Texte von Konstantin Wecker

Konstantin Wecker ist der vielleicht poetischste der drei großen deutschen Liedermacher. Trotzdem haben die meisten seiner Texte einen klaren gesellschaftlichen oder gar politischen und oft zudem einen autobiografischen Bezug. Konstantin Wecker versteckt keine seiner Erfahrungen. Nennt er doch bezeichnenderweise seine Autobiografie "Die Kunst des Scheiterns".

Vielleicht lassen Sie sich von den nachfolgenden kurzen Zitaten verführen zum Erwerb der CDs mit den vollständigen Texten?

aus "Vaterland", Album "Vaterland", 2001

Was ist das nur, ein Vaterland,
ist es dein Fleisch und Blut,
macht es dir, wenn du rebellierst
zum freien Denken Mut?

Ist es ein Vater, der dich stets
auch über Klippen führt,
oder ein sturer alter Mann,
der dir den Hals zuschnürt?

Was soll das noch, ein Vaterland
in den vernetzten Zeiten,
wollen wir denn wirklich immer noch
um Blut und Rasse streiten?

Und glaubt mir Freunde, mir genügt
mein Vater zur Genüge,
ein ganzes Land als Vater war
schon immer eine Lüge.

aus "Allein", Album "Vaterland", 2001

Da waren doch so viele Tage,
und sie verflogen im Nu.
Und jetzt bleibt die quälende Frage:
Wozu?

Wozu nur dieses Gegockel
und all` die Angeberein.
Am Ende fällst du vom Sockel,
allein.

Alleine mit deinen Migränen,
trotz Rente und Zugewinn.
Es fehlte den Lebensplänen
der Sinn.

Das meiste war unverständlich,
trotz Stunden des Lichts.
Wie alles zerfällst du letztendlich
ins Nichts.

Warum sich ans Leben krallen,
laß aus und laß dich ein.
Du findest nur im Zerfallen
dein Sein.

aus "alles das und mehr", Album "Vaterland", 2001

Wer seine Werte selbst bestimmt,
und wer sich auf sich selbst besinnt,
ist marktwirtschaftlich nicht mehr zu gebrauchen.

Das ist nicht gern gesehn zur Zeit,
verdient wird an Beliebigkeit,
und schließlich muß der Schornstein rauchen.

Deshalb bleibt manches Lied gezielt
sich selbst umkreisend ungespielt,
es könnte beim Verdrängen stören.

Und doch, wir können nicht umhin,
wir ahnen es tief in uns drin,
es ist gefährlich, zu oft wegzuhören.

aus "Ich habe Angst", Album "Uferlos", 1993

Mein Freund, was soll ich dir schreiben,
es friert einen in diesem Land,
ich rate dir dringend zu bleiben,
anstatt dich hier aufzureiben,
hier wird manch einer wieder verbrannt.

Ich habe Angst um die Kinder und Narren,
die Verwundbaren und die Bizarren,
um die Suchenden und die Verirrten,
Komödianten und geistig Verwirrten,
um die seitlich Umgeknickten,
um die Liebenden und die Verrückten,
alle, die sich verschwenden, verschenken,
die sich selbst durchs Leben lenken,
alle, die mit dem Herzen denken.
Und natürlich, so selbstlos bin ich nicht:
ich habe auch Angst um dich und mich.

aus "Genug ist nicht genug", "Konstantin Wecker", Verlag 2001

Daß der Himmel heut so hoch steht,
kann doch wirklich kein Versehen sein,
und es ist bestimmt kein Zufall,
daß die Lichter sich vom Dunst befreien.

Nichts wie runter auf die Straße,
und dann renn ich jungen Hunden hinterher.
An den Häusern klebt der Sommer,
und die U-Bahnschächte atmen schwer.

Dieser Stadt schwillt schon der Bauch,
und ich bin zum großen Knall bereit,
auf den Häusern hockt ein satter Gott
und predigt von Genügsamkeit.

Genug ist nicht genug,
ich laß mich nicht belügen.
Schon Schweigen ist Betrug,
genug kann nie genügen.

aus "Hexeneinmaleins", "Konstantin Wecker", Verlag 2001

Immer noch werden Hexen verbrannt
auf den Scheitern der Ideologien.
Irgendwer ist immer der Böse im Land
und dann kann man als Guter
und die Augen voll Sand
in die heiligen Kriege ziehn!

aus "Schafft Huren, Diebe, Ketzer her!", "Konstantin Wecker", Verlag 2001

Und will man heut und hierzuland
halbwegs als Mensch gedeihn,
empfiehlt es sich, zur rechten Zeit
gefräßig, dumm und faul zu sein.

Dann pfeif ich auf die Quatscherei
um Feind und Schuld und Sinn,
geb meinen Bauch zum Denken frei
und freu mich einfach, daß ich bin.

