282d. O..P. Header Text

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The London House Sessions - Chicago 1961

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Oscar Peterson & Ray Brown

The Oscar Peterson Trio in "full flight" at the London House
Photo used on several LP's, including the Japanese LP "The Best of Oscar Peterson" (Verve - Japan)

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1. Hintergrund

Schon bald nach Beginn unserer engen Freundschaft hat Oscar die von mir verfasste Diskografie seiner Einspielungen intensiv studiert und daraufhin - wie sich herausstellte - meinen Namen an diverse Plattenfirmen weitergegeben.

In dieser Zeit der 80er Jahre pflegten viele Plattenfirmen die Musik ihrer LPs zusätzlich auf CD herauszubringen. Da die modernen neuen Datenträger aber über eine viel größere Kapazität verfügten, hat man oftmals 2 LP-Originalaufnahmen auf einer einzigen CD kombiniert. In Hinblick auf die Planung solcher Editionen wurde ich ehrenamtlicher Berater verschiedener Record-Companies, darunter Verve U.S.A.

Mr. Ben Young, bei Verve zuständig für Recherchearbeiten, hat mich immer wieder zu Oscars Alben konsultiert und einige Male auch gebeten, über bestimmte Aufnahmen Nachforschungen anzustellen. (Über meine diesbezüglichen Untersuchungen zum "Concertgebouw"-Album etwa werde ich berichten, wenn ich diese CD bespreche.)

Oft habe ich mich mit Oscar Peterson während dessen langer musikalischer Karriere getroffen und ihn dabei immer wieder zu speziellen Alben und den Details ihrer Entstehung befragt. Dann pflegte Oscar zu lächeln und meinte: "Arnold, du weißt über diese Dinge doch viel mehr als ich. Du bist ja der wahre Experte, hast das alles studiert und diese riesige Diskographie geschrieben".

Das konnte mich aber nicht abhalten, Oscar weiter mit Fragen zu bombardieren, vor allem zu den herausragenden London-House-Sessions. Und tatsächlich konnte er sich an viel mehr Details erinnern, als ich je erwartet hätte.

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Jedes Album der London House Sessions hat seine eigene Charakteristik. Hier die Cover der 4 Original-LPs:

78. O.P. The Trio Live from Chicago
72. O.P. The Sound Of The Trio
142. O.P. Put on a happy face
65. O.P. Something Warm

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Die 4 Alben, die 1961 im London House Chicago während des sich jährlich wiederholenden Sommer-Gastspiels aufgenommen wurden, gehören meines Erachtens zu seinen besten. Also sprachen wir mehrfach über diese LPs: "The Trio – Live From Chicago", "The Sound Of The Trio", "Something Warm" und "Put On A Happy Face". Auch Oscar zählt diese 4 Einspelungen zu seinen Favoriten und konnte sich deshalb glücklicherweise gut an die London House Sessions erinnern.

Die erste Veröffentlichung war "The Trio – Live From Chicago". Das Album erhielt in den Niederlanden bei der "Grand Gala du Disque” den "Edison Award for Jazz". Das war Oscars erster größerer Preis, abgesehen davon, dass er seit 1950 alle wichtigen "polls" gewonnen hatte.

Wegen des enormen Erfolges wurde bald darauf eine zweite LP aus derselben Session herausgegeben: "The Sound Of The Trio". Jahre später kamen dann noch zwei weitere Alben hinzu: "Something Warm" und "Put On A Happy Face".

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2. Die Aufnahme-Location
"The London House Chicago, Ill.”

Das "London House” in Chicago war zugleich Restaurant wie auch Jazz Club. Als Besitzer firmierten die Brüder George und Oscar Marienthal, die - ebenfalls in Chicago - einen weiteren Jazz Club namens "Mr. Kelly" unterhielten.

Heute findet man solche Clubs kaum mehr. Wie "Embers" in New York war auch das "London House" seinerzeit vornehmlich ein erstklassiges Steakhaus mit ruhiger Jazz-Begleitmusik.

261. O.P.  London House

Das „London House“ im Winter 1960 während eines Auftritts des "Barbara Carroll Trio"
Barbara Carroll nahm übrigens 1967 ein Album im London House auf: „Barbara Carroll Live – Her Piano And Trio“ (Warner W170, LP)
Mit Dank: http://chuckmancolle

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Heutige Clubs wie "The Blue Note" oder "Yoshis`s" sind ganz anders. Dort steht mehr die Musik im Vordergrund, und auch das Essen unterscheidet sich von dem eines Steakhauses.

Das Ambiente des London House war dunkel und maskulin geprägt und ganz ähnlich verhielt es sich mit der Speisekarte.

