VOM "FAHRGAST" ZUM DB "STEHGAST"

Aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen hören wir, dass sich die Interessengemeinschaft „Fahrgastverband Pro Bahn“ (wenn auch stark verspätet) umbenennen will in „Stehgastverband Contra Desaster“.
In der Begründung sei zu lesen, dass ein am Bahnsteig stehender Fahrgast zumindest hin und wieder mal auf eine Fahrt mitgenommen werden müsse und zudem nicht stundenlang auf Abstellgleisen geparkt werden dürfe, um seinen Namen wenigstens halbwegs zu rechtfertigen. So aber, wie sich die Lage derzeit darstelle, verhöhne die Bezeichnung „Fahrgast“ den Kunden, was letzterer nicht mehr länger hinzunehmen bereit sei.
Man befürchte allerdings, dass sich auch die Bezeichnung „Stehgast“ wegen mangelnder Gastfreundschaft nicht halten lasse. Kein Mensch und schon gar kein Gast wolle stundenlang stehen, weder im Zug, noch auf dem Bahnsteig.
Ähnlich kritisch sehe man den Begriff „Fahrplan“, erstens fahre ja nichts und zweitens erkenne man bei der DB keinen Plan. Auch eine Differenzierung dieser höchstens als Absichtserklärung bzw. Vorschlag an Lokführer und Stellwerker aufzufassenden Terminer in Sommer- und Winterangebote sei unnütz, eine solche Unterscheidung sei bestenfalls als hilflose Geste des guten Willens gegen das ganz normale alltägliche Bahnchaos zu verstehen.
Allerdings habe man noch nicht versucht, den Winterfahrplan zu veröffentlichen, intern aber nach dem Sommerfahrplan zu fahren, vice versa. Chaosforscher raten zu solch einem Experiment.
Klappt auch das nicht, sollte die DB besser gar keine Abfahrts- und Ankunftszeiten mehr nennen. Dann wäre auch die Enttäuschung über Ausfälle nicht mehr vorprogrammiert, der Frustrationsspiegel würde sinken und Aggressionen erst gar nicht mehr aufploppen. Wenn dann doch ein Zug käme (und auch wirklich wieder abfahre), würden die Reisenden von Dankbarkeitsgefühlen regelrecht überwältigt und könnten ihre Freudentränen wohl kaum noch zurückhalten. Was die bescheidenen Boni der Bahnbosse mehr als rechtfertige.
Gäbe es diese sogenannten „Fahrpläne“ nicht mehr, müssten sie auch nicht (wie ursprünglich vorgesehen) in „Absichtserklärungen“ umbenannt werden. Was, nebenbei bemerkt, nichts gebracht hätte, da die Reisenden inzwischen jeglicher Absicht der DB misstrauen bzw. Verspätungen und Zugausfälle gar als absichtlich verursacht deuten.
Nach übereinstimmenden Prognosen werden sich viele der ehemaligen Fahrgäste einen neuen Verbrenner kaufen und todesmutig hinweg über deutsche Autobahnbrücken wagen.
Der ADFC hat bereits Vorschläge unterbreitet, die verwaisten Bahntrassen in Fahrradwege umzuwandeln. Und die Industrie arbeitet schon an Bikes mit ausfahrbarem Oberleitungs-Stromabnehmer.