Beatles - Sgt. Pepper + More
"It was forty-five years ago today...", nämlich im Juni 1967,
als ein absoluter Knaller der Rockgeschichte das Licht der Welt
erblickt:
Das 8. Studio-Album der Beatles "Sgt. Pepper`s Lonely Hearts Club
Band" kommt in die Läden. Schon dieses Cover! Diese Klangwelten!
Diese Texte!
überspringen
Und dieses angestrebte Konzept eines Gesamtkunstwerkes! Das alles war so
noch nie dagewesen.
Sicher ist "Sgt. Pepper" kein Konzeptalbum im heutigen Sinne.
Das "Konzept" bestand vielmehr in dem ironisch gemeinten Joke,
die LP unter der Autorenschaft der fiktiven "Sgt. Pepper`s Lonely
Hearts Club Band" herauszugeben und Anfangssong und Reprise
entsprechend im Militärband-Stil zu zelebrieren. Dazwischen durfte nach
Herzenslust experimentiert werden. Für das Ergebnis und seine Folgen
waren ja nicht die vier Liverpooler, sondern eben jener Sgt. Pepper mit
seiner ulkigen Combo verantwortlich. So das Konstrukt, das aber
vielleicht doch in den Köpfen Freiheiten eröffnete, den in ständiger
Verwandlung befindlichen Beatles-Stil mutig weiterzuentwickeln.
Übrigens hätten die während der Arbeiten an Sgt. Pepper komponierten
Songs für ein Doppelalbum gereicht, der Plattenfirma schien aber diese
finanzielle Herausforderung zu riskant. Heute kaum nachvollziehbar.
Aber ich weiß noch sehr genau, wie lange ich über die Investition von
22,00 DM gegrübelt habe, bevor ich zuschlug. Ob ich 35,00 DM bezahlt
hätte? So wurden Aufnahmen wie "Strawberry Fields Forever",
"Penny Lane", "Only a Northern Song" und "Carnival
of Light” anderweitig verwendet. Gleich auf einmal 2 LPs vorlegen
durften die Beatles erst mit dem "White Album".
Das ironisierende Cover ist eine Real-Kollage, nicht aber eine
Fotomontage. Die gesamte Szenerie wurde im Studio aufgebaut und von
Designer Robert Fraser, Pop-Art-Künstler Peter Blake und Fotograf
Michael Cooper gestaltet.
Wir erkennen über 70 Berühmtheiten, darunter James Dean, Marlene
Dietrich, Bob Dylan, Marilyn Monroe, Carl Gustav Jung, Karlheinz
Stockhausen, Sigmund Freud, Edgar Allan Poe, Karl Marx, Oscar Wilde,
Marlon Brando, Stan Laurel und Oliver Hardy. Zudem indische Gurus und
natürlich die Beatles selbst, einmal verkleidet als Sgt. Pepper`s Hearts
Club Band, einmal als Wachsfiguren aus Madame Tussauds Kabinett. Ein
Denkmal wird auch dem verstorbenen ersten Bassisten der Beatles, Stuart
Sutcliffe gesetzt. Dagegen haben es Adolf Hitler und Jesus Christus
trotz entsprechender Initiativen John Lennons nicht auf das Cover
geschafft. Vielleicht eine weise Entscheidung! Dagegen erscheint es
heute kaum nachvollziehbar, dass Mahatma Gandhi wegen einer Intervention
der Plattenfirma aus dem bereits fertigen Bild wegretuschiert werden
musste. Selbst eine ehrliche Bewunderung konnte damals als Spott
mißverstanden werden. Welch zerrissene Zeiten!
_______________________________________________________________
Warum an dieser Stelle die Wahl auf "Sgt. Pepper" als
wichtigstes Werk der Beatles gefallen ist? Warum nicht
"Revolver", "Rubber Soul" oder das "Weiße
Album"? Oder gar "Help"?
