David Munyon - Clark
Seit 50 Jahren steht dieser begnadete kalifornische Singer/Songwriter
auf der Bühne - und ist irgendwie trotz alledem noch immer ein
Geheimtipp.
Der erfrischenden 1967er Protestbewegung und der damaligen bunten
Hippie-Kultur entstammend hat er sich weiterentwickelt und bislang um
die 20 Alben aufgenommen. Frieden und Freiheit aber (jeweils auch von
innen kommend!) bleiben bis heute seine Hauptthemen.
Nach den beiden 2013er Alben "Waterside" (Mobile Home Records)
und "Purple Cadillacs" (Stockfisch) wartet die Fangemeinde nun
schon etwas länger auf ein neues Werk.
Wer David, diesen großartigen Musiker einmal im Konzert erlebt hat,
wünscht sich ziemlich sicher ein Solo-Album, das genau so klingt, wie
wir alle ihn live auf der Bühne hören und lieben. Bitteschön, hier ist
dieses Album: "Clark".
David Munyon geht regelmäßig auf Deutschland-Tour, organisiert von
seinem unermüdlichen Intimus Sebastian Linke. Das mag neben
Veröffentlichungen auf dem Gitarren-Edellabel "Stockfisch" einer
der Gründe sein, warum er bei uns womöglich bekannter ist als in seiner
amerikanischen Heimat.
Munyon und seine Musik mit Worten zu beschreiben, ohne ihn dabei zu
hören, ist kaum möglich. Ich versuche es dennoch. Munyon ist tief
ethisch/spirituell verwurzelt, ohne Missionar, Eiferer oder gar
Dogmatiker zu sein. Daraus resultieren grundehrliche Lyrics zu den
politischen und gesellschaftlichen Ereignissen der letzten Jahre und
Jahrzehnte. Die Texte sind dabei nie abgedroschen, phrasenhaft oder
anklagend, sondern inspirierend bildhaft - und immer vom tiefen Wissen
um Gut und Böse geprägt.
Zeichnung von David Munyon aus dem Booklet von "Clark"
Munyons Stimme erzeugt Gänsehaut. Sie ist in den vergangenen Jahrzehnten
tiefer geworden, rauer, dabei sonorer und wärmer. Seine Texte sind ihm
zu wichtig, als dass er sie "vernuscheln" würde, wie oftmals Bob
Dylan (Bobby, verzeih mir!). Nein, da fällt keine Silbe, kein Konsonant
unter den Tisch. Auf "Clark" singt David voller Kraft, er
scheint heute mit sich absolut im Reinen zu sein, was über die
Jahrzehnte nicht immer so war.
Dazu kommt Davids exzellente Gitarrenarbeit, mal schlägt er die Gitarre
perkussiv, mal zupft er sie in verschiedenen Fingerstyle-Techniken. Die
Melodien, die Harmonien und die Rhythmen eröffnen über den Texten einen
komplexen Klangkosmos, alles zusammengenommen ein musikalisches
Gesamtkunstwerk in würdiger Nachfolge eines Woody Guthrie, des frühen
Dylan oder eines Pete Seeger. Lehnen Sie sich zurück und lassen Sie die
hochemotionale Stimmung der 10 Songs auf sich wirken.
Clark - Backcover des Booklets
Sicher werden Sie dabei im exzellenten Booklet mit den Lyrics blättern.
Und sich vielleicht wie ich an der einen oder anderen Interpretation
versuchen. Manche Texte aber müssen wohl im Mystischen bleiben, wecken
zwar Assoziationen und befördern subjektive Gefühle, wollen aber
vielleicht gar nicht endgültig gedeutet oder gar entschlüsselt werden.
Andere Texte sind einfacher, sie beziehen sich auf auch von uns erlebte
zeitgeschichtliche Ereignisse. So thematisiert der aus 1992 stammende
Opener "Leaving Moscow in a Stolen Car" die Perestroika und das,
was davon (vor allem nach Jelzin) überblieb. Das aus 1998 stammende
Schlussstück "They're freeing Mandela this Morning" hat den
großen Pazifisten und die für Südafrika glücklichen Folgen seiner
Freilassung im Blick (etwa die Beendigung des vor allem die kleinen
Leute treffenden Welt-Wirtschaftsboykotts), huldigt aber nicht zuletzt
auch John und Robert Kennedy sowie Martin Luther King. Durften doch
unglücklicherweise gerade diese großen Visionäre das Wahrwerden mancher
ihrer Träume nicht mehr erleben. Aber nun lachen sie zusammen mit der
Friedenstaube vom Himmel herab, ist doch der Hass überwunden.
Song 10 aus Clark: They`re freeing Mandela This Morning
Es ist sicher kein Zufall, dass David Munyon die beiden in den 90er
Jahren des letzten Jahrhunderts geschriebenen Titel (erst) heute
veröffentlicht. Zwei diesbezügliche Schlüsselworte könnten
"Putin" und "Trump" lauten. Stellen Sie sich einmal vor
(nein bitte, tun Sie es lieber nicht), diese beiden Figuren könnten
demnächst aufeinandertreffen.
David Munyon bei einem Hauskonzert in Schöppingen
Sie sind gar nicht politisch oder gesellschaftlich interessiert? David
wird Sie dennoch begeistern. Hören Sie den Song "California
Dreams", der ziemlich sicher autobiografische Züge trägt, aber
genauso sicher jedem von uns (auch nicht in Kalifornien Geborenem)
Assoziationen an die eigene Heimat abringt, mit mehr oder weniger
reichlich Tränen.
