Wie Grischa mit einer verwegenen Idee beinahe den Weltfrieden auslöste

Jakob Hein
ISBN 978-3-86971-316-8

Sie suchen eine Urlaubslektüre, humorvoll, geistreich, aber nicht problematisierend? Dann haben wir etwas für Sie:
Jakob Hein konnte aufdecken, wofür unter Federführung von Franz-Josef Strauß die Bundesrepublik Deutschland 1983 der DDR eine Milliarde DM überlassen hat. Die offiziellen Verlautbarungen zu dieser Transaktion entsprachen ja, wie jeder weiß, nicht den Tatsachen und heizten die Gerüchteküche nur noch weiter an. Jetzt endlich kommt die Wahrheit ans Licht.

Eine derart abgedrehte und herrlich ins Surreale driftende Geschichte aus dem geteilten Deutschland konnte nur jemand schreiben, der die DDR noch selbst hautnah erlebt hat. Hein wurde 1971 in Leipzig geboren und arbeitet heute als Arzt in Berlin, beste Voraussetzungen also für den Plot, in dem auch Medizinisches eine nicht ganz unwichtige Rolle spielt.

Grischa, unser Protagonist, tritt nach steiler Kader-Karriere seine neue Stelle in der Afghanistan-Abteilung der obersten staatlichen Planungskommission in Ostberlin an. Er soll die Kontakte zum ebenfalls von den Russen beschützten Brudervolk am Hindukusch vertiefen, vor allem aber durch Warenaustausch Devisen beschaffen. Tatsächlich würden die Afghani auch gern Produkte aus der DDR kaufen, nur haben sie kein brauchbares Geld. Was sie aber in rauen Mengen haben, sind Hanfplantagen mit Pflanzen bester Qualität. Zudem beherrschen sie die Kunst, das begehrte Haschischharz zu extrahieren und in handliche Platten zu pressen.

In Westdeutschland ist Cannabis (verharmlosend auch „Medizinalhanf“ genannt) damals noch illegal und gerade deshalb im Straßenverkauf knapp, heißbegehrt und teuer. Hier nun setzen Grischas Überlegungen an, wie man afghanischen Hanf importieren und gegen harte DM an Bürger der BRD verkaufen könnte. Die Bevölkerung der DDR sollte dabei aus verschiedenen Gründen außen vor bleiben.

Grischa gehört zu dem kleinen Kreis Privilegierter, die Westfilme schauen dürfen. Er ist leidenschaftlicher Cineast und bezieht so manch` unkonventionelle oder gar "verwegene" Idee aus Agententhrillern und Maffiastreifen. Seine Vorgesetzten sind durch die Aussicht auf neue Einnahmequellen geblendet und lassen ihm freie Hand. Wie immer heiligt auch hier der Zweck die Mittel.

Der erste Verkaufsladen mit "regionalen Produkten aus Afghanistan" wird eröffnet und zieht ganze Scharen vorwiegend junger Leute aus Westberlin an. Letztlich floriert das im Niemandsland des kleinen Grenzverkehrs abgewickelte Geschäft in einem derart überbordenden Maße, dass Westdeutschland wegen tumultartiger Szenen am Checkpoint und nicht zuletzt ernster Gefahren für die Volksgesundheit reagieren muss.

Nun verschachtelt sich die Geschichte und spielt teils auch in Bonn und Bayern. Amüsant, wie wenig sich die Beamtenapparate beider deutscher Republiken unterscheiden, solange nicht junge Aktivisten unangebrachterweise neue Ideen einbringen wollen, womit sie natürlich anecken, weil das die Ruhe im Amt empfindlich stört.

Mehr sei nicht verraten. Die völlig verrückte Geschichte lebt vom Sprachwitz und der Situationskomik des ganz normalen Alltags diesseits und jenseits der Zonengrenze, ist also im besten Sinne eine Realsatire. Wer Namen wie Kohl, Strauß, Lambsdorff, Schreckenberger, Barzel und Mielke nicht mehr kennt, verpasst rein gar nichts, die Köpfe dahinter sind beliebig austauschbar.

Nur fragt sich der Leser schon bald, wie der Autor die delikate Story wohl enden lassen wird. Doch seien Sie unbesorgt, Jakob Hein gelingt ein überzeugender und zudem subtiler Schlussakkord. Ich sehe schon das Schmunzeln in Ihren Gesichtszügen.

Übrigens müssen Sie nicht in Urlaub fahren, um das Buch zu lesen…