Horst Jankowski-Quartett: Swinging Explosion

Horst-Jankowski

1971 hat Horst Jankowski mit drei hochrangigen Jazz-Kollegen im MPS-Studio Villingen (oder war es doch in Brunner-Schwers Wohnzimmer?) eine tolle Swing-Platte eingespielt. Das Werk blieb bisher unveröffentlicht. Was nicht an der künstlerischen oder aufnahmetechnischen Qualität gelegen haben kann, denn die ist jeweils überragend.
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Jetzt hat man die Aufnahmen bei der Sichtung des Archives von Hans Georg Brunner-Schwer wiederentdeckt und auf LP gebannt. Man muss Mathias Brunner-Schwer als Produzenten und Friedhelm Schulz als Co-Produzenten dafür Dank sagen, diese ganz exzellente Musik ausgegraben und veröffentlicht zu haben. Der Titel "Swinging Explosion" ist keine Übertreibung, Horst Jankowski (p), Sigi Schwab (git), J.A. Rettenbacher (b) und Lala Kovacev (dr) jammen dynamitgeladen.

Hier eine Titelübersicht:

  • Walking Lines (Jankowski) 3:57
  • Groove Explosion (Jankowski) 7:33
  • Daybreak (Jankowski) 4:56
  • Honeysuckle Rose (Razaf/Waller) 5:35
  • Sleeping Princess (Jankowski) 5:19
  • Balkan Fever (Jankowski) 6:22
  • How High the Moon (W.M.Lewis) 5:55
  • A Gentle Goodbye (Jankowski) 5:37

Man hat Jankowski immer wieder vorgeworfen, zu sehr auf den Publikumsgeschmack zu schielen und "Easy Listening Music" zu machen, die "Schwarzwaldfahrt" gilt als solch ein Beispiel. Er konnte aber auch anders, und das ist nun auf dieser LP für alle Ewigkeit festgehalten. Die Titel sind swingbetont, enthalten aber auch fetzig jazzende Rock-, Latin- und Funk-Anklänge. Es ist eine Freude, zu hören, wie dieses Quartett bei der nächtlichen House-Session gemeinsam improvisiert hat. Der legendäre, leider längst verstorbene Klangmeister Hans Georg Brunner-Schwer hatte wieder einmal ganze Arbeit geleistet und auch das jetzt erst erfolgte analoge Mastering ist glänzend gelungen. Ein audiophiles Vergnügen! Das aber vorerst nur für Besitzer eines Plattenspielers, denn das gute Stück ist zumindest derzeit nicht als CD erhältlich. Allerdings können Sie sich einzelne Titel oder die Gesamtaufnahme als M4a bei iTunes oder MP3 bei Amazon downloaden.

Im Alter von nur 62 Jahren ist Horst Jankowski 1998 an Krebs gestorben. 2011 wäre er 75 Jahre alt geworden. "Posthum" wird nun auch uns "Nachgeborenen" deutlich, welch brillanter Tasten-Virtuose und Piano-Jazzer Jankowski war. Ein wichtiger Beitrag zu seiner Diskographie, hat er doch neben seinen populären, auf den Publikumsgeschmack fokussierten Produktionen nicht viele Platten eingespielt, die der hier vorgelegten LP gleichkommen. Noch 40 Jahre nach der Einspielung klingt das Quartett frisch und modern, was aber wohl Zeichen und Geheimnis jeder zeitlosen Musik ist.

Herrlich, wie sich beim Opener "Walking Lines" aus den bedächtigen Anfangstönen die swingend-perlenden Piano-Läufe und die wuchtigen Dissonanz-Akkorde entwickeln und ein Sigi Schwab-Solo umschließen. Das aber ist nur der Anfang, schon beim nachfolgenden "Groove Explosion" nimmt das Quartett bluesig-groovend Fahrt auf und gibt Jankowski und Schwab breiten Raum für Solo- und Duo-Improvisationen. "Daybreak" ist ein getragener Swing mit gleichberechtigt improvisierender Gitarre, der den Hörer zum Mitschwingen zwingt. Der Klassiker "Honeysuckle Rose" klingt unter Jankowskis Händen so, als sei er erst gestern geschrieben und arrangiert worden, eine der lebendigsten Interpretationen, die ich jemals gehört habe. Um den druckvollen Sound noch zu verstärken zupft Rettenbacher hier den E-Bass.

Die "Sleeping Princess" erinnert in ihrem melodiösen Wohlklang an die Schwarzwaldfahrt, Sigi Schwab greift zum Akustikinstrument. Aber gleich darauf läßt "Balkan Fever" mit verzerrter Gitarre und hämmernden Piano-Stakkatos die Temperatur wieder steigen, passen Sie auf, dass es Sie nicht vom Sitz reißt. "How High The Moon" führt eindringlich in das Thema ein, entwickelt sich dann aber zu einem rasanten Groove mit südamerikanischen Anklängen. Die LP nimmt mit "A Gentle Goodbye" einen besinnlichen Ausklang, ein Stück zur "Guten Nacht", bei dem Sie schon einmal die Lichter löschen sollten…

Hier Ausschnitte aus dem Text auf der Pattenhülle:

Horst Jankowski - 1936 geboren - ist etwas in Vergessenheit geraten. Dabei war der umtriebige Berliner einer der prägenden Akteure in den Anfangsjahren der deutschen Fernsehunterhaltung - ein Ausnahmemusiker mit schier rastloser Schaffenskraft, der komponierte, arrangierte, produzierte, dirigierte, immer wieder Neues ausprobierte, sich aber nie in eine musikalische Schiene pressen ließ.

Jankowski lernte Klavier, Trompete und Horn. Das Riesentalent hatte mit 15 ein erstes Sextett und arbeitete schnell mit Größen, wie Catherina Valente, Oscar Peterson, Erwin Lehn, Ella Fitzgerald - und vielen anderen. Film, Fernsehen, Schallplatte waren sein Metier.

Der agile Pianist wurde in den 1950er Jahren vom legendären Tonmeister Hans Georg Brunner-Schwer in den Schwarzwald eingeladen, wo er zahlreiche Hauskonzerte spielte, bevor Oscar Peterson damit bekannt wurde. Horst Jankowski, dem Jazzpuristen nachgetragen haben, sein Talent zu arg in kommerzielle Projekte zu stecken, war ein phantastischer Pianist. Und die vorliegende Session aus dem Archiv Brunner-Schwer zeigt den unbändigen Swing, den er mit dem wegweisenden Gitarristen Sigi Schwab, dem versierten Bassisten Hans Rettenbacher und temperamentvollen Drummer Lala Kovacev in einer nächtlichen Aufnahmesession mit viel Spaß und Spielfreude auf erstklassigem Niveau auf einem Band verewigten. Atemberaubend und innovativ, was Jankowski und seine Mitstreiter da eingespielt haben.

Diese Aufnahme entstand 1971 und war vorgesehen für eine Veröffentlichung beim damals führenden Jazzlabel MPS, sogar die Katalog-Nummer stand schon fest: 15310. Warum aus dem fertigen Band keine LP wurde, ist nicht mehr nachzuvollziehen, da die meisten Akteure nicht mehr leben. Bei der Sichtung des Archivs Brunner-Schwer wurde dieser musikalische Schatz entdeckt. Höchste Zeit, sich zum 75sten Geburtstag von Horst Jankowski an den großen Pianisten und Jazzmusiker zu erinnern".

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