Gene Lees: Oscar Peterson - The will to swing

O.P. Lees The will to swing

Ein Leben für die Musik
Verlag Hanibal

ISBN 3-85445-055-9

Gene Lees` Oscar Peterson-Biografie gilt als die wohl beste Lebensbeschreibung dieses großen kanadischen Jazz-Pianisten.

Allerdings datiert das ursprüngliche Erscheinungsdatum auf 1988 und das der deutschen Erstausgabe auf 1990, umfasst damit also nicht die letzten Lebensjahre des Künstlers, insbesondere nicht die vierte Eheschließung, die Geburt der Tochter Celine, den Schlaganfall 1993 kurz vor der Verleihung des Glen-Gould-Preises, die Rehabilitation und die Zeit des Comebacks in Trio- und Quartett-Formationen.

Die englischsprachige Originalausgabe wurde im Jahr 2000 neu aufgelegt und dabei wohl auf den seinerzeitig neuesten Stand gebracht. Eine deutsche Übersetzung dieser Update-Ausgabe existiert nach unserem Wissen aber nicht. Und auch die amerikanische Ausgabe von 2000 ist inzwischen nicht mehr lieferbar.

Der 2010 verstorbene kanadische Journalist und Jazz-Kritiker Gene Lees kannte Oscar Peterson und die Mitglieder seiner verschiedenen Formationen persönlich und bekam seine Informationen somit praktisch aus erster Hand. Er hat für verschiedene kanadische und amerikanische Magazine geschrieben, zahlreiche Plattenbesprechungen und "Liner Notes" veröffentlicht und noch weitere Biografien über Jazz-Größen verfasst.

Es werden Oscars familiäre Wurzeln beschrieben, die westindische Abstammung, die Einwanderung der Eltern in Kanada und die ehrgeizigen Pläne von Vater Daniel, seinen 5 Kindern eine ordentliche musikalische Ausbildung zu vermitteln. Oscar, das 4. Kind der Familie, sollte eigentlich Trompete lernen, musste dieses Instrument aber nach einer Lungen-Tbc. aufgeben und hat sich ab dann unter der strengen Führung seines Vaters und mit Hilfe immer kompetenterer Lehrer ganz dem Klavier zugewandt. Schon bald erkannte Oscar, dass seine Liebe und Neigung mehr dem Jazz, als der Klassik galt.

Beschrieben werden ausführlich die ersten Engagements in kleinen Jazz-Combos, die Zeit von 1942 bis 1947 im "Johnny Holmes Orchestra", die ersten Tourneen, die ersten Auftritte in Radio-Shows und die ab 1947 regelmäßigen Auftritte im Jazz-Club "Alberta Lounge" in Montreal. Aus diesem Club wurde wöchentlich eine kleine Life-Sendung mit dem Oscar Peterson-Trio im Radio übertragen.

In der Alberta Lounge kam es auch zu dem legendären Treffen mit dem amerikanischen Jazz-Impresario Norman Granz. Dabei wurde vereinbart, dass Oscar Peterson im September 1949 bei einem Jazzkonzert als Überraschungsgast in der New Yorker Carnegie Hall auftreten sollte. Danach wurde Granz Oscar Petersons Manager, Freund und Förderer. Schon bald war Oscar regelmäßiges Mitglied der "Jazz at the Philharmonic" (JATP)-Konzerte in ganz Amerika, Kanada, Europa und in Übersee.

Lees beschreibt Oscars eigene großartige Trios, insbesondere die mit Ray Brown und Herb Ellis sowie später mit Ray Brown und Ed Thigpen. Dabei erfährt der Leser viele zusätzliche Details aus der Jazz-Szene dieser Jahre. Ein eigenes Kapitel ist der "Advanced School of Contemporary Music" gewidmet, einer Musikschule, die Oscar Peterson zusammen mit Kollegen und Freunden 1960 eröffnete. Die Schule hat 4 Jahre lang gute Arbeit verrichtete, mußte aber 1964 aus wirtschaftlichen Gründen wieder schließen.

In einem eigenen Kapitel "Oscars Verrisse" lässt Lees durchaus und sehr bewusst auch Kritiker zu Worte kommen. Einige lassen an Oscar Petersons Spiel "kein gutes Haar". Vielen Kritikern erscheint Oscar Petersons Spiel wohl einfach zu virtuos, zu effektvoll, zu perfekt und nicht genügend verinnerlicht, einige beklagen auch mangelnde "Überraschungsmomente". Es gibt aber auch ein Kapitel "Zweite Meinungen", in dem gezeigt wird, wie Kritiker ihre früheren vernichtenden Kritiken später (bedauernd und entschuldigend) zurückgemnommen haben.

Sehr aufschlussreich ist das Kapitel über Oscar Petersons Zusammenarbeit mit dem deutschen Aufnahmetechnik-Pionier und Schallplattenverleger Hans Georg Brunner-Schwer. Dieser Partnerschaft verdanken wir so hervorragende Aufnahmen wie die 7 Alben des Zyklus "Exlusively for my friends", zudem Alben wie "Tracks", "Hello, Herbie", "Great Connection", "Another Day", "In Tune" und "Tristeza on Piano", allesamt klangtechnisch mustergültige Einspielungen, selbst unter den heutigen Ansprüchen und Möglichkeiten betrachtet. Einige dieser Aufnahmen liegen sogar als SACDs vor.

Hochinteressant, wenn auch ein wenig bedrückend die Beschreibung des Versuchs einer Tournee in Russland. Das Unternehmen endete wegen schikanöser Behandlung durch die offiziellen staatlichen Stellen in einem Fiasko und mußte abgebrochen werden. Jazz hatte es eben noch niemals leicht in einem totalitären System.

In diesem Zusammenhang sagt Oscar Petrson in seiner Autobiografie: Der Umgang mit dem Jazz ist ein Indikator für die Werte einer Gesellschaft, ebenso wie für ihre Ängste und Vorurteile.

Natürlich gibt es auch ein großes Kapitel über die vielen Ehrungen, die Oscar Peterson erhalten hat, die Grammys, die Verleihung des kanadischen Verdienstordens, die vielen Ehrendoktorwürden.

Sehr hilfreich ist eine kleine angehängte Diskographie von Wolfram Knauer, der auch die deutsche Übersetzung der Biografie besorgt hat. Die Diskographie ist natürlich unvollständig, gibt aber (in der uns vorliegenden Fassung) dem "normalen" Peterson-Verehrer einen ausreichenden Überblick der Platten-Einspielungen bis 1988. Experten werden allerdings manche Aufnahmen vermissen und auch manchen Fehler in den Aufnahmedaten monieren.

Wir haben Gene Lees` Peterson-Biografie kürzlich bereits zum zweiten mal mit großem Interesse und Vergnügen gelesen. Unser Wissen um Leben und Werk dieses Ausnahme-Jazz-Pianisten hat sich dadurch noch einmal erheblich vermehrt und unsere Hochachtung vor Oscar Peterson als Mensch ist weiter gewachsen. Wir werden versuchen, antiquarisch an die englischsprachige Ausgabe aus dem Jahr 2000 zu kommen; das wären dann noch einmal gute 10 Jahre mehr an biografischen und diskografischen Notizen.

Eine sehr gute Ergänzung zu Lees` Biographie ist die Autobiografie von Oscar Peterson mit dem Titel: Oscar Peterson: Meine Jazz-Odyssee. Eine Rezension dieses
Buches finden Sie nachstehend.

Wollen Sie mehr über Oscar Peterson wissen? Vielleicht suchen Sie auch einen musikalischen Einstieg? Dann empfehlen wir Ihnen unseren Artikel über die "Exclusively for my friends"-Einspielungen. Mit einem Klick auf folgenden Link kommen Sie auf unsere diesbezügliche Seite: