Eric Bibb + Habib Koité - Brothers in Bamako

Bibb Brothers in Bamako

Definitiv meine "Platte des Jahres 2012"! Ich liebe Eric Bibb`s Konzert "Live à Fip" und viele seiner Studioalben. Aber diese CD schlägt alles bisher dagewesene. Bibb besucht Koité in Bamako, der Hauptstadt Malis. Beide nehmen sich ein akustisches Saiteninstrument und singen den Blues und afrikanische Weisen.
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Etwas Percussion des Koité-Vertrauten Mamadou Kone. Dazu auf einem Track ("L.A") stimmige "backing vocals". Dann beim umwerfenden Dylan-Song "Blowing in the wind" zusätzlich zum ostinaten Koité-Banjo eine Pedal Steel Guitar, das ist alles. Und mehr hätte es auch gar nicht sein dürfen.

Nun werden Sie vielleicht denken: O.k., der Bibb und der Koité schwimmen halt mit auf dieser "World-Music-Welle". Wenn Sie aber die CD gehört haben, wissen Sie, dass es Bibb ganz offenbar ein "Herzensbedürfnis" war, an den Ort seiner Vorfahren zurückzukehren, vielleicht im Sinne einer Suche nach den eigenen Wurzeln. Und Koité ist ohnehin als ein Mensch und Musiker bekannt, der sich nicht beugen oder vermarkten lässt. Bibb und Koité haben übrigens schon 1999 einmal zusammen gearbeitet, und zwar bei der Erstellung der Kompilation "Mali to Memphis: An African-American Odyssey". Die Kollaboration kommt also nicht ganz von ungefähr.

Die Musik entzieht sich jeder Katalogisierung, sie ist zeitlos schön und ergreifend. Ist das nun Blues, Gospel, Folk, oder World Music? Egal! Beide Musiker bringen ihren jeweiligen musikalischen Background ein und harmonieren in fast überirdischer Weise. Hier verschmelzen zumindest musikalisch die Wiege der Menschheit mit dem nach eigenem Bekunden fortschrittlichsten Land dieser Erde. Leider hat der "melting pot" USA als Ganzes diesen Prozess sozial, politisch und kulturell noch lange nicht umgesetzt. Aber diese ganz schlichten, einfachen Lieder auf "Brothers in Bamako" können einen Beitrag dazu leisten.

Hier die Liste der Songs, meine Anspieltipps sind fett unterlegt:

01 On my way to bamako
02 L.A.
03 Touma ni keelen/needed time
04 Tombouctou
05 We don't care
06 Send us brighter days
07 Nanile
08 Khafole
09 With my maker I am one
10 Foro bana
11 Mami wata
12 Blowin' in the wind
13 Goin down the road feelin' bad

Mali ist aus europäischer Sicht erst in letzter Zeit in den Focus geraten, seit nämlich der Norden von Islamistischen Banden beherrscht wird, seit 2013 französische Truppen angelandet worden sind und seit Guido Westerwelle 2012 Bamako besucht hat. Es sieht nicht gut aus in und um Mali. Wie der in Westafrika sehr bekannte Habib Koité dennoch dort leben (er müsste das ja nicht!) und solch wunderbare Musik machen kann, bleibt sein Geheimnis.
Die Songs werden zurückgenommen, nur vordergründig leicht, dabei aber eindringlich und seelenvoll dargeboten. Das Mitlesen der Texte lohnt sich. Und wenn Koité in seiner Landessprache singt, versteht man die Worte ohnehin mit dem Herzen. Z. B. ist "Tombouctou" eine ergreifend Liebeserklärung Koités an Timbuktu, das heute in der Hand der Freischärler ist.

Im Opener "On my way to Bamako" berichtet Eric Bibb von seinen Beweggründen, seinen "Bruder" in Mali aufzusuchen: "It’s my first visit to West Africa, but I’m pretty sure it’s gonna feel like comin’ home". Man nimmt ihm das ab, ohne an Kommerz und schnulzige Sentimentalität zu denken. Es ist ohnehin nicht zu befürchten, dass diese CD ein größeres Publikum anziehen könnte. Umgekehrt erzählt Habib Koité in "L.A." von seinen Eindrücken eines Besuches in Kalifornien. Der letzte Track "Goin’ down the road feelin’ bad" ist ein traditioneller Bluessong und schließt den zauberhaften Kreis.

Schön, dieser Verschmelzung der Stimmen, der Gitarren und der Sprachen beiwohnen zu dürfen. Koité und Bibb spielen verschiedene Gitarren, Banjo (Khafole) und Ukulele. Hier singen und spielen zwei Seelenverwandte und erzeugen berührende Echos in uns, vor allem, wenn wir ähnlich gestrickt sind. Schade, dass die Deutschlandtournee der beiden nur so wenige Orte gestreift hat. Diese beiden Musiker in einem kleinen Saal zu hören, ich hätte viel darum gegeben.

Wenn Bibb sein bekanntes Lied "Needed time” anstimmt und Koité in französisch und später afrikanisch einfällt, entwickeln sich einzigartige spirituelle, mindestens aber traumhafte Momente. Halten Sie ein Taschentuch bereit. Hier sprechen zwei Musiker unterschiedliche Landessprachen, aber ihre musikalische Sprache ist gleich. Universelle spirituelle Momente kommen auch auf in "With my maker I am one".

Wenn Sie Dylans "Blowing in the wind" nicht mehr "an den Ohren" haben können, hier werden Sie eines Besseren belehrt. So haben Sie diesen leisen, aber eindringlichen Protestsong sicher noch nie gehört. Das ist auch der Ductus der anderen sozialkritischen Lieder, wenig aufgetragen, ruhig, subtil, aber eingängig und wie ein Depotgift kaum wieder aus dem Zentralnervensystems zu eliminieren. Bibb und Koité sind aber keineswegs Protestsänger, es bewegt sie die Freude am gemeinsamen Musizieren; hören Sie nur hinein in "Send us brighter days".

Zuletzt: Wenn Sie eine gute Anlage besitzen, so eignet sich diese absolut audiophile CD sehr gut, um Ihre Besucher und Musikfreunde neidisch zu machen.

Und zu allerletzt: Warum gibt es nicht mehr von solch absolut zeitlos-schöner Musik ...?