Heather Nova - Other Shores

Other Shores

Heather Nova hat sich spätestens mit ihren beiden rockig-poppigen Alben „Oyster“ und „Siren“ einen Namen gemacht. Sie ist eine Singer/Songwriterin, der es nicht zuletzt immer auch um die Texte geht. Das musikalische Genre der Künstlerin lässt sich zumindest anfangs der Karriere wohl ziemlich treffend als Indie-Rock beschreiben.

Dann aber wird das Rockige immer mehr zurückgenommen, manche Songs muten nahezu intim an, klingen fast wie Björk, bis nach vielen Jahren 2019 die „Oyster“ doch noch eine raue, ungeschliffene „Pearl“ gebiert.

2022 erscheint mit "Other Shores" ihr unseres Erachtens bislang bestes Werk, obwohl es ein reines Coveralbum ist, ein Album voller sorgfältig ausgewählter textbestimmter Songs. Natürlich nichts für Rocker, denen ausgefeilte Texte und leise Töne eher verdächtig sind. Manch` ehemaliger "Hardcore-Fan" zeigt sich entsprechend verschreckt.

Stichwort Texte: sie beschreiben den Zauber, die Verletzlichkeit, aber auch die Abgründe zwischenmenschlicher (Liebes-)Beziehungen. Genau das ist der "Rote Faden", genau diese durchgehende Thematik hält das Album zusammen. Was erstaunlich genug ist, da durchaus ein Titel von Francois Hardy („Message Personnel“) direkt auf einen Song der Buzzcocks („Ever fallen in Love“) folgen kann, abgelöst wiederum von Rod Stewart`s „Sailing“; da prallen wirklich Welten aufeinander. Ähnlich irritierend mag es anmuten, dass sich nach John Lennon´s „Jealous Guy“ unmittelbar der Dancefloor Titel „Stayin` Alive“ von den Bee Gees anschließt.

Doch hören Sie selbst, diese Musik-Melange passt zusammen, klingt wie aus einem Guss. Was auch an der durchgehend kleinen Besetzung mit Akustikgitarre, sparsamer Percussion und dem warm untermalenden Cello liegt. Zudem sind alle Songs zwar von der Stimmung und der Intonation her unterschiedlich, bekommen dann aber durch Heather`s Timbre einen verbindenden gemeinsamen Stempel aufgeprägt. Als Besonderheit wird der erste Titel "Waiting for a Girl Like You" allein durch Piano begleitet und der letzte Song "Sailing" à capella gesungen. Beides unterstreicht die Bedeutung der Texte.

Durchaus interessant erscheint, dass Heather aus Lennons „Jealous Guy“ ein „Jealous Girl“ macht und folgerichtig Foreigners „Waiting for a Girl Like You“ textidentisch übernimmt. Hier mögen autobiographische Faktoren wie Missbrauch, Trennung und Scheidung eine wichtige Rolle spielen und den Wunsch nach "anderen Ufern" verständlich machen. Beide Songs stehen gleich am Anfang des Albums, was ein Hinweis auf ihre Bedeutung für die Interpretin sein mag. Wir empfehlen "Jealous Guy" und "Waiting for a girl like you" auch als Anspieltips, dazu noch „Don`t Stop Believing“, ursprünglich von Journey veröffentlicht.

Heather Nova, geboren auf den Bermuda-Inseln, betritt mit diesem Album tatsächlich „Other Shores“, covert sie als Songwriterin doch erstmals nicht nur sporadisch, sondern durchgehend fremde Texte. Neben den schon erwähnten finden sich Covers von The National, Rick Astley, The Pixies, Neil Young und Michael Kiwanuka. Das Ergebnis passt in allen Fällen perfekt.

So zurückgenommen wie die Musik ist im Vergleich zu bisherigen Publikationen auch das Cover: Ein puristisches SW-Foto, Heather im komplett weißen Outfit, barfuß, die Hände meditativ oder auch zum Gebet aneinandergelegt, den Blick nach innen gewandt, die Akustikgitarre zu Füssen.

Sie können dieses schöne, sehr persönliche Album ganz einfach von der wunderbar adaptierten Musik her genießen, werden aber einen Mehrwert erfahren, wenn Sie sich zugleich etwas näher mit den Texten befassen, die oft tiefgründig, jedenfalls niemals seicht oder oberflächlich sind und keinesfalls beliebig oder gar zufällig ausgewählt wurden. Greifen Sie zu!

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