

Ich empfehle, mit einem mittleren Telebrennweite zu beginnen, also mit Festbrennweiten oder längsten Zoombrennweiten zwischen 100mm und 250 mm. Dort stellen sich nämlich die Fokusfehler wegen der geringen Schärfentiefe am deutlichsten dar und der Erstanwender versteht schnell, wie er vorgehen muss. Am Objektiv empfehle ich nicht, wie in der Gebrauchsanweisung angemerkt, die größte, also offenste Blende zu wählen (da sind nämlich selbst recht gute Objektive oftmals von vorn bis hinten nicht scharf), sondern um ca. 2 Blendenstufen abzublenden. Ein Objektiv mit Anfangslichtstärke 1:2,8 stelle ich also auf 1:5,6 ein.

Schon hier sei vorweggenommen: Dann wähle ich an der Kamera Blendenvorwahl mit Zeitautomatik, damit ich bei Versuchen mit anderen Blenden nicht immer auch die Zeit manuell neu einstellen muss. Eine Programmautomatik ist für diesen Zweck ungeeignet.

Die Linsenoberfläche sollte sauber sein, die Sonnenblende sollte aufgesetzt werden. Am Objektiv muss die Autofokusmessung aktiviert sein. Die Verwacklungs-Kompensation (bei Nikon "VR") sollte ausgeschaltet werden.

Einstellungen an der Kamera

Natürlich bleibt der Live-View-Modus ausgeschaltet. Eingestellt wird Blendenvorwahl mit Zeitautomatik und eine Belichtungskorrektur von -1 bis -2 Blenden (Lichtwerten), also eine leichte Unterbelichtung, damit die Skala mit den feinen schwarzen Strichen gut ablesbar und nicht überstrahlt abgebildet wird. Weißabgleich entsprechend der Beleuchtung fest einstellen, denn bei Mischlicht führt der automatische Weißabgleich oft zu wechselnden Verfärbungen. Das aufgenommene Foto der Messeinrichtung soll rein schwarz-weiß sein.

Je nach Kameratyp kann es erforderlich sein, auch an der Kamera noch auf "Autofokus" zu stellen. Die ISO-Zahl auf den niedrigsten empfohlenen Wert einstellen, meist also 100 ISO oder 200 ISO. Wenn möglich, die Spiegelvorauslösung einstellen und mit elektrischem Fernauslöser, Drahtauslöser oder Selbstauslöser auslösen.

Kameras haben meist verschiedene Autofokus-Modi. Da gibt es Einzel- oder Mehrfachfokus, mit oder ohne dynamische Fokuskorrektur und mit oder ohne intelligente Nachführmechanismen. Für unseren Zweck sind alle diese Zusatzeinstellungen nur schädlich. Stellen Sie die dynamische Fokusnachführung ab. Wählen Sie Einzelfokus. Und dann peilen Sie das Fokusziel des Lenscal an, das ist das kleine ca. 2x2 cm große geschachtelte Feld direkt neben der 0-Markierung der schrägen Skala.

Dieses Feld sollte dann innerhalb des im Sucher der Kamera markierten Einzelmessfeldes liegen. Eher im Zweifelsfall noch etwas weiter nach links weg von der schräg verlaufenden Skala zielen.

Nach erfolgter Fokussierung mit der Autofokuseinrichtung sollten Sie bei jeder weiteren Fokussierung das Fokusmessfeld der Kamera vom Ziel auf der Lenscall weg in die Umgebung führen, dort fokussieren, dann auf das Messfeld des Lenscall zurückführen und neu fokussieren.

Der jetzt eingestellte Fokuspunkt darf beim Auslösen der Kamera möglichst nicht mehr von der Kamera nachjustiert werden. Deshalb sollten Sie die Fokussierung (am besten ohnehin!) nicht dem Auslöseknopf, sondern dem separaten Fokusknopf zugeordnet haben, der dann bei Auslösung nicht mehr betätigt wird und sich wie ein vorgewählter Fixfokus verhält.

Abstand zwischen Kamera und Lens Call

Empfehlenswert ist der 30 fache Abstand der Objektiv-brennweite. Warum? Weil dann das Fokus-Zielfeld des Lenscall (und genau dieses und sonst nichts!) vom Einzelfokusmessfeld der Kamera erfasst wird. Wenn Sie also ein Objektiv mit fester oder längster Brennweite von 135 mm einmessen wollen, sollte der Abstand zwischen Kamera und Lenscall 13,5 cm mal 30 also ziemlich genau 400 cm betragen.