Ein typisches Abendessen sah etwa wie folgt aus: Shrimps-Cocktail, danach ein großes Steak, eine Ofenkartoffel mit Sauercreme und Butter, ein Salat, getränkt mit Roquefort-Dressing - und natürlich durfte auch ein Jack Daniels` oder ein Johnny Walker`s nicht fehlen.

Die London Sessions fielen in die Zeit, als John F. Kennedy zum 35. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde und die Nachfolge von Dwight Eisenhower antrat. Der Bau der Berliner Mauer begann, Yuri Gagarin flog als erster Mensch in den Weltraum, gefolgt nur einige Monate später von Alan Shepard. Judy Garland trat in der Carnegie Hall auf, West Side Story kam als Film heraus und der Jazz-Pianist Bill Evans nahm seine berühmten Village Vanguard Sessions in New York auf.

Nicht einmal 25% der Amerikaner besaßen ein Fernsehgerät. Deshalb suchten viele von ihnen abends Lukullisches und gesellige Unterhaltung in Etablissements wie dem 1951 eröffnetem London House. In der Folge blühten Nachtclubs auf, und die besseren von ihnen konnten es sich sogar leisten, erstklassige Künstler zu verpflichten.

Jazzmusiker bekamen oftmals die Möglichkeit, einen ganzen Monat lang in Folge aufzutreten. Die Zwischenzeiten bestritt dann die jeweilige Hausband.

Das London House lag im Zentrum Chicagos, an der Ecke von Wacker Boulevard und Michigan Avenue. Es war damals ein sehr populärer Club.

Oscar Peterson erinnerte sich: "Das London House hatte eine europäisch anmutende Atmosphäre, also Kronleuchter und solches Zeug. Erstmals spielten wir dort 1957, damals noch mit Herbie [Herb Ellis - AvK], danach kamen wir dann jeden Sommer zurück. Der Club wurde unsere Sommerresidenz. Wir konnten dort nämlich nicht nur auftreten, sondern nach dem Ende der Vorstellung auch noch die ganze Nacht lang proben und experimentieren. Allerdings hatte der Club unter den Musiker durchaus den Ruf, einen besonders hohen Nebengeräuschpegel zu besitzen".

Das aber war den Gebrüdern Marienthal offenbar völlig gleichgültig.

12 Jahre lang leitete der Pianist Eddie Higgins das reguläre Haustrio. Higgins berichtet, dass ihm George Marienthal bei seinem allerersten Auftritt im Club folgendes mit auf den Weg gab: "Unser erstes Ziel ist es, ein gutes Restaurant zu sein. Die Musik ist zweitrangig. Wenn du das im Kopf behältst, wird es keinerlei Probleme geben".

Nun, Higgins hat das recht lange im Kopf behalten. Gastmusiker aber konnten die geschwätzige Menge manchmal nur schwer ertragen.

Den Pianisten George Shearing brachte der Lärm einmal derart aus der Fassung, dass er mitten in einem Stück abbrach. Und Don Shirley (p) versuchte mit einer silbernen Polizeipfeife die Aufmerksamkeit des Publikums zu erlangen.

Eddie Higgins berichtet, Oscar Peterson habe sich durch den Krach nicht gestört gefühlt. Das mag wohl auch meistens so gewesen sein, aber eben nicht immer, wie uns die folgende Story zeigt:

Oscar Peterson berichtet über eine besondere amüsante Begebenheit:

291. O.P. LH Portrait Oscar

Foto: Booklet London House Sessions by Jim Marshall

"Die Geräuschkulisse dort hat mich wirklich mehrere Male durcheinander gebracht. Meist passierte das während der ersten Show zum Abendessen.

Das London House war wohl in der Tat der einzige Club, in dem wir wegen des Lärmes die Bühne verlassen haben. Ich erinnere mich an einen Abend, da konnten wir uns nicht einmal mehr selbst hören, geschweige denn, die Bandkollegen. Es war völlig unmöglich, zu spielen.

Ich habe dann erregt das Mikro geschnappt und gerufen: Ihr seid ganz offenbar nicht an der Musik interessiert und auch nicht an unserem Spiel. Wir werden erst dann weitermachen, wenn ihr uns auch wirklich zuhören wollt.

Doch die Menge reagierte nicht einmal auf diese Ansage. Also verließen wir den Club, überquerten die Straße und setzen uns in ein Kaffeehaus, das uns schon öfters als Zuflucht für ein "cool down" gedient hatte.

