Inga Bachmann - Das Aber der Dinge

Inga Bachmann - Das Aber der Dinge

In meinen Händen halte ich die neue CD von Inga Bachmann. Auf dem Cover die Künstlerin im grünen Sommerkleid - eine Trittleiter geschultert - weit ausschreitend über frühherbstlich gefärbte Felder und Flure. "Interessant", denke ich, "was aber hat sie wohl vor"? Ich vermute, sie wird es mir gleich selbst singend sagen - und auch, was es mit dem etwas kryptischen Albumtitel "Das Aber der Dinge" auf sich hat.

Klingt das etwa nach einer verschlüsselten Botschaft, einer differenzierten Betrachtungsweise, einer eigenen Meinung, nach Selbstbestimmung oder gar Widerspruch? Gibt`s das alles denn heute überhaupt noch? Aber hören wir doch einfach mal rein in das Album, um die aufkommende Neugier zu stillen.

Sie wollen für Inga Bachmann`s Musik schon vorab eine Schublade? Tut mir leid, damit kann ich Ihnen auch nach mehrfacher Auseinandersetzung mit den 15 Titeln nicht dienen. Aber einige Hinweise will ich doch geben:

Mein strikte Zuordnungen liebendes Alter Ego meint, das wäre doch wohl klar, die Bachmann sei eine Liedermacherin, neudeutsch auch Songwriterin genannt. Gut, mit dieser Einordnung wäre man sicher nah` dran an der Essenz des Werkes, schließlich handelt es sich ja um vertonte deutschsprachige Texte.

Aber (!) so einfach lässt sich das dargebotene Genre nicht wirklich beschreiben, höre ich doch auch Chansonartiges durchklingen, erinnern mich manche Stücke gar an politische Lieder, wie sie "gestern" von Kabarettisten auf Kleinkunstbühnen gesungen wurden und an "vorgestrige" Moritaten im Stile eines Kurt Weill. Und wenn ich mich nicht sehr irre, so lässt aus der Ferne auch unser großer Liedermacher-Ur- und Über-Vater Reinhard Mey grüßen, was mir das Album nur noch mehr ans Herz wachsen lässt.

Oft geht es in den Liedern um Gefühle, heute weniger gefühlsduselig Emotionen genannt, etwa Liebe, Sehnsucht, Enttäuschung und Angst. Nie aber geht es um Missgunst, Neid, Zorn, Wut oder ähnlich destruktive Ausbrüche. Nein, Inga Bachmann`s Lieder sind voller leiser Lyrik, sie zwingen den Hörer so zu eigenständiger Reflexion.

Und immer höre ich zwischen den Zeilen das "aber", das "aber warum denn?", das "aber trotzdem". Oft schwingen eine Portion Ironie ("Eigentlich") und Selbstironie ("Supergut") mit, auch Schalk ("Der Laubbläser"), humorvoll Skurriles ("Sand aus der Sahara"), Selbstkritisches ("Irgendwann") und Wortwitz ("Zeitenzirkel"). Gesellschaftskritisches ("Der Kapitän", "Feindbild") kommt mit einer wohltuenden Andeutung von entlarvendem Spott ohne moralisierend-erhobenen Zeigefinger daher.

Die Liebeslieder ("Deine Farben", "Wenn Du lachst", "Da sein", "Alles mit Dir", "Wo immer") fesseln auf eine ganz eigene, eher etwas distanzierende und überhaupt nicht althergebrachte Art. Selbstredend gibt`s nirgends ein happy end, doch auch keine Bitternis. Dafür schwebt über Text und Melodie ein Hauch von Melancholie, was aber vielleicht nur subtil empfindende Menschen so spüren werden.

Neben den nachdenklich machenden Texten sind es die auf das besungene Thema fein abgestimmten Melodien, Harmonien und Rhythmen, die das Album abrunden. Die Lieder sind meist sparsam instrumentiert und stellen damit Texte und Inga Bachmann`s klare Stimme in den Vordergrund.

Nachfolgend zwei beispielhafte Verse aus den besonders berührenden Liebesliedern "Deine Farben" und "Wo immer":

Und was geht, kommt nie wieder,
es wird nur immer wieder neu.
Und wenn wir uns trennen, sagst du
sind wir genauso frei.

Haben wir doch beide gewusst,
dass es nicht bleibt, wie es ist.
Und dass nicht zählt, was du fühlst,
wenn du nicht lebst, wer du bist.

Doch was ist mit der Leiter, die auf dem Cover und immer wieder im Booklet auftaucht? Nur ein fotografisches Requisit? Oder versteckt sich hinter dem Ding ein verschlüsseltes "aber"?

Nun, wozu dient denn eine Leiter? Klar, sie schafft Zugang zu Zielen, die sonst unerreichbar wären. Man kommt mit ihr zum Beispiel heraus aus einem sich vielleicht sogar selbst eingebrocktem oder - fataler noch - nur eingebildetem Gefängnis und auch über manch andere den Blick und den Weg versperrende Wand. Letzterer Begriff - als Metapher für eine schmerzhaft empfundene Ein- und/oder Ausgrenzung - kommt bezeichnenderweise gleich in 4 der 15 Liedtexte vor. Das kann kein Zufall sein.

Warum nur entstehen in meinem Kopf Assoziationen an Marlen Haushofer`s Roman "Die Wand"!?

Eine Liederleiter zu innerer Befreiung, zur Überwindung der Wand, zur Erklimmung der nächsthöheren Stufe? Lieder als Mittel einer Katharsis? Ja vielleicht, aber (!) ich kann mich auch irren. Klettern Sie besser selbst die Sprossen hinauf und urteilen Sie anschließend völlig unvoreingenommen.

Anmerkungen:
Inga Bachmann`s Album "Das Aber der Dinge" wurde am 1.4.2020 als CD verröffentlicht.
Label "QuiXote Music (QXT 78), EAN/LC: 0194660909541 /LC 03166.
Kontakt: info@ingabachmann.de