Neulich im Bundes-Gesundheitsministerium:
Aus einem geheimen Wanzen-Abhörprotokoll

Herrn Dr. Franz von Seboca wurde kürzlich von den Selbsthilfegruppen "Wir sind die Patienten" (WiSiPa) und "Wir kippen die Reform" (WiKiRef) ein streng geheimes Abhörprotokoll aus den Bundes-Gesundheitsministerium zugespielt. Herr Dr. von Seboca will uns trotz gewisser Bedenken dieses schockierende Dokument aus der Prae-Roesner-Ära nicht vorenthalten. Zumal er meint, ähnliches könne sich unter der jetzigen politischen Führung kaum jemals wiederholen, würde letzteres aber andererseits auch nicht beschwören wollen ...

Vorbemerkung:

Die Namen der im folgenden Artikel erwähnten Personen sind Herrn Dr. von Seboca nach eigenem Bekunden aus den Abhörprotokollen bekannt. Sie wurden von ihm aber aus juristischen Gründen verändert. Auch wir kennen die wirklichen Namen nicht.

Wir haben dann aber von uns aus - nur sicherheitshalber, weil wir nämlich einen gewissen Anfangsverdacht hatten - verschiedentlich ergänzend recherchiert. Wir können danach beruhigend mitteilen, dass Frau Ex-Ministerin Ulla Schmid, Herr Ex-BGM-Abteilungsleiter Knieps, Frau Ex-Patientenbeauftragte Kühn-Mengel, Herr Dr. Köhler von der KBV, Herr Prof. Karl Lauterbach, die Rhön-Kliniken, der Aesklepios-Klinik-Konzern und die Bertelsmann-Stiftung dementiert haben, irgendetwas mit der Angelegenheit zu tun zu haben. Also können sie auch nicht betroffen sein.

Hier das streng geheime Abhörprotokoll:

Wanze

"Guten Morgen, Herr Knirps, wie weit sind wir denn nun gediehen mit der Kommerzialisierung der deutschen Medizin? Sie wissen doch, wir müssen diese immer teurer werdende sozialpolitische Altlast dringend abstoßen."

"Guten Morgen, Frau Schnitt. Ich darf Ihnen erfreut mitteilen, dass wir uns mit riesigen Schnitten, oh pardon, mit riesigen Schritten der Endlösung nähern. Die Großkonzerne Ruin-Kliniken und Aeskluxklanios konnten sich bereits Hunderte von kapitulierenden Krankenhäusern einverleiben. Viele andere Kliniken sind durch unsere zielgerichteten Mittelkürzungen schon so bankrott, dass sie den privaten Gesundheitskonzernen demnächst wie überreifes Obst in die Tasche fallen werden."

"Exzellent, Herr Knirps, Sie haben ganze Arbeit geleistet."

"Aber ich bitte Sie, das ist doch alles Ihr Werk, Frau Schnitt! Wir sollten den Krankenhäusern allerdings - auch zur werbewirksamen Irreführung der Öffentlichkeit - umgehend die Milliarden wiedergeben, die wir ihnen kürzlich als angebliche Stütze der Krankenkassen weggenommen haben. In einigen Anstalten tropft nämlich schon der Regen durch die Decke. Wenn vorher nichts geschieht, müssten unsere Freunde bei Ruin und Aeskluxklanios nach erfolgter Übernahme ja erst einmal investieren. Die wollen aber bekanntlich nicht reparieren, sondern kassieren. Und keineswegs darf nach den Banken nun auch noch die Gesundheitsindustrie in eine für uns teure Schieflage geraten - mindestens aber nicht schon vor der nächsten Wahl."

"Grandioser Winkelzug, Herr Knirps. Und verkaufen Sie die Rückgabe der Milliarden medienwirksam als neue und für uns sehr schmerzhafte Belastung".

"Verstanden, Frau Schnitt. Übrigens soll ich Ihnen vom Ruin-Aufsichtsrat ein Kompliment überbringen: man ist dort fasziniert, mit welcher ungeheuerlichen Akribie Sie die Entsozialisierung des deutschen Gesundheitswesens vorantreiben! Und auch die Bettelsmann-Stiftung zeigt sich äußerst zufrieden mit Ihrer profitorientierten Politik der radikalen medizinischen Industrialisierung."

"Danke vielmals! Aber Sie wissen ja, wir geben unseren Freunden nur das zurück, was wir unter der Hand von Ihnen bekommen. Also läuft alles planmäßig, Herr Knirps?"

"Leider nicht ganz, Frau Schnitt. Wir haben große Probleme mit den Hausärzten."

"Trotz aller unserer gezielten Beschneidungen und der neuesten standrechtlichen Exekution des Labors immer noch? Was geht da vor, Herr Knirps?"

"Fürwahr, Frau Schnitt, wir hören von den Hausärzten immer wieder diese polemische, irreale und natürlich ganz und gar unhaltbare Forderung, sie wollten weiter auf der Seite ihrer Patienten stehen und sich nicht von den Großkonzernen zur finanziellen Ausplünderung der Versicherten aufkaufen lassen. Sie wollen auch nicht die Daten ihrer Patienten zum großen Abgleich mit der boomenden Wellness-Industrie hergeben und lehnen deshalb die schöne neue Krankheits-Speicherkarte rundweg ab."