"They can`t do that Stuff in a Holy Place" lässt manche
Interpretation zu, ist aber wohl am ehesten einer dieser im besten Sinne
typischen Friedens- und Protestsongs. "Holy Place" ist dabei zum
Glück noch nicht das "Paradies", schon gar nicht eine Kirche,
eine Synagoge, eine Moschee, ein Tempel, sondern ganz diesseitig gesehen
unsere komplette an sich doch so wunderbare Welt. Halt eben der Platz,
an dem wir gerade stehen. Live verändert David bezeichnenderweise immer
mal wieder den Text und singt z.B. "No more lies in a holy
place" oder "No more weapons of mass destruction in a holy
place".
Bilderstrecke von der Tour 2014 - Lassen Sie sich die nächste Tour im
Jahre 2017 nicht entgehen!
"She`s got Tattoos`s" erscheint mir eine Rückbesinnung auf die
meist ganz einfachen, eigentlichen und damit bleibenden Werte, nachdem
der vorübergehend verlockende, aber letztlich marode Tand nicht mehr
trägt und enttäuscht über Bord geworfen wurde. Nur die Tatoos dieser
Irrungen bleiben als offensichtliche Mahnung weiterhin unübersehbar
bestehen.
"Lincoln`s Funeral Train" ist ein typischer Western-Song, ein
Song aus dem Erleben der Farmer und Eisenbahnpioniere jener Zeit. David
hat immer wieder solche Lieder gesungen, etwa auf "Down to the
Wire" oder auf "Purple Cadillacs". Aus dem Stück spricht die
ehrliche Verehrung des Abraham Lincoln, dieses bekennenden Gegners der
Sklaverei, auch wenn die Befreiung der Schwarzen (nach Abspaltung von 11
Südstaaten) nur durch einen blutigen Bürgerkrieg erreicht werden konnte.
Lincoln war übrigens auch der erste Präsident der USA, der einem
Attentat zum Opfer fiel, genug Stoff also für Legenden und
Western-Songs.
"Painting Smiles on Old Clowns" wurde schon 2005 komponiert.
Damals lebte Munyon in einer Heidelberger Wohnung, deren Wände mit
zahlreichen Grateful Dead-Postern dekoriert waren. Eines dieser Poster
und die vom Himmel aus nach Heidelberg gesendeten "waves" und
"vibes" der vorangegangenen George (Harrison) und Johnny (Cash)
müssen David wohl zu diesem melancholischen, aber durchaus nicht
hoffnungslosen Song inspiriert haben.
David Munyon - Porträt aus dem Booklet von "Clark"
Zwei auf "Clark" (wieder-)veröffentliche Klassiker sind schon
auf früheren Stockfisch-Alben enthalten: "Strawberry`s & Wild
Honey" auf "Seven Leaves in a Blue Bowl of Water" und
"On the Autobahn" auf "Pretty Blue". Wenn Sie sich an
eine Interpretation des (Autobahn-)Textes heranwagen wollen, hier
wenigstens ein kleiner Hinweis: Babaji ist eine Hindugottheit. Beide
Songs klingen auf "Clark" vergleichsweise ursprünglicher,
klarer, rauer, ja kräftiger. Und das sagt hier einer, der Paulers
"Stockfisch-Sound" schätzt und auch (und nicht zuletzt) die dort
verlegten (und klangveredelten) Munyon-Alben liebt.
Zeichnung von David Munyon aus dem Booklet von "Clark"
Munyon klingt eben immer unvergleichlich gut, als Hochglanzproduktion
mit feinen Overdubs genauso wie als "dirty-handmade" belassener
Live-Mitschnitt. Aber nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Die auf
"Clark" im "Sonic Music Studio" Chemnitz eingespielten
Songs wurden absolut erstklassig aufgenommen, nur eben danach nicht mehr
weiter bearbeitet. Ein ähnlich gutes Munyon-Soloalbum gibt es bisher mit
"Stories from the Curve" nur ein einziges Mal, aber das ist 20
Jahre her, und die damals auf 1000 Exemplare limitierte Edition ist
heute nur noch mit sehr viel Glück antiquarisch erhältlich.
Für die Analogos, die Vinylfreunde also erscheint "Clark" etwas
zeitverzögert als 180-Gramm-LP. Ich werde genau hier an dieser Stelle
etwas zum Klang sagen, wenn die Platte auf meinem Player rotiert und
einen Vergleich zur CD zulässt. Das Teil wird zudem definitiv ein
Sammlerstück. Ich werde mir die Scheibe beim nächsten Konzert von David
signieren lassen.
Lassen Sie sich "Clark" nicht entgehen! Eine ganz klare
Fünf-Sterne-Kaufempfehlung! Denn wie urteilte bereits Brian Wilson über
David Munyon: "probably one of the best songwriters ever!" Was
soll ich dem noch hinzufügen!
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Doch, etwas muss ich hier noch ergänzen: Zeitgleich mit dem superben
Soloalbum "Clark" erscheint ein toll produzierter Mitschnitt von
Davids 2013er Tour. 13 Songs beinhaltet diese CD, aufgenommen in
Bergisch Gladbach, Jena, Erlangen und Erfurt.
Wenn Sie also mehr Solomusik von David Munyon hören möchten, drängt sich
die nachfolgend abgebildete CD förmlich auf:
Sie wollen ausführlicher über David Munyon und seine bisher
veröffentlichten Alben nachlesen? In diesem Fall empfehle ich Ihnen
einen Besuch auf der deutschen Munyon - Website