Malia - The Garden of Eve

Garden od Eve

Ein neues Werk von Malia, größtenteils schon 2019 fertiggestellt, 2020 von MPS veröffentlicht, coronabedingt aber erst 2022 in Livekonzerten (z.B. am 3.11.22 im Hot Jazz Club Münster) den Fans präsentiert. Es kommt als CD, auf tadellos gepresstem schwarzem Vinyl und auf 1000 Stück limitierter rosa (!) LP.

Laut Liner Notes wurde das in Malia`s Karriere erstmals durchgehend dem Blues gewidmete Album inspiriert durch Billy Holliday, Sarah Vaughan, Ella Fitzgerald und viele andere legendäre Jazzsängerinnen mit Bluesfeeling. Einleuchtend, denn mit „Black Orchid“ hatte Malia ja bereits 2011 die Hommage an eine andere "grande dame" dieser unsterblichen Gilde, nämlich an die große von ihr verehrte Nina Simone veröffentlicht.

Im Interview sagt Malia (in hoffentlich) sinngemäßer deutscher Übersetzung):

„Egal wie schlecht Familie, Freunde, Politik, Partner, Liebhaber, Regierungen oder Eliten auch manchmal sind, sie können niemals die Kräfte des Guten in der Welt zerstören. Und im Lauf der Zeit finde ich immer mehr zu dieser Wahrheit, die in meiner Seele tief verwurzelt ist und ich fühle mich endlich reif genug, um diese wunderbare Musiktradition zu verstehen - denn Blues ist das Leben."

Wenn das Leben nun aber nicht ein "Paradies auf Erden" ist, so bleibt doch immer noch die Hoffnung auf den tatsächlichen "Garden of Eve" - jedenfalls irgendwann - und sei es nach dem Tode. Malia thematisiert letzteren im Song „Death“, bringt aber zum Ausdruck, dass sie keine Angst mehr vor ihm hat; er hat seine Macht über sie verloren, sie kann sogar über ihn lachen - und tut das auch. Im Livekonzert berichtet sie frei von ihrer Erkrankung, gegen die sie nun schon so lange ankämpft, immer in der Hoffnung auf Heilung und noch möglichst viele schöpferische Jahre.

Und mit der Hoffnung, nämlich mit „Hope“ beginnt auch das Album; ein Song wie ein Gebet, musikalisch dunkel, düster, flehend, gar ein wenig unheimlich und fast mystisch untermalt von tiefen mantraartig-ostinaten Trommelrhythmen und flirrenden Orgeltönen. Man kann sich der hypnotischen Wirkung kaum entziehen, ja, man könnte süchtig werden. Hier einige Zeilen:

I'm addicted to hope like heroine
Faith is mine, I feel divine
I have a meeting with faith
At Heaven's gate

I get down on my knees
I'm beggin' you please, Lord
Trust is deep, oh it's mine to keep
Trust has me, in trust I live
I give my heart to trust so I can breathe

Lord can You hear me?
Do You hear me?
Lord do You hear me?
Do You hear me?

Der zweite Song (ein absolutes Highlight!) ist trotz der gerade beschworenen Hoffnung mit „Last Show“ betitelt; spätestens jetzt wird klar, dass hier jemand kämpft, vielleicht sogar ums eigene Leben, ums Überleben. Und welche Musik wäre hilfreicher als der Blues, um im nie endenden Lebenskampf zu siegen und trotz aller menschbedingter Schwächen weiter aufrecht zu stehen!? Wie singt Malia: "Gather all your seeds and plant them deep".

Nachfolgend einige weitere Textzeilen:

It’s human to break it’s human to fall, keep standing tall
It’s human to break it’s human to fall, keep breaking walls
Swagger out the door, don’t cry no more
It’s the time to tell sadness, that it`s over
Let your flowers bloom and fill the room
Let the poet in you release all your dreams yeah
It’s human to break, its human to fall, keep standing tall

Die Show ist also doch noch nicht vorüber! Auch wenn Titel wie „Lord, I Feel so Bad“, „Honeymoon Is Over“ und „Love in Vain“ erst noch folgen. Aber genau Themen wie diese muss doch ein Blues behandeln, oder nicht? Und ja, das Album hat auch fröhlichere Momente, etwa in „Me and My Girlfriend“, dem man wegen seines lässig swingenden Rhythmus das zugrunde liegende Bluesschema gar nicht sofort anmerkt.

Aber erst einmal kommt mit dem dritten Song „The Thrill Is Gone“ ein Bluesklassiker, den wir von B. B. King und vielen seiner Bewunderer (z.B. Eric Clapton, Gary Moore) kennen. Kaum denkbar, dass der Titel allein nach der Musik ausgewählt wurde. An wen aber richtet Malia dann folgende Zeilen? An das Schicksal?

The thrill is gone
It's gone away from me
The thrill is gone, baby
The thrill is gone away from me
Although I'll still live on
But so lonely I will be
I'm free now baby
I'm free from your spell
Yes free, free, free

In „Two Seedlings“ erinnert sich Malia an ihre Kindheit, an Spiel, Spaß und Ausgelassenheit zusammen mit jungen Freundinnen in der warmen Sonne - wahrscheinlich noch in Malawi, ihrem Geburtsland. Heute sind aus den jungen "Setzlingen" alte knorrige Eichen geworden. Ein wenig wehmütig klingt dieser Blick zurück schon. Nun, schließlich singt Malia den Blues, nein, sie singt ihn nicht, sie fühlt ihn, sie hat ihn.