"Das ist ja ungeheuerlich, Herr Knirps. Woher nimmt der Hausarzt nur die Kraft zum Widerstand? Haben wir doch seit nunmehr mindestens 25 Jahren alles getan, um den freien Arzt zu demotivieren, zu zermürben und zur Aufgabe zu zwingen. Insbesondere der Hausarzt müsste doch inzwischen völlig am Boden liegen, wenigstens wirtschaftlich."

"Das tut er ja auch, Frau Schnitt. Dank Ihrer schon sprichwörtlichen Beschneidungspolitik und der kontinuierlichen und konsequenten wirtschaftlichen Schlechterstellung kann der Hausarzt schon heute seine Kredite nicht mehr bedienen und wird bald insolvent sein. Unsere Freunde bei den Ruin-Kliniken und bei Aeskluxklanios konnten deshalb auch schon zahlreiche Hausarztsitze aufkaufen und in ihre Medizinischen Zuweisungs- und Versorgungs-Zentren (MZVZ) integrieren. Aber einige Hausärzte wehren sich halt immer noch gegen diese schöne neue integrierte Versorgung und auch gegen das strukturierte Aussaugen durch unsere Netzspinnen. Am 19.9.2008 waren sogar 5000 dieser Hausärzte zur Demo gegen uns in Berlin."

"Herr Knirps, jetzt enttäuschen Sie mich aber. Nach so langer Zeit in diesem meinem Hause sollten Sie doch eigentlich wissen, wie man so etwas anpackt. Erst einmal geben wir den Hausärzten nach zehn Nullrunden-Jahren wieder eine kleine Honorarerhöhung, natürlich nicht viel, keinesfalls einen vollen Inflationsausgleich, also nichts, was sie wirklich retten würde. Aber nach unserer Erfahrung werden viele Ärzte sich dadurch zunächst einmal einlullen und ruhigstellen lassen. Und wir täuschen den Versicherten vor, wir würden tatsächlich etwas für das Überleben ihres Hausarztes tun. Sie werden sehen, das von uns angestrebte Praxissterben geht dann ohne diese hässlichen, die Medien und die Öffentlichkeit nur verstörenden Todeskrämpfe ruhig und geordnet weiter."

"Frau Schnitt, das wird nicht reichen. Zu viele Hausärzte sehen sich immer noch als Sachwalter der Interessen ihrer Patienten. Mehr und mehr von ihnen organisieren sich sogar in der "Freien Ärzteschaft" und rotten sich mit Patientenverbänden zusammen."

"Aber Herr Knirps, wofür haben wir denn unsere Patientenbeauftragte Frau Mangel-Kühl! Geben Sie ihr sofort die folgende Beauftragung: Auf den Titelseiten der Samstagsausgaben will ich im Namen aller deutscher Patienten folgende repräsentative Stellungnahme von Frau Mangel-Kühl abgedruckt sehen: Allein durch unnütze Arzneimittelverschreibungen verschwende der deutsche Arzt Milliarden unserer gemeinsam hart erarbeiteten Kassenbeiträge. Gerade unter diesem Aspekt könne der deutsche Patient als solcher überhaupt nicht nachvollziehen, dass der ohnehin schon zu den Großverdienern zählenden Arzt jetzt auch noch
2,5 Milliarden € mehr erhalte. Der deutsche Patient hätte auch gern 2,5 Milliarden € mehr, bekomme aber durch den Honorarzuwachs seines Arztes und den dadurch steigenden Krankenkassenbeitrag künftig sogar weniger als bisher. Herr Knirps, so macht man das! Damit haben wir vorsorglich nämlich schon jetzt die Schuld für die Gesundheitsfond-bedingt steigenden Krankenkassenbeiträge der deutschen Ärzteschaft in die Schuhe geschoben!

"Schön und gut, Frau Schnitt, nur weiß die Bevölkerung inzwischen, dass auch die Honorarreform 2009 den Hausärzten wegen der durch uns geplanten Umverteilungen kein Plus, sondern bei gleichzeitig ansteigenden Unkosten sogar ein Minus bringt. Zudem können die Leute mittlerweile leider zwischen Umsatz, Brutto und Netto unterscheiden."

"Nun gut, Herr Knirps, dann bleibt uns ja noch immer unsere langjährig erprobte und totsichere Zerrüttungstaktik: Wir verkünden wieder einmal, dass wir den Hausarzt stärken und ihm im Rahmen eines Hausarztvertrages wichtige Steuerungs-Aufgaben zuteilen wollen. Alle werden klatschen. In Wirklichkeit aber werden wir den Hausarzt zwingen, in unserem Sinne weitere Budgetierungen, Kontingentierungen und Behandlungseinschränkungen an die Versicherten weiterzureichen."

"Frau Schnitt, unterschätzen Sie den Hausarzt nicht!"