Wir wollten gerade einen Drink nehmen, als diese beiden riesigen Burschen auftauchten. Sie hatten die Statur von Football-Spielern der Chicago Bears. Sie kamen zu unserem Tisch, und einer von ihnen wandte sich mit dunkler Stimme an mich: Mr. Peterson, wir haben einen langen Weg nach Chicago hinter uns, um das Trio zu hören. Nun aber sind Sie gegangen. Ich antwortete: Ja, denn das Publikum scheint nicht bereit, uns zuzuhören. Wir können jedenfalls den Lärm nicht länger ertragen. Worauf er fragte: Wenn es uns gelingt, die Menge zur Ruhe zu bringen, würden Sie dann zurückkommen und weiterspielen? Ich antwortete: Natürlich, unbedingt.

Also gingen wir zusammen mit den beiden Hünen zurück über die Straße ins London House. Einer der beiden Burschen positionierte sich am Ausgang, der andere betrat die Bühne und rief laut ins Mikrophon: Hallo! Wir haben wie Ihr Geld bezahlt, um das Trio zu hören. Und das wollen wir auch weiterhin. Wir wollen keinen Lärm, und zwar jetzt nicht und auch künftig niemals mehr!

Tatsächlich brachten sie den ganzen Club zur Ruhe, und wir konnten wieder mit unserem Spiel beginnen. Später dann habe ich damit den Oberkellner aufgezogen: Hast Du gesehen, wie man das macht? Worauf er meinte: Yeah, aber ich habe nicht deren Statur und außerdem waren sie zu zweit". Oscar lachte und fuhr fort: "Leider habe ich niemals herausbekommen, wer die beiden Jungs wirklich waren".

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Japanische "Best of Oscar Peterson"-LP

"Der Ablauf war an jedem Abend gleich: Die erste Show begann 21:00 Uhr und begleitete die Menge beim Abendessen. So gegen 22.30 Uhr kamen dann die wirklich an der Musik interessierten Leute und blieben während der nachfolgenden Sets. Während unserer Spielpausen trat Eddie Higgins mit seinem Trio auf.

Jugoslawische Version der LP "Night Train"

Das London House hatte übrigens als "Hausband" fast immer Piano-Trios, eine Zeit lang beispielsweise das Ramsey Lewis Trio". So weit O. Peterson.

Anmerkung: Das obere Bild zeigt das Cover einer Japan Best Of LP. Das schöne Foto von den London House Sessions kennen Sie ja schon von unserem Eingangsbild.

Das untere Cover zeigt die in Jugoslawien herausgegebene Version der LP "Night Train" des Labels Yugoton mit einem Foto, das ganz offenbar aus der gleichen Aufnahmesession im London House stammt.

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Eddie Higgins über das Peterson Trio:

"Es war das größte Klaviertrio, das ich jemals gehört habe, und ich habe eine Menge Klaviertrios gehört. Die Arrangements, die Art des Zusammenspiels, das Feuer, die Dynamik - die Jungs waren wirklich unglaublich. Nach ihnen auf die Bühne zu gehen vermittelte ein Gefühl, als würde man Jesus Christus und seinen 12 Jüngern nachfolgen müssen".

Oscar Peterson im Interview:

Oscar Peterson: "Wie ich Dir schon erzählt habe, wurde das London House unsere Sommerresidenz. Wir wohnten in einem benachbarten Hotel und blieben manchmal für einen Monat, manchmal auch nur für eine Woche. Das London House hatte nämlich den Vorteil, dass wir neben unseren Auftritten dort zugleich üben und mit neuen Stücken experimentieren konnten. Nach den Shows, so gegen 3:00 oder 3:30 Uhr haben wir gewartet, bis alle gegangen waren. Dann haben wir noch bis 7:00 Uhr in der Frühe geprobt".
Arnold van Kampen: "Wart Ihr denn nach den Shows nicht müde?"
O.P.: "Nein, überhaupt nicht. Die Shows haben uns Spaß gemacht, und die Proben auch. Wir Drei hatten ja das gleiche Ziel: Nämlich das beste Jazz-Trio überhaupt zu werden. Es mag zwar so scheinen, als wären die nächtlichen Proben im Anschluss an unsere Aufführung eine Art Mühsal oder gar Strafe gewesen. Das waren sie aber durchaus nicht, vor allem waren sie für uns pure Freude, konnten wir doch neue Musik, neue Tempi und alles andere ausprobieren mit Stücken, die wir liebten".
AvK: "Erzähl mir doch etwas über die 4 berühmten Alben, die Ihr im Sommer 1961 aufgenommen habt".
O.P.: "Alle 4 LPs gehören zu meinen Lieblingsalben. Ich mochte die Atmosphäre im London House sehr. Aber ich kann mich erinnern, dass es für Jim Davis schwer war, die Musik aufzunehmen. Er hatte sein ganzes technisches Equipment in der Garderobe aufgebaut …"
AvK: "Man hört den Records an, dass die Aufnahmebedingungen schlecht waren …"
O.P.: "Das hat uns überhaupt nicht gestört"
AVK: "Das Klavier war nicht richtig gestimmt …"
O.P.: "Das konnte uns nicht abhalten"
AvK: "Ray hatte Probleme mit seinen Bass …"
O.P.: "Auch das hat uns nichts ausgemacht"
AvK: "Und vor allem dieses laute Publikum, diese Geklapper mit Besteck und Geschirr und …"
O.P.: "Nichts konnte uns aufhalten, Arnold. Wir waren sehr konzentriert beieinander, sehr inspiriert, vor allem währende der Late-Shows, als die wirklich interessierten Zuhörer kamen. Und vor allem hatten wir großen Spaß. Wir konnten spielen, was wir wollten und so lange, wie wir wollten. Und vor allem waren wir von einer großen Inspiration erfüllt. Ich glaube, das Trio war damals auf seinem kreativen Höhepunkt angelangt. Unser Produzent Jim Davis meinte, wir sollten einfach immer weiter spielen, während er die Bänder laufen ließ. Ich war schon erstaunt, dass letztlich aus diesen Sessions 4 ganze Alben entstanden sind. Dennoch glaube ich, dass die Bänder in den Archiven von Verve noch sehr viel mehr Musik enthalten".