Apropos „free“, auch in „Restoration“ läuft`s auf „Liberation“ hinaus:

Looking for restoration
Find concentration
Leaving hesitation
Finding liberation

10 der 12 Titel sind in Zusammenarbeit mit dem Keyborder Nis Kötting und dem Gitarristen Lars Cölln entstanden, die auch für die gesamte Produktion mitverantwortlich zeichnen.

Malia hat ein gutes Gespür dafür, wer ihr in welcher Schaffensphase musikalisch am besten unter die Arme greifen kann. Für die ersten drei, sie aber bereits international bekannt machenden und noch recht jazz-rockigen Veröffentlichungen hatte sie den armenischen Produzenten Andre Manoukian gewählt, für ihren Ausflug in die "elekronische" Sampling-Synthiewelt mit „Convergence“ den genialen Schweizer Boris Blank von Yello, für das jazzig-soulige Remake "Ripples / Echoes of Dreams" den einfühlsamen französischen Pianisten Alexandre Saada und nun für die neue Produktion mit Nis Kötting und Lars Cölln zwei norddeutsche (sic!) Musiker, die nichtsdestoweniger „den Blues haben“.

Zu Gitarre/Bassgitarre und Piano/Orgel kommen noch Kontrabass (Edward MacLean) und Schlagzeug/Percussion (Tommy Baldu, Reiner "Kallas" Hubert) hinzu, das wars. Nein, nicht ganz, bei den „Two seedlings“ bläst Lars Cölln die Mundharmonika und zum locker jazzenden „Me and My Girlfriend“ gesellt sich noch eine gedämpfte Trompete (Joo Kraus), kontrastierend zu Malias auch in dieser Produktion sofort identifizierbarer, sehr modulationsfähiger, ja charismatisch-einschmeichelnder Stimme. Nur selten sind ihr einige düstere Backgroud Vocals (Stokely van Daal) unterlegt.

Eine Bluesplatte? Ja, zumindest haben alle Songs ein Bluesfeeling, aber jeweils sehr unterschiedlich ausgeprägt mit Anklängen an Soul, Jazz und Country. Was durchaus zum Reiz dieser Platte beiträgt. Eine absolut ehrliche, weil ungeheuer authentische Produktion. Ein Album, wie es nur ein überreiches Leben voller Höhen und Tiefen hervorbringen kann.

Die Platte schließt (sicher nicht ganz zufällig) mit Robert Johnson`s berühmtem Abschiedslied „Love in Vain“. Robert begleitete sie, Malia begleitet ihn - den Koffer tragend - zur Railway Station und schaut dort dem Zug hinterher, wie er den Bahnhof verlässt und wie seine Rücklichter langsam in der Ferne verglühen, wobei Gefühl und Verstand miteinander streiten. Wen nimmt der Zug mit, wen lässt er zurück? Gibt es eine Wiederkehr oder war wirklich alles vergebens?

Zusammen mit den stimmungsmäßig ganz anderen Alben „Convergence“ und "Malawi Blues / Njira" ist „The Garden of Eve“ ein weiteres absolutes Highlight in Malias Schaffen. Man möchte Malia, ihrer Tochter und ihrer Familie, man möchte uns allen (oder ist das egoistisch?) so sehr wünschen, dass noch viele weitere Alben folgen werden. Mögen Malia Hoffnung, Zuversicht, Kraft und Glaube niemals verlassen. Und der Blues trotz aller ihm innewohnenden Melancholie auch nicht.

Doch niemand weiß, was uns das Leben, das Schicksal bringen wird. Lassen Sie mich diese Betrachtungen zu Malia`s "Garden of Eve" beschließen mit einigen wegweisenden Zeilen aus „Moving Away“:

Oh, something can be said about a little solitude feels like sweet release
Packing up my bags and taking all my memories
Taking the best that I have had, walk into the unknown
This is redemption for me
Oh, the sweet release exiles from my past mend that piece of me
Getting myself in a mood, oh yes stepping into my destiny
Moving away from home, moving away from home.

Noch ein O-Ton aus einem Interview mit Malia (in deutscher Übersetzung):

„Mein Herz schlägt für sehr viele Dinge. Ich denke, das liegt daran, dass ich aus einer interkulturellen Ehe komme und noch nie das Gefühl hatte, nur das eine oder das andere zu sein. Ich bin eher eine Verschmelzung von beidem und meine Musik ist ein Spiegelbild davon. Ich fühle, dass ich mich als Mensch stetig weiterentwickle und obwohl Musik nur eine Ausdrucksform ist, mag ich die Idee, mit ihr im Einklang zu sein, wenn ihr Rhythmus zu mir passt.

Blues lag mir schon immer sehr am Herzen. Es ist eine kathartische Erfahrung, kostbar und tiefgreifend, egal ob ich ihn spiele oder im Radio höre! Als ich Billie Holiday das erste Mal ‚Blue Moon‘ singen hörte, spürte ich es mit jeder Zelle meines Körpers - sie hatte solch eine starke Wirkung auf mich. Die Empfindsamkeit des Blues, geboren aus tragischen Situationen, die auch manchmal meine eigenen Erfahrungen widerspiegeln."

Mehr gibt es wirklich nicht zu sagen. Hören Sie rein in "The Garden of Eve" und fühlen sie mit Malia, mit uns. Ein Kleinod!

zurück zum Seitenanfang