Den Fehlerfreien trau ich nicht,
ich will mit denen gehen,
die, was sie glauben, schon zu sein,
auf keinen Fall beschlossen sehen.

aus "Ich möchte weiterhin verwundbar sein", "Konstantin Wecker", Verlag 2001

Zwar gilt heut nicht als rechter Mann,
wer seine Schwächen zeigen kann,
doch Mann und Recht, ich glaube fast,
daß dies nicht gut zusammenpaßt.

Und drum probier ichs weiterhin
mit der Moral nach meinem Sinn,
denn wie uns die Geschichte lehrt,
war die des Rechtes oft verkehrt.

Und ists auch nicht ganz angenehm,
und stünd ich ganz allein,
ich möchte wieder widerstehn
und weiterhin verwundbar sein.

aus "Wer nicht genießt, wird ungenießbar", "Konstantin Wecker", Verlag 2001

Noch kriegt ihr mich nicht dran,
es gibt noch viel zuviel zu tun,
auf diesem Lorbeer, der erstickt,
und träge macht, will ich nicht ruhn.

Mich lockt das Ungetane. Und
zum Sterben bleibt noch so viel Zeit,
die Sattheit, die man uns verspricht,
bezahln wir nur mit Einsamkeit.

Ich steh doch immer wieder auf,
auch wenn bis jetzt noch vieles mies war.
Ab heute wird nichts mehr versäumt:
Wer nicht genießt, wird ungenießbar.

aus "Es sind nicht immer die Lauten stark", "Konstantin Wecker", Verlag 2001

Es sind nicht immer die Lauten stark,
nur weil sie lautstark sind.
Es gibt so viele, denen das Leben
ganz leise viel echter gelingt.

Die stehn nicht auf Bühnen, füllen keine Feuilletons,
die kämpfen auf den schweren Plätzen,
die müssen zum Beispiel in Großraumbüros
sich der Unmenschlichkeit widersetzen.

Die schreiben nie Lieder,
die sind Melodie.
So aufrecht zu gehen,
lerne ich nie.

aus "So bleibt so vieles ungeschrieben", "Konstantin Wecker", Verlag 2001

Zwar: da ist viel Ungereimtes,
und ich fand noch keine Normen,
meine Lieder und mein Leben
nach gemäßem Maß zu formen.

Meistens renn ich meinem Denken
viel zu lange hinterher.
Und kaum bin ich ausgewogen,
ist mir mein Gewicht zu schwer.

Vieles, was ich von mir dachte
war ich sicherlich noch nie.
Und für vieles, was ich bin
fehlt mir noch die Fantasie.

Und auch jetzt schon voll von Wein,
bin ich hin und her gerissen:
Schreib` ich, weil ich`s besser weiß,
oder wider bess`res Wissen.

So bleibt vieles ungeschrieben,
doch das ist`s ja, was ich meine.
Denn ich teile mich, ihr Lieben
und bleib` immerfort der Eine

aus "Was passierte in den Jahren", "Konstantin Wecker", Verlag 2001

Wie du doch das Treiben satt hast,
immer wirft dich diese Flut
an ein unbekanntes Ufer
und dir fehlt schon lang` der Mut,
neuen Küsten zu begegnen.
Du bist müde, gräbst dich ein
und beschließt für alle Zeiten,
nie mehr heimatlos zu sein.

Und das nennt sich dann erwachsen
oder einfach Realist.
Viele Worte zu umschreiben,
daß man feig` geworden ist.

Manchmal jagst du für Sekunden
deinen Zweifeln hinterher,
doch aus Sorgen um die Wunden
bleibst du lieber ungefähr.

aus "Stürmische Zeiten, mein Schatz", Album "Live `98"

Stürmische Zeiten mein Schatz,
Hochzeit der Falken,
und um die Insel unserer Liebe
giftet ein Sturm.
Lieder und Verse sind am verkalken,
die Hunde winseln,
Seher fallen vom Turm.

Die Minister scharwenzeln verschleimt
um die möglichen Sieger.
Die Bürger fordern Ordnung und Zucht.
Denn Schuld sind wie immer die anderen,
und die Überflieger ergreifen auf ihren Mantras
schwebend die Flucht.

Unruhige Zeiten, mein Schatz,
wo doch alles so klar war,
40 Jahre geregeltes Sein,
wo nach außen fast jeder Fürst oder Zar war,
und jetzt bricht dieses Weltbildgebäude
so kläglich ein.

Denn wer noch Häuser baut,
den schreckt jedes Beben,
wer sich den Banken verschreibt,
den versklavt ihre Macht.
Wer seinem Staat vertraut,
der muß damit leben,
daß was heute noch Recht ist
oft Unrecht wird über Nacht.

Aber dennoch nicht verzagen, widerstehn!
Leben ist Brücken schlagen
über Ströme, die vergehn.

Bildnachweis: Konstantin Wecker © 2001, aus der BMG-CD "Vaterland"