Volksmundiges zu Körper und Seele
Beziehungen zwischen Körper und Seele sind gut bekannt und oft sogar
sprichwörtlich. Der Volksmund hat entsprechend unzählige sehr
aufschlussreiche Redewendungen geprägt. Wir gebrauchen sie täglich,
meist aber ohne den tieferen Sinn zu hinterfragen:
So denkt manchmal selbst der Arzt: "da bleibt mir die Spucke
weg", wenn der Patient mit Mundtrockenheit von seinen
mannigfaltigen schweren Belastungen berichtet. Und er kann die
Nackenschläge eines anderen Patienten, der viel am Hals
hat, geradezu körperlich nachempfinden, indem sich bei ihm die
Nackenhaare sträuben und sich die Kehle zuschnürt, er die
Faust im Nacken spürt und schließlich "so einen dicken
Hals" bekommt. Muss doch auch der Doktor täglich so einiges
schlucken. Und am liebsten hätte er den ganzen Kram vom
Hals.
Als nächstes erscheint zum wiederholten mal ein etwas ungeduldiger
Patient mit behinderter Nasenatmung, beschwert sich über die viel zu
lange Wartezeit, die nach 2-Klassen-Medizin rieche und klagt,
wegen der ständigen beruflichen und privaten Überforderung habe er jetzt
endgültig die Nase voll; der Doktor reagiert verschnupft.
Und so gibt es in unser aller Leben immer wieder Geschehnisse, die uns
die Stimme oder den Atem verschlagen, das Herz zerreißen,
Bauchschmerzen machen, einen schlechten Geschmack
hinterlassen oder uns übel aufstoßen. Manchmal werden wir
deshalb ganz sauer.
Manche Erlebnisse mögen auch an die Nieren gehen oder auf den
Magen schlagen, dann kann uns auch schon mal die Luft
wegbleiben oder sich der Magen umdrehen. Manchmal ist es ja
auch wirklich zum Kotzen! Sollten dann noch Ängste hinzukommen,
so kann uns das je nach Temperament kalte Füße machen oder uns
wird ganz heiß.
Und wenn wir zu viel um die Ohren haben, dass uns die Ohren
klingeln und uns beim Gedanken an morgen ganz schwindelig
wird, dann sollten wir uns schon einmal den Kopf zerbrechen,
was wir ändern müssen. Denn nur wenn wir in solchen Situationen etwas
ändern, können wir hoffen, dass uns ein Stein vom Herzen fällt
und wir künftig nicht mehr so viele Haare lassen müssen.
So konnte sich kürzlich ein Tinnitus-Patient, der viel um die Ohren
hatte, selbst heilen, als er begriff, warum bei ihm die
Alarmglocken schrillten und dass seine Krankheit nicht in den Ohren,
sondern zwischen den Ohren entstanden war. Und eine Patientin mit
Herzdruck und Herzstolpern konnte die entscheidende Weiche auf ihrem
Lebensweg stellen, als ihr klar wurde, was sie wirklich auf dem
Herzen hatte. Einem cholerischen Abteilungsleiter mit Wut im
Bauch kam immer die Galle hoch, bis er erkannte, welche
Laus ihm über die Leber gelaufen war.
Die erhöhten Temperaturen einer jungen Wander-Schauspielschülerin
entpuppten sich teils als Lampenfieber, teils als
Reisefieber und schließlich wurde ihr auch klar, warum sie
manchmal so blaß vor Angst und dann wieder ganz rot vor
Wut wurde.
Eine Studentin litt unter einem bitteren Geschmack im Mund, ihr
wurde immer ganz übel und sie verlor so lange an Gewicht, bis sie
merkte, was genau sie so verbitterte und ihr den Appetit
verschlug; unglücklicherweise passierte dann noch etwas wirklich
Übles, alles ging wieder von vorne los und sie magerte vor Kummer
ab; dem behandelnden Arzt war zum Heulen zumute.
Bei einem Selbstständigen (macht alles selbst und das ständig!)
mit unklaren neurologischen Symptomen war bereits die Verdachtsdiagose
eines Parkinson gestellt worden, als er begriff, dass er wegen des
permanenten staatlichen Dirigismus vor innerer Wut zitterte,
wegen seiner wirtschaftlichen Situation starr vor Angst und wegen
des amtlich auferlegten Bürokratismus wie gelähmt war.
Und dann noch das: Ein lieber Kollege klagt kürzlich über quälenden
Juckreiz und berichtet, er fühle sich nicht mehr wohl in seiner
Haut. Zudem plage ihn ständig einen unangenehmen Geruch. Er stänkert
"das stinkt mir!" und meint damit die allerletzte
Gesundheitsreform und deren neuerliche herzlose und gefährliche
Behandlungseinschränkungen. Seine Prophezeiungen zum Verfall der
deutschen Medizin kann ich nicht mehr hören, prompt lässt ein
Hörsturz grüßen. Klar, der Kollege nervt, aber er hat eben auch
Recht und deshalb genau den Nerv getroffen, und dieser verursacht
mir jetzt körperliche Schmerzen im tiefen Rücken. Ich bin auf einmal
ganz niedergeschlagen.
Wir haben uns aber dann doch darauf verständigt, dass uns die
Laienspielschar in Berlin nicht das Kreuz brechen und uns auch
nicht in die Knie zwingen wird, vielmehr wollen wir uns
gegenseitig solidarisch den Rücken stärken und aufrecht,
mindestens aber aufrichtig bleiben. Wir werden uns auch nicht in den
Wahnsinn treiben lassen, sondern weitermachen zum Nutzen unserer
Patienten.
Wir werden den politischen und standespolitischen Aberwitz
zähneknirschend, aber mit zusammengebissenen Zähnen auch künftig
schultern und nicht den Kopf hängen lassen, bis uns
vielleicht dann aber doch eines Tages die Puste ausgegangen und
das Herz stehen geblieben sein wird. Dann allerdings juckt
uns selbst die nächste Gesundheitsreform nicht mehr.
Dr. med. Franz von Seboca
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