Auswertung des aufgenommenen Fotos

Prinzipiell kann man das Foto auf dem Kameramonitor beurteilen, indem man zur drittgrößten (manchmal auch zweitgrößten oder gar größten) Vergrößerung zoomt. Oder man überträgt das Foto schon beim Auslösen mittels Camera-Controll oder eines ähnlichen schnurgebundenen oder schnurlosen Programms auf einen Monitor. Oder man überträgt nach Speicherung des Fotos dieses von der Karte auf seinen Rechner. Nach meiner Erfahrung reicht die Betrachtung auf dem Kameramonitor nicht nur völlig aus, sie ist sogar am aussagekräftigsten und natürlich auch am schnellsten. Ich benutze bei der Betrachtung in der Regel die drittgrößte Stufe. Auf einem externen Monitor kann man aber auch derart stark vergrößern, dass die Schärfe der einzelnen Pixel beurteilt werden kann. Doch, wie gesagt, das ist m. E. nicht erforderlich.

Man betrachtet die mitfotografierte Skala, die von -6,5 bis +6,5 reicht. Es ist empfehlenswert, z.B. erst einmal den Punkt -1 mit dem Punkt +1 zu vergleichen. Sind beide gleich scharf abgebildet, sollte der Punkt 0 am schärfsten sein. Oft aber erkennt man sofort, dass einer der beiden Skalenpunkte schärfer ist als der andere. Liegt die Schärfe vom 0-Punkt der Skala aus nach oben (das heißt also nach hinten), so spricht man von einem "Backfocus", umgekehrt von einem "Frontfocus". Ist der Bereich oberhalb, also hinter dem Ziel scharf, muss an der Kamera eine Minuskorrektur eingestellt werden und umgekehrt.

Einstellung der Korrektur an der Kamera

Eine Nikon D700 und D800 beispielsweise hat die Möglichkeit, per Systemmenu den Fokuspunkt auf maximal -20 oder +20 zu verschieben. Keine Angst, das ist nicht "destruktiv", es lässt sich jederzeit wieder ändern. Nun gibt es m.W. aber leider keine Anleitung, wie das Messergebnis aus dem aufgenommenen Foto auf die Autofokuskorrektur der Kamera übertragen werden muss. Die Zahlen der Lenscall-Scala und die der Kamera-Autofokuskorrektur haben jedenfalls keinerlei nachlesbare Entsprechung.

Für mich als Nikon-Fotograf hat es sich bewährt, bei einer Abweichung des Fokus um den Wert "1" auf der Skala des Lenscall (die maximale Schärfe liegt also bei -1 oder +1) die Autofokus-Korrektur der Kamera um -3 oder +3 zu verstellen. Bei Abweichung um den Wert "2" um +6 oder -6 usw. Das muss aber jeder für sich selbst ausprobieren.

Nach der Erstjustage des Autofokus wird unter den gleichen Bedingungen ein neues Foto geschossen und erneut ausgewertet. So tastet man sich immer weiter an die maximal mögliche Autofokus-Scharfeinstellung heran.

Wer möchte, kann dann die Versuche mit dem gleichen Objektiv, aber anderen Blendenöffnungen und bei Zooms anderen Brennweiten wiederholen, die Ergebnisse sollten aber nicht mehr von der schon gefundenen und eingestellten Fokusjustierung abweichen.

Vorgehen bei mehreren Kamerabodys

Wer mehrere Kamerabodys besitzt, muss auch mit seinem Zweit- und Drittgehäuse die gesamte Messreihe mit allen Autofokusobjektiven wiederholen. Letztlich wird immer ein Kamerabody und ein Objektiv als Einheit eingemessen. Bei mehreren Gehäusen und mehreren Objektiven können Sie mit den Messungen ein ganzes Wochenende füllen.

Die Kamera merkt sich die auf das jeweils angesetzte Objektiv zutreffende Fokuskorrektur. Man kann die eingestellte Fokuskorrektur aber mit einem Tastendruck ausschalten (und wiedereinschalten).

Zusammenfassung

Die Feinjustage des Autofokus mittels Spyder Lenscal ist nach Überwindung einiger Anfangsschwierigkeiten und Ansammlung einer gewissen Routine eine leicht anzuwendende und gut reproduzierbare Methode, die Auto-Fokussierung entsprechend ausgestatteter Objektive zu optimieren. Ihre Kamera muss diese Justierung aber im Systemmenu anbieten.

Sie werden feststellen, dass Sie bei einigen Kamera-Objektiv-Kombis gar nicht, bei anderen wiederum relativ umfangreich korrigieren müssen. Die Prozedur lohnt sich vor allem für Fotografen, die eher mit mittleren und längeren Brennweiten unterwegs sind und dabei auch gern mal die voll geöffnete Blende verwenden. Oder für Fotografen, die sich eine Kamera zur IR-Kamera haben umbauen lassen. Dabei gelingt es nicht immer, die durch IR-Licht verursachte Verschiebung der Schärfenebene schon umbauseitig ganz auszugleichen, und schon gar nicht kann das für alle eingesetzten Objektive vorberechnet sein.

Nur einen Nachteil hat diese ganze Messerei: Sie werden vielleicht erstmalig erleben, wo überhaupt die Grenzen der Scharfzeichnung Ihrer Objektive liegen, beonders bei voll geöffneter Blende oder ganz geschlossener Blende (Beugungsunschärfe). Das kann ein wenig desillusionieren.