_______________________________________________________________
Aus den Liner-Notes zu Sgt. Peppper
_______________________________________________________________
Muss eine Auswahl nicht immer subjektiv bleiben? Gäbe es nicht diese
Subjektivität, würden keine Listen der "100 besten …" etc.
erstellt werden müssen und es gäbe zudem nicht viele gleichlautende,
aber ganz unterschiedliche Aufstellungen.
Nun, wenn man im Juni 1967 nach 13 Jahren Schule die Penne mit einem
Blatt Papier verlässt, das einem eine gewisse Reife attestiert, trotzdem
(sic!) nur 1 Stunde später die gerade veröffentlichte Beatles-LP
"Sgt. Pepper" kauft und sie dem Dual-Dreher für Tage, Monate, ja
sogar Jahre anvertraut, dann mag das durchaus für eine gewisse
situationsbedingte Subjektivität sprechen. Ich bekenne mich dazu.
Zudem waren wir mitten im "Summer of love, freedom and peace".
Wer konnte sich da der Musik dieser Jahre entziehen!
_______________________________________________________________
Erst Jahrzehnte später wurde mir klar, dass ich Zeitzeuge einer
bedeutungsvollen, über den Augenblick hinaus wirkenden Veröffentlichung
war. Die offizielle Musikkritik muss das aber schon damals erkannt
haben: Bei den Grammy Awards 1968 gewann Sgt. Pepper vier Grammys in den
Kategorien "Bestes Album", " Bestes Cover", "Beste
technische Aufnahme" und "Bestes zeitgenössisches Album".
______________________________________________________________
In der "Beatles-Anthology" führt George Martin aus: "Wenn
man auf Pepper zurückblickt, kann man feststellen, dass es wirklich eine
Ikone war. Es war die Schallplatte jener Zeit, und wahrscheinlich
veränderte sie das Verständnis von Plattenaufnahmen - aber das taten wir
nicht bewußt. Ich glaube, es gab da eine allmähliche Entwicklung durch
die Jungs, als sie versuchten, das Leben auf einer Platte interessanter
zu machen. Sie hatten das Gefühl, ´Wir müssen dafür nicht raus auf die
Bühne, wir können es nur für uns und fürs Studio tun´. So wurde daraus
eine andere Kunstform - mehr wie ein Filmdreh als ein Live-Auftritt. Das
wirkte sich auf ihr Denken und Schreiben aus, und es wirkte sich auch
darauf aus, wie ich arrangierte. Ich glaube, Pepper hat verkörpert, was
die jungen Leute umtrieb, und es schien mit der Revolution im Denken von
jungen Leuten übereinzustimmen".
Die Beatles hatten bereits aufgehört, Konzerte zu geben und hatten sich
ganz auf die Studio-Arbeit konzentriert. Ohnehin hätte man die neuen
Songideen nicht live reproduzieren können. Ihre nicht mehr zu
überbietende Popularität gestattete es den Vieren, nach Herzenslust zu
experimentieren. Und sie haben an "Sgt. Pepper" viele Monate
lang experimentiert. Das war keine Laune, das war Kalkül und harte
Arbeit über fast ein halbes Jahr. Man spricht von 700 Stunden reiner
Studioarbeit. Nichts war mehr heilig, alles durfte verändert, in Frage
gestellt werden. Und das in noch größerem Ausmaß, als es schon auf
"Rubber Soul" und "Revolver" geschehen war. Es sollte
ein neuer Sound gefunden werden, und er wurde gefunden. Der Beitrag von
Producer Georg Martin darf dabei nicht unterschätzt werden, auch seine
Gelassenheit, die Beatles einfach "machen" zu lassen. Das war
nur möglich durch ein über Jahre aufgebautes "Vertrauen gegen
Vertrauen".
_____________________________________________
Die Beatles haben vieles verändert. Die LPs wurden wichtiger als die
Singles, da der Reichtum an Songjuwelen nur noch auf Longplayern Platz
finden konnte. Pop-Rock-Musik wurde zeitlos und damit auf einen Stand
gehoben, der mit Jazz und Klassischer Musik auf Augenhöhe konkurrierte.
