Die "Neue Norah Jones" - The Fall
Nun ist es keineswegs so, dass Norah Jones auf ihrem vierten Studioalbum
gar nicht mehr wieder zu erkennen wäre. Aber die CD unterscheidet sich
klar von den drei Vorgängern. Das liegt zunächst vordergründig am Klang.
Kein perlendes Klavier, sondern tiefe Drums, Orgel, Bass-Gitarren und
synthieartige Keyboards prägen den Sound.
überspringen
Der Mann am Mischpult hat nicht nur den Instrumenten ein leicht
elektronisch anmutendes Flair und eine Portion Hall verschafft, auch
Norahs Stimme wird entsprechend moduliert, wenn auch nur sehr dezent.
Jedenfalls ist das nicht mehr die Norah mit den Songjuwelen von
"Come away With Me" ("Lonestar" und
"Nightingale"), von "Feels Like Home"
("Sunrise") oder von "Not Too Late" ("The Sun
Doesn`t Like you"). Wenn man mit 3 Produktionen 35 Millionen CDs
verkauft hat, muss danach wohl etwas Frisches her. Da reicht auch
"Here we Go Again" (das Projekt mit Willie Nelson) oder "New
York City” (mit der Peter Malick Group) nicht und die beiden Country-CDs
mit den "Little Willies” (incl. Hit "Roll on") dienten
Norah wohl nur zur relaxenden Kompensation, nach dem Motto "Just for
fun". Auch die Punkband "El Madmo” konnte der mittlerweile
gereiften Sängerin nicht den Weg in die Zukunft aufzeigen.
Also bleibt nur, die Richtung zu ändern: neue Band aus bekannten
Session-Musikern, neuer rauer und erdig-bassgewaltiger Sound, neue
Song-Mitautoren und neuer Produzent (Jacquire King). Das Ergebnis sind
13 wunderschöne, langsame, unaufgeregte und getragene Songs, in die man
sich vertiefen muss, um sie wirklich genießen zu können.
Radiotauglich sind sie wohl eher nicht, sie bleiben auch nicht unbedingt
im Ohr und lassen sich nicht einfach nachsingen. Aber sie haben einen
hohen Wiedererkennungswert, da sie absolut unverwechselbar klingen. Und
das, obwohl kein einziger richtiger "Gassenhauer" dabei ist.
Die Umorientierung resultiert vielleicht auch aus der kreativen Spanung
nach dem Ende der Partnerschaft mit dem Bassisten Lee Alexander. So
spiegelt sich eine neue Nachdenklichkeit nicht zuletzt in den Texten
("Back to Manhattan", "I Wouldn’t Need You”,
"Stuck", "Young Blood", "December"). Der
"Man of The Hour" hat übrigens 4 Beine und meldet sich ganz zum
Schluss selbst.
Hier eine schöne Textzeile:
"We're light as a feather
Heavy as the weather
If it was raining stone."
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Soll man sich fragen, in welche Schublade die "Neue Norah Jones"
gehört? Ich selbst frage mich nicht. Hatte ich doch schon vor 10 Jahren
nicht verstanden, dass die Vorgänger-Alben in den Plattenläden unter
"Jazz" standen. Und genau so wenig wie mit Jazz hat "The
Fall” etwas gemein mit "Easy Listening” oder "Country”. Am
ehesten ist es vielleicht ein modernes, rhythmisch geprägtes
Pop-Rockalbum mit einem guten Schuss Soul, vorgetragen mit einer schon
von Natur aus jazzigen Stimme. Geeignet zum intensiven Hören genauso wie
als eine gewisse Stimmung erzeugende Background-Musik.
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Norah Jones hat es sich verdient, experimentieren zu dürfen. Was kann
sie noch verlieren! Nach meiner Meinung ist das Experiment geglückt. Und
es wird wohl nicht die einzige Korrektur auf dem musikalischen Lebensweg
bleiben.
Wenn "The Fall" wörtlich übersetzt wirklich meint, was man
vordergründig darunter versteht, dann ist Norah Jones nach oben gefallen
und sicher und fest aufgefangen worden.
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Die Folge-CD "Little Broken Hearts" klingt wie eine Fortsetzung
von "The Fall". Der Stil wird nur leicht variiert, es kommen
einige neue, auch hellere Klangfarben hinzu, dafür erscheint die Stimme
natürlicher. Die groovende Bassbetonung und das ausgesprochen
rhythmische Fundament bleiben.
Einige Songs klingen - trotz neuem Produzenten - als seien sie Outtakes
aus "The Fall": "She`s 22", "Happy Pills" und
"All A Dream".
Insgesamt wirkt das Album allerdings etwas "poppiger" als sein
Vorgänger und zeigt zusätzlich einige weitere melodiös-entspannte
Facetten der gereiften Sängerin. In seiner Stilpalette ist es etwas
breiter gefächert und erscheint stimmungsmäßig etwas weniger düster.
Völlig neue Seiten werden aber nicht aufgeschlagen.
Für mich gehören "The Fall" und "Little Broken Hearts"
zusammen, so wie die ersten 3 Soloalben zusammengehören. Die Krone
gebührt aber eindeutig "The Fall".
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zur nächsten Besprechung
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