Natürlich habe ich mir Oscars Worte gut gemerkt.

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321. O.P. Trio -France

Seltene französische Pressung

des ersten Albums der
"London House"-Serie

"The Trio - Live from Chicago"

(Verve France)

mit einer großartigen
Illustration
des Künstlers

Raymond Moretti

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3. Die "Geburt" der "London House Sessions"

Zu Beginn des Jahres 1996 teilte mir Ben Young von Verve U.S.A. mit, dass sie ein CD-Set planten, worin alle 4 LPs enthalten sein sollten. Natürlich habe ich mich da sofort an Oscars Worte erinnert: "Ich glaube, dass die Bänder in den Archiven von Verve noch sehr viel mehr Musik enthalten". Und genau darauf habe ich Ben Young hingewiesen.

Um es kurz zu machen: Ich konnte Ben und Verve überzeugen, in das geplante neue Set noch weitere bisher unveröffentlichte Takes dieser Sommer-Sessions aus Chicago einzuschließen, sofern man in den Archiven fündig werden würde.

Ben Young bat mich um meine Mitarbeit bei der Identifizierung der Archivaufnahmen und um meinen Rat, in welcher Form solch ein CD-Set herausgegeben werden könnte. Nur wenig später erhielt ich die komplette bisher unveröffentlichte Musik - und natürlich war ich begeistert.

Um das alles auf CD zu bringen, müsste die geplante Box allerdings die doppelte Spielzeit haben, wie ursprünglich vorgesehen. Zumal ich mir schon bald sicher war: Alle bisher nicht veröffentlichten Takes hatten genau diesen hohen Standard, den Oscar seinerzeit erwähnte: " …Trio auf dem kreativen Höhepunkt".

Letztlich kam ein 5-CD-Set auf den Markt und ich bin nach wie vor sehr stolz, an diesem Projekt beteiligt gewesen zu sein.

Ich kann mich noch lebhaft daran erinnern, wie glücklich Oscar war, als ich ihm von der geplanten Herausgabe der "London House Sessions" erzählte, komplett mit allen bisher unveröffentlichten Takes aus den Verve Archiven.

Ich hatte ursprünglich vorgeschlagen, die gesamten Aufnahmen in eine chronologische Reihenfolge zu bringen. Das konnte aber so aus finanziellen Gründen nicht realisiert werden, hätte es doch die Erstellung ganz neuer Master erfordert. Da ich aber zusammen mit den Bändern Kopien der Bandkassetten erhalten hatte, konnte ich exakt ermitteln, wann genau die einzelnen Tracks aufgenommen worden sind.

Nun sind allerdings die Aufnahmedaten auf dem originalen 5-CD-Set nicht komplett und/oder auch falsch. Also bin ich Ihnen weitere Informationen zur Veröffentlichung der LPs, der CDs und der diskografischen Details schuldig.

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4. Korrektur der abgedruckten Aufnahmedaten der "London House Sessions":

Für alle von Ihnen, die das Glück haben, das 5-CD-Set zu besitzen, kann ich bestätigen, dass die Aufnahmedaten auf den CDs Nr. 1, 4 und 5 korrekt sind.

