Dieter Hildebrandt und Roger Willemsen
Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort

Ehrenwort - Willemsen

Die Weltgeschichte der Lüge
Fischer Verlag
ISBN 978-3-596-17987-9

Den täglich von Schwindel und Schwindlern geplagten Leser erwartet hier die irritierende Wahrheit über die Lüge. Aber aufgepasst: nach der Lektüre könnte sich Ihrer eine ganz neue Art von Schwindel bemächtigen, vor allem bei der Frage, ob Lügen nicht die unabdingbare Voraussetzung darstellen, Lebenswahrheiten zu ertragen.

Das Büchlein fasst Texte eines Kabarettprogramms von Dieter Hildebrandt und Roger Willemsen zusammen, geschrieben von Willemsen selbst und Traudl Bünger. In lockerem Ton und manchmal frech frotzelnd wird der Gesprächsball hin- und hergeworfen und verschont dabei kaum einen gesellschaftlichen Bereich oder ein geschichtliches Zeitalter.

Es wurde schon immer gelogen, was das Zeug hält. Hildebrandt und Willemsen präsentieren uns historisch belegte Schwindler und Hochstapler, falsche Ärzte und Lügengeschichten verbreitende Weltreisende, urkundenfälschende Könige und die Wahrheit verdrehende Päpste, falsche Offiziere und sich selbst proklamierende Kaiser und immer wieder Gaukler auf Jahrmärkten und in Parlamenten. Überhaupt: Wer lügt dreister, als ein Politiker! Einige Lügen und Meineide haben Namen erhalten: Watergate, Spiegel, Lewinsky, irakische Massenvernichtungswaffen, potemkinsche Dörfer …

Aber selbst die Natur "lügt", um sich Vorteile im Kampf ums Dasein zu verschaffen. Tiere imitieren Pflanzen und Pflanzen nehmen die Gestalt von Tieren an. Wobei dieses Mimikry hilft, satt zu werden, sich zu verteidigen oder sich fortzupflanzen, eigentlich also ganz legitime "menschliche" Anliegen.

Überhaupt Fortpflanzung und alles, was diesem Ziele dient! Auch beim Menschen ein Kabinett von Lug und Trug, Sein und Schein, falschen Versprechungen und Vortäuschungen. So kann, wie Hildebrandt es formuliert, die Brust einer Frau heutzutage derselbigen Knochen um locker 500.000 Jahre "überleben".

Und wie dreist Schriftsteller voneinander abschreiben, die Literaturgeschichte ist voller Plagiate. Aber auch Wissenschaftler kupfern voneinander ab, das Thema "Plagiat" ist uralt. Dass aber veritable Minister beim Abschreiben ganzer Doktorarbeiten erwischt würden, das hätte wohl auch der weitsichtigste Kabarettist nicht zu hoffen gewagt. Sonst hätte man dieses Schmankerls wegen die Herausgabe des Buches sicher noch etwas hinausgezögert.

Letztlich drängt sich ein Fazit auf: Wir alle lügen täglich dutzendfach, wir belügen uns selbst, wir verzeihen und vergessen Lügen im Handumdrehen, ja wir wollen sogar belogen werden. Unser aller Dasein (und nicht nur das eines Kabarettisten!) ist ohne die Lüge gar nicht möglich.

Und wenn wir das Buch zuklappen, drängt sich uns ein schrecklicher Verdacht auf: Sind Lügen vielleicht sogar die besseren Wahrheiten?