"Warten Sie ab, Herr Knirps, das war noch nicht alles. Zeitgleich werden wir die Hausarztpraxis mit neuen bürokratischen Aufgaben so überfrachten, dass sie komplett zusammenbrechen muss. Der Arzt wird keine Zeit mehr für seine Patienten haben, der Versicherte muss sich dadurch vernachlässigt fühlen und wir können so das leider noch immer hohe Ansehen des Arztes endgültig ruinieren. Das alles zusammen müsste der Hausarztpraxis den finalen Todesstoß versetzen. Wir können uns bei der Umsetzung unseres geheimen Planes doch auf Herrn Dr. Verkohler von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung verlassen?"

"Natürlich, Frau Schnitt. Herr Dr. Verkohler ist ja Facharzt und hält deshalb den Hausarzt aus standespolitischer Sicht für ohnehin überflüssig. Er wird kraft seines Funktionärsamtes diverse unerfüllbare Anforderungen an die Hausarztpraxis erfinden, neue vielseitige Formulare einführen, eine nicht praktikable Laborreform kreieren und weitere Zwangsfortbildungen sowie verpflichtende Qualitätszirkel einrichten. Auch wird er über den Honorarverteilungsmaßstab dafür sorgen, dass bei den Hausärzten immer weniger Geld ankommt. Und keine Sorge, Frau Schnitt, Herr Dr. Verkohler glaubt diesbezüglich nicht an einen spürbaren Widerstand des deutschen Hausarztes. Kürzlich hat er mir beim Frühschoppen noch folgendes Bonmot weitergegeben: ´Bei einem Erlass der Regierung, alle Hausärzte müssten sich mittags auf dem Marktplatz zur öffentlichen Enthauptung einfinden, wären die Kollegen bereits halb zwölf zur Stelle und hätten das Schafott auf eigen Kosten schon dabei´. Ist das nicht köstlich?"

"Wirklich köstlich, Herr Knirps. Ich sehe, wir verstehen uns. Und Herr Dr. Verkohler ahnt wirklich nicht, dass wir auch ihn samt seiner ganzen KBV nach getaner Arbeit verbrennen werden?"

"Sie können beruhigt sein, Frau Schnitt, Dr. Verkohler hat selbst davon keine Ahnung!"

"Gut, Herr Knirps, aber sorgen Sie dafür, dass Herr Dr. Verkohler zusammen mit unserem Guru Prof. Fliege-Lauterzwerg zuvor noch in möglichst vielen Talkshows auftaucht. Und dass pro Minute unbedingt mindestens zweimal die Worte ´Missstand´ und ´Reform´ fallen. Die Leute glauben alles, wenn man es ihnen nur immer und immer wieder einhämmert. Und die Fernsehanstalten werden uns dankbar sein, geht es ihnen doch nicht um Wissen und Wahrheit, sondern ausschließlich um Quote und Spektakel."

"Ich habe da nur eine kleine Schwierigkeit, Frau Schnitt, ich kann Herrn Prof. Fliege-Lauterzwerg schon seit Tagen nicht erreichen. Er ist nicht in seinem Büro und auch nicht im Plenarsaal."

"Aber Herr Knirps, Charlie kann doch im Bundestag nichts mehr verdienen. Rufen Sie bei Bettelsmann oder bei den Ruin-Kliniken an, da kassiert er gerade Provisionen, Dividenden und Tantiemen. Und sagen Sie ihm, er soll die von ihm selbst gefälschten Kölner Statistiken zur Talkshow mitbringen."

"Und, Frau Schnitt, wenn das alles nicht reicht?"

"Herr Knirps, wie lange dienen Sie schon unter mir?! Das ist doch ganz einfach. Lancieren Sie einige Berichte über diesen neuesten bayerischen Kunstfehlerskandal an die Presse. Und erwähnen Sie auch nebenbei, dass dieser Dr. Plast sich noch kurz zuvor eine Luxusyacht gekauft hat."

"Nur, Frau Schnitt, Dr. Plast ist kein Hausarzt. Er ist Schönheitschirurg und vorwiegend für die Münchener Schicki-Micki-Szene tätig."

"Aber aber Herr Knirps, ich muß mich doch sehr wundern. Meinen Sie etwa, die Versicherten differenzieren? Arzt ist Arzt!"

"Gut, Frau Schnitt, was machen wir aber nun, wenn sich vereinzelte Hausärzte trotz aller unserer politischen Vorgaben und Verordnungen immer noch aufbäumen und nicht aussterben wollen?

"Herr Knirps, genau die hab ich doch längst auf meiner Rechnung. Schon mal was von Liquidation gehört? Solch renitenten Hausärzten wird wegen des Straftatbestandes ´Widerstand gegen die Staatsgewalt´ die Approbation entzogen."

"Genial, Frau Schnitt. Dann könne wir uns jetzt ja in Ruhe den Hausapotheken zuwenden ...

Dr. med. Franz von Seboca, nach einem Wanzen-Abhörprotokoll aus dem BMG