Die Aufnahmedaten der CD 2 sind nicht abgedruckt. Hier die korrekten Angaben:

Tracks 1-3 am 29.7.1961
Tracks 4-8 am 28.7.1961

Die abgedruckten Aufnahmedaten der CD Nr. 3 sind falsch. Hier die korrekten Angaben:

Tracks 1-3 am 28.7.1961
Tracks 4-7 und 10 am 27.7.1961
Tracks 8-9 und 11 am 29.7.1961

Sie können nunmehr diese korrekten Aufnahmedaten Ihrer wertvollen Box hinzufügen.

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Oscar + Ray aus dem Booklet der "London House Sessions"; Foto: Duncan Schiedt

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5. Diskografische Details:

Mr. Gene Lees hat in seinen Liner Notes zur LP "Something Warm" (V6-8681) geschrieben: "Dieses Album ist das Ergebnis mehrerer Arbeitsnächte des Jahres 1962 …". Das ist der Grund für die von vielen "Diskografen" kritiklos übernommene Angabe, "Something Warm" sei in 1962 aufgenommen worden.

Ich bewundere Gene Lees für seinen Schreibstil und seine Bücher, bezüglich der diskografischen Daten liegt er aber zu oft daneben. (Z.B. hat er auch falsche Informationen zur berühmten MPS-Serie "Exclusively For My Friends" geliefert).

In den oben genannten Liner Notes hat er auch geschrieben: "Es sind bereits zuvor zwei Alben mit komprimiertem Material aus den London House Sessions auf Verve veröffentlicht worden - Oscar Peterson At The London House und Put On A Happy Face. Dies ist das Dritte".

Natürlich meinte Mr. Lees "The Trio (Live From Chicago)" (V-8420) und "Put On A Happy Face" (V-8681), hat aber dabei völlig das 3. Album "The Sound Of The Trio" (V-8480) übersehen. Also ist "Something Warm" nicht das dritte, sondern das vierte Album.

Die Angabe des Aufnahmejahres 1962 ist völlig falsch. Man muss nur die Alben einmal genau anhören, dann wird man schnell erkennen, dass der Sound aller 4 Aufnahmen genau gleich ist. Verve hat versucht, auf späteren LP-Covers die falschen Liner Notes zu korrigieren mittels eines fetten Aufdruckes "Recorded 1961". Der "Schaden" allerdings war da bereits eingetreten.

Denn da eine Menge so genannter "Diskographen" kritiklos einfach aus früheren Veröffentlichungen abgeschrieben hat, finde ich immer noch auf vielen Tonträgern, vor allem auf Japanischen CDs, das falsche Aufnahmejahr 1962.

Zudem sind auch in vielen "Diskographien" die Aufnahmezeitpunkte falsch abgedruckt. Es ist also höchste Zeit, hier einmal die korrekten Daten zu veröffentlichen:

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"The London House”- Sessions, Liste der Tracks in korrekter chronologischer Reihenfolge:

27.7.1961

There’s no greater love 05:00 CD-3
I remember Clifford 09:48 CD-3
Autumn leaves 05:04 CD-3
Blues for Big Scotia 06:45 CD-3
It happened in Monterey * 06:23 CD-3

28.7.1961

In the wee small hours of the morning 07:54 CD-1
Kadota’s Blues 11:06 CD-2
Put on a happy face 08:31 CD-2
Old Folks 04:27 CD-2
Woody’n’you 03:58 CD-2
Yesterdays 03:32 CD-2
Chicago 08:55 CD-1
Billy boy 01:46 CD-1
Introduction by Oscar Peterson * 00:50 CD-4
On Green Dolphin Street (take 2) * 07:46 CD-4
Moanin’ * 06:29 CD-4
I’ve never been in love before 05:34 CD-1
Billy boy * (1) 02:36 CD-4
Scrapple from the apple * 09:19 CD-4
Jim * 08:55 CD-4
Band Call * 07:41 CD-4
The night we called it a day * 05:05 CD-4
Diablo 06:59 CD-3
Soon 04:51 CD-3
The lonesome one 07:09 CD-3

29.7.1961

The Lonesome one (take 2) * 05:26 CD-4
The gravy waltz * 04:45 CD-4
Woody’n’ you (take 2) * 03:48 CD-4
On Green Dolphin Street 08:52 CD-2
Soon (incomplete) (take 2) * 09:19 CD-4
Daahoud * 05:51 CD-4
Tricotism 11:08 CD-1
Billy boy * (2) 03:05 CD-1
Swamp fire 03:58 CD-3
Billy boy * (3) 03:12 CD-3
The night we called it a day 04:44 CD-1
Sometimes I’m happy 11:38 CD-1
Whisper not 05:46 CD-1
Thag’s dance 05:40 CD-2
Ill wind 05:33 CD-2
I love you 06:38 CD-3

30.7.1961

As long as there’s music * 05:49 CD-5

2.8.1961

Close your eyes * 06:05 CD-5
Cubano chant * 09:48 CD-5
Sometimes I’m happy (take 2) * 10: 56 CD-5

3.8.1961

Sophisticated lady * 10:31 CD-5
Better luck next time * 07:30 CD-5
Confirmation * 10:13 CD-5

Die Spielzeiten und die CD-Nummern sind identisch den Angaben auf der 5-CD-Box. Alle Titel mit der Markierung "*” waren zuvor nicht auf LP veröffentlicht. Alle Tracks wurden 1961 aufgenommen.