_____________________________________________
Aus den Liner-Notes zu Sgt. Peppper
Musikalisch zeigt das Album eine enorme Erfindungskraft, unterstützt
durch verfremdende Studiotechniken und ungewöhnliche Instrumente
(Lowrey-Orgel, Harpsichord, Harmonium, Glockenspiel, Mellotron,
Tambura). Das war 1967 noch etwas ganz und gar ungewöhnliches, wenn auch
der Startschuss für "psychedelische" Musik bereits gefallen war.
"Pet Sounds" der Beach Boys (1966) hatte die Beatles inspiriert
und umgekehrt hatte Sgt. Pepper Einflüsse auf Brian Wilson, aber auch
Jimmy Hendrix und viele andere Musiker. Und noch heute wirkt die Musik
frisch und zeitgemäß, ein Resultat guter und eben zeitloser Musik!
_______________________________________________________________
Die Texte erhielten zunehmend Bedeutung und waren erstmals auf dem Cover
abgedruckt. Und sie sorgten für Aufregung!
"A Day In The Life" wurde lange von der BBC nicht gesendet, da
es als Aufruf zum Drogenkonsum verstanden hätte werden können. Auch
"Lucy in the Sky of Diamonds" wurde auf den Index gesetzt. Der
Titel wurde verdächtigt, eine Codebezeichnung für "LSD" zu sein.
Die Beatles haben das immer vehement (und glaubhaft!) zurückgewiesen.
Erfahrung mit Drogen mögen sie gehabt haben, verfallen waren sie ihnen
nie
Ist Sgt. Pepper "Psychedelische Musik"? Wohl eher nicht,
gemessen an den nachfolgenden LSD-schwangeren Alben anderer Gruppen.
Aber Songs wie "Lucy in the Sky with Diamonds”, "Within You
Without You” und "A Day in the Life” zielen ganz offenkundig in
diese Richtung.
Soll man einzelne Songs des Albums gesondert herausstellen? Wenn
überhaupt, dann vielleicht "A Day in the Life”. Denn auch die
Beatles haben diesem Song einen besonderen Stellenwert zugemessen, indem
sie ihn als letzten Titel erst nach Ende der Titelmelodie-Reprise
bringen. Eine echte gesanglich-textliche Lennon-McCartney-Kooperation
mit scharfem, den Zeitgeist geißelnden Text. Für viele das absolute
Highlight des Albums.
Aber auch "Within You Without You" hat seinerzeit Aufsehen
erregt. Es war so etwas wie eine erste Verbindung zwischen westlicher
und östlicher Musik, geprägt durch Harrisons Sitar und andere
traditionell indische Instrumente (Tabla, Dilruba, Swarmandel,
Tambura).
Vielleicht mag es musikalisch "bessere" Beatles-Alben geben,
aber - im historischen Zusammenhang gesehen - wichtigere
Veröffentlichungen als "Sgt. Pepper" gibt es wohl kaum.
"Sgt. Pepper" war das letzte Album der Beatles, das aus der
Kraft einer homogen funktionierenden Band heraus entstand. "Magical
Mystery Tour" und "Yellow Submarine" waren irgendwie
Spielereien ohne feste Zielsetzung und das "Weiße Album”, "Let
It Be” und "Abbey Road” waren mehr Solotracks einzelner
Bandmitglieder mit arrangierter Begleitung durch die übrigen. Dabei ist
immer noch, oder vielleicht gerade deshalb eine mehr als überragende
Musik entstanden, auch durch die natürlich weiterhin bestehenden und
immens wichtigen wechselseitigen Einflüsse Lennons und McCartneys. Aber
die Kraft, Geschlossenheit und unbändige Spielfreude des Sgt.
Pepper-Albums wurden nicht mehr erreicht.
________________________________________________________________
Titel
- Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band
- With a Little Help from My Friends
- Lucy in the Sky with Diamonds
- Getting Better
- Fixing a Hole
- She’s Leaving Home
- Being for the Benefit of Mr. Kite!
- Within You Without You
- When I’m Sixty-Four
- Lovely Rita
- Good Morning Good Morning
- Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band (Reprise)
- A Day in the Life
________________________________________________________________
PS: Meine Anspieltipps sind die Nummern 3, 6, 7, 8, 10 und 13.
________________________________________________________________
Wollen Sie tiefer in das Werk der Beatles einsteigen, so empfehle ich
Ihnen nach "Sgt. Pepper" folgende vier Platten:
_______________________________________________________________
Wenn Sie ein ganzes Bündel zauberhafter Rocksongs hören wollen, besorgen
Sie sich Help! aus dem Jahre 1965. Sie werden verstehen, warum
Leonard Bernstein die Beatles als die "größten Liedermacher nach
Schubert" bezeichnet hat. Zu dieser Platte gibt es nicht etwa ein
Video, nein, einen ganzen abendfüllenden Kinofilm.
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
"Rubber Soul" und "Revolver" aus 1965 und
1966 waren die vielleicht größten Schritte der Beatles hin auf ein
innovatives Songwriting. George und Ringo meinen in der
Beatles-Anthology, sie sähen keinen großen Unterschied zwischen beiden
Alben. Das empfinde ich ähnlich. Nur das Revolver-Cover (von Klaus
Voormann) war wieder eine gesamtkünstlerischer Schritt nach vorn. Mit
diesen beiden Produktionen verlassen die Beatles den Rock-Mainstream und
mausern sich zu einer stilbildenden und in die Zukunft weisenden Band.
_______________________________________________________________
Das legendäre "Weiße Album" ist für Viele
das Beatles-Album schlechthin und zudem das
größte Rock-Album aller Zeiten. Sie würden es mit auf die "einsame
Insel" nehmen. Was soll man dagegen sagen! Die "Fab Four"
kommen 1968 aus Indien mit einem prallen Bündel von mehr als dreissig
Songs zurück.
_______________________________________________________________
Paul hatte 10-12, George hatte 6, John hatte 15 und Ringo hatte mit
"Octopus`s Garden" seinen ersten kompositorischen Beitrag im
Gepäck. Die Flut der Erfindungen war dermaßen groß, dass in drei Studios
gleichzeitig produziert werden musste. Und natürlich passte selbst nach
George Martins kritischer Auswahl die künstlerische Essenz nicht auf
eine einzige LP. Das "Weiße Album" - kurz "The Beatles"
tituliert - wurde also ein Doppelalbum. Und selbst bei den Remasterings
aus 2009 mußten 2 CDs her.
Mit seinen so zahlreichen und unterschiedlichen Songminiaturen sicher
eines der allergrößten Alben der Rockgeschichte überhaupt, aber auch ein
beredetes Zeugnis des Zerfalls der Beatles als Band. Und damit sind wir
wieder am Anfang, nämlich bei der absolut subjektiven Betrachtungsweise
des die Beatles liebenden Rezensenten ...
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
Viele Beatles-Songs gab es "nur" als Single. Das waren natürlich
nicht gerade die schlechtesten Titel. Die sogenannten "Past
Masters Vol 1 und Vol 2" umfassen dieses Oeuvre und sind somit
für den Beatles-Freund unverzichtbar.
Hier finden Sie Songs wie "She Loves You", "I Feel
Fine", "She`s A Woman", "I`m Down", "Day
Tripper", "We Can Work It Out", "Paperback Writer",
"Rain", "Lady Madonna", und "Hey Jude",
_______________________________________________________________
Wer sich gar alle Beatles-CDs zulegen möchte, hat die Wahl
zwischen zwei vom gleichen Team langwierig remasterten Serien: Es gibt
eine Mono-Box und eine Stereo-Box. Das ist m.E. absolut Sache des
eigenen Geschmacks, welche Version einem besser gefällt. Da sollte man
vor dem Kauf unbedingt mal reinhören.
_______________________________________________________________
Bildnachweis dieser Seite:
Originalcover der zitierten CDs
2 Fotos aus den Original-Linernotes zu Sgt. Pepper