Der Track "Billy Boy” wurde mehrfach verwendet, und zwar gewöhnlich als letztes Stück vor Pausen oder dem Ende des Sets:

"Billy Boy" (1) mit der abschließenden Bemerkung Oscar Petersons: "Wonderful audience, there’s one in every crowd.”

"Billy Boy” (2) mit Oscar Petersons Ansage von "Tricrotism” als letztem Stück und Ankündigung von Eddie Higgins.

"Billy Boy” (3) mit Oscar Petersons Hinweis auf "Swamp fire” als letztem Stück des Sets und wiederum Ankündigung von Eddie Higgins.

Ein anderer Fehler in verschiedenen Diskografien entstammt der
"Rupli Verve-Discography". Dort steht, das Stück "Yours is my heart alone” sei am 28.7.1961 während der London House Sessions aufgenommen worden. Ursprung dieses fehlerhaften Angabe ist die Verve-2-LP "Jazz History Volume 6 – Oscar Peterson”.

Wenn man genau zuhört, kann man erkennen, dass dieser Titel nicht einmal "live" aufgenommen worden ist. Er ist vielmehr am 26.9.1962 für das schöne Album "Affinity" eingespielt worden.

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293. O.P. Booklet LH

Aus dem Booklet der "London House Sessions" mit Credits an Arnold van Kampen

Anmerkung des Übersetzers Helmut Puschmann: Diesen Scan aus dem Booklet der 5-CD-Box "London House Sessions" stelle ich einmal eigenverantwortlich ein. Wie Sie sehen, verweist Verve mit "special thanks" auf Arnold van Kampen als Mitarbeiter dieser Edition und setzt damit neben Oscar Peterson auch dessen Freund und Diskografen ein Denkmal. Arnold hätte nicht gewollt, dass ich das hier so publiziere - ich tue es dennoch ...

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6. Veröffentlichungs-Historie der wichtigsten LPs und CDs der "London House Sessions"

Die Originalaufnahmen:

01. 1961, The Trio (live from Chicago), LP, V6-8420
02. 1962, The Sound Of The Trio, LP, V6-8480
03. 1966, Put On A Happy Face, LP, V6-8660
04. 1967, Something Warm, LP, V6-8681

In den nachfolgenden Jahren wurden diese Aufnahmen in vielen Ländern veröffentlicht, z. T. auch mit sich unterscheidendem Plattencover.

Die wichtigsten CDs:

05. 1986, The Trio (live from Chicago), CD, 823008-2
06. 1987, The Sound of the Trio, CD, J33J 25026, Japan
07. 1990, The Trio (live from Chicago), CD, POCJ-1817, Japan
08. 1992, The Oscar Peterson Trio live at the London House, Something Warm + Put on a happy face, CD, POCJ-1915, Japan
09. 1993, The Oscar Peterson Trio live at the London House, Something Warm + Put on a happy face, CD, J28J 25109, Japan
10. 1996, The London House Sessions, 5-CD, 531 766-2
11. 1996, The London House Sessions, 5CD, POCJ-9563/7, Japan
12. 1997, Master Edition: The Trio (live from Chicago) +5 bonus tracks*, CD, 539 063-2
13. 2000, Master Edition: The Sound of the Trio + 5 bonus tracks**, CD, 543 321-2
14. 2001, Compilation: Oscar Peterson at the London House (best of), (Black sleeve), CD, FPCP-40552, Japan
15. 2010, Bootleg: Oscar Peterson at the London House (complete master takes?) only music of 4-LP’s), 3-CD, LHJ 10219
16. 2012, Bootleg: Oscar Peterson – (live at the London House), Put on a happy face – Something Warm, CD, EJC 55529

Alle angegebenen LPs und CDs auf Verve, außer Nr. 14 auf Lone Hill Jazz und Nr. 15 auf Essential Jazz Classics.

Zu Nr. 15: In dieser Form wollte Oscar seine Musik ganz sicher nicht veröffentlicht sehen. Gönnen Sie sich deshalb die wirkliche 5-CD-Box "London House Sessions". Sie besitzen damit nämlich doppelt so viel dieser herausragenden Musik.

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Die beiden "Verve Master Editionen"

Verve Master Edition: The Trio (live from Chicago)

284. O.P. Sound of the Trio Master Edition

Verve Master Edition: The Sound of the Trio

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"Bonus tracks” aus den "The London House Sessions”

Bonus tracks auf der Verve Master Edition: The Trio (Live From Chicago) *:

08. The Lonesome One
09. The Gravy Waltz
10. Woody`n`you
11. Soon
12. Daahoud

Bonus tracks auf der Verve Master Edition: The Sound Of The Trio **:

06 Scrapple From The Apple
07. Jim
08. Band Call
09. The Night We Called It A Day
10. Billy Boy

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O.P. London House Sessions Web_1

Cover des spiralgebundenen originalen 5-CD-Set der "London Houses Sessions"

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7. Die Musik der "London House Sessions”

Selbstverständlich aber ist neben allen diskografischen Hinweisen die Musik der "London House Sessions” das allerwichtigste an dieser Edition. Wie Sie sicher schon mitbekommen haben, ist dies zu allererst Musik für den wirklichen Jazz-Liebhaber, für den aufmerksamen Hörer.

Ganz allgemein erleben wir hier ein hoch inspiriertes Trio. Nicht weniger als 18 Tracks haben eine Länge von über 8 Minuten, davon dauern 6 Tracks sogar länger als 11 Minuten. Allein das ist für Insider schon ein Zeichen, wie außerordentlich inspiriert das Trio war.

Wenn Sie sich auf die Musik konzentrieren, werden Sie oft genug wirklich ein Teil des Publikums sein und sich überhaupt nicht um den Sound kümmern müssen. Sie gelangen dann in der Folge zum Wesentlichen des Jazz: Hoch inspirierte Improvisationen, dargeboten vom weltbesten Jazz-Trio aller Zeiten.

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Infos zu CD 1 aus dem Booklet der 5-CD-Box

CD 1 der 5-CD-Box:

  1. I’ve Never Been In Love Before
  2. In The Wee Small Hours Of The Morning
  3. Chicago
  4. The Night We Called It A Day
  5. Sometimes I’m Happy
  6. Whisper Not
  7. Billy Boy
  8. Tricrotism
  9. Billy Boy.

Tracks 1-7 ursprünglich veröffentlicht auf der LP: The Trio (live from Chicago).
Track 8 ursprünglich veröffentlicht auf der LP: The Sound of the Trio.
Track 9 zuvor unveröffentlicht.

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285. O.P. Trio in London House

Highly inspired Oscar Peterson, during the London House Sessions. Foto: Verve (Holland) MGVV 9004

Die erste CD der "London House Sessions” ist die beste. Sie ist zwar insgesamt großartig, besitzt zudem aber noch zwei ganz besonders herausragende Tracks: "Sometimes I’m Happy” und "Tricrotism” (bekannt auch als Tricotism oder Tractitism). Beide Tracks werden Sie total umhauen.

Schauen Sie diesbezüglich nur einmal auf das obenstehende schöne Foto, das während der London Houses Sessions entstanden ist. Man fühlt sofort die vom Trio erzeugte tolle Atmosphäre

Da es in diesem 5-CD-Set zwei verschiedene Versionen von "Sometimes I’m Happy” gibt, werde ich beide später bei der Besprechung von CD 5 noch im Einzelnen vergleichen.

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Der Eröffnungstrack "I’ve Never Been In Love Before” stammt wahrscheinlich von einer Broadway Show. In den Händen des Trios wird er zu einem Medium-Swing, wie er charakteristisch war für das Peterson-Brown-Thigpen Trio. Das Stück drängt immer mehr einem definitiven Höhepunkt entgegen, ehe es zum Thema zurückkehrt.

Mit "In The Wee Small Hours Of The Morning” morgens aufzuwachen, wäre der perfekte Start in einen neuen Tag. Peterson hat es nicht eilig, geht die Sache locker an und spendiert uns ganze 8 Minuten.

Danach grüßt das Trio die "Windy City" "Chicago" in einem Up-Tempo-Track. Achten Sie darauf, wie geschlossen die drei Musiker spielen.

"Whisper Not" ist ein Meisterstück seelenvollen Ausdruckes, es kann sich fast messen mit den beiden besten Stücken dieser CD.

"Sometimes I`m Happy" ist über 11 Minuten lang, es ist mit seinem extrovertierten Enthusiasmus ein Meisterwerk. Ein sehr inspirierter Track mit großen Improvisationen, bevor uns Oscar mit auf den Gipfel nimmt. Es ist eines der besten Stücke der "London House Sessions", was zugleich bedeutet, dass es eines der besten Stücke in Oscars gesamter Karriere ist.

Ganz anders die ruhige, aber fesselnde Deutung von "The Night We Called A Day", aber sicher nicht weniger erfüllend.

Das herausragende Stück für den Jazzenthusiasten allerdings ist "Tricrotism" mit seinem über 11 Minuten währenden unwiderstehlichen Groove, resultierend aus Brown`s riesigem dunklen Bass, Peterson`s wirbelwindartiger Leichtigkeit und Thigpen`s anfeuerndem perkussiven Fundament. Wie auf allen Stücken dieser CD erweist sich auch Tricrotism als Trio-Zusammenspiel "wie aus einem Guss", das Stück kocht, nein, es brennt. Man kann wunderbar hören, wie Peterson sich durch Brown`s großartiges Solo inspirieren lässt und nachfolgend in seinen eigenen Soli ein swingendes Feuerwerk voller neuer Improvisationsideen abbrennt.

In dieser blendenden Form hätte er wohl für immer weitermachen können. Nach etwa 10 Minuten voller Spielfreude aber hält er die Zeit für einen atemberaubenden Höhepunkt gekommen, bevor er dann zum Eingangsthema zurückkehrt.

Das Set wird wie so oft mit "Billy Boy" beendet. Währenddessen kann man Peterson`s Bemerkung hören: "Hope the tapes were rolling". Er hat also ganz geanu gewusst, dass er soeben ein Meisterstück abgeliefert hatte.

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Infos zu CD 2 aus dem Booklet der 5-CD-Box

CD 2 der 5-CD-Box:

  1. On Green Dolphin Street
  2. Thag’s Dance
  3. Ill Wind
  4. Kadota’s Blues
  5. Put On A Happy Face
  6. Old Folks
  7. Woody’n’you
  8. Yesterdays

Die Tracks 1-4 wurden zuvor auf der LP "The Sound Of The Trio” veröffentlicht.
Die Tracks 5-8 wurden zuvor auf der LP "Put On A Happy Face" veröffentlicht.

Diese CD startet mit dem alten Jazz-Standard "On Green Dolphin Street". Peterson beginnt mit impressionistisch anmutenden Tönen und Brown streicht sein Instrument mit dem Bogen. Doch schon bald darauf fällt das Trio in einen swingenden Groove, nicht zuletzt Ray befindet sich in großartiger Form. Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen zwischen Oscar und Ray, bevor das wie eine Einheit agierende Trio um den blendend aufgelegten Peterson in einen harten unwiderstehlichen Swing umschaltet und dann zum Thema zurückkehrt. Auf CD 4 befindet sich eine zweite Version dieses Titel, ein Vergleich bietet sich an.

"Thags`s Dance" beweist, dass Thigpen mit seinen Besen keinerlei Vergleiche zu scheuen hat. Das sehr schnell gespielte Stück ist ganz einfach ein Meisterwerk und Ed`s Solo sicher ein Lehrstück für jeden Schlagzeuger.

Oscar`s Lieblingspianist war Art Tatum, an dessen Stil er sich mit "Ill Wind" anlehnt. Dieses schöne, romantische, zudem virtuose Stück zeigt aber auch sehr deutlich, dass Oscar`s Klavierspiel ein völlig anderes ist.

Oscar hat übrigens sehr viel mehr Musik komponiert, als manch ein Jazzliebhaber weiß. "Kadota`s Blues" - geschrieben für seinen kanadischen Techniker Kadota - ist solch eine feine swingende Komposition mit einer Länge von mehr als 11 Minuten. Es ist ein glücklich-entspannter Song, man hört, wie Peterson jeden einzelnen Moment genießt. Wiederum schwelgt er in improvisatorischen Fantasien, ehe er das Stück an Ray Brown`s grundsoliden rockigen Bass für ein großartiges Solo weitergibt. Ganz offenbar inspiriert durch das Spiel seines engen Freundes Ray übernimmt Oscar danach wieder und schließt in grandioser Form bluesig-swingend ab.

"Put On A Happy Face" war der Eröffnungstrack der gleichnamigen Original-LP, und in der Tat zaubert die Musik bei jedem von uns ein Lächeln auf das Gesicht. Dieses schöne swingende Stück macht wieder einmal deutlich, dass das Trio seinerzeit auf dem "Höhepunkt seiner kreativen Kraft" angelangt war.

Die melodische Ballade "Old Folks" hat das Peterson Trio oft in Konzerten gespielt, genauso wie das hier extrem schnell interpretierte "Woody`n`you", eine Dizzy Gillespie-Komposition für dessen Bandleader Woody Herman.

Die CD schließt ab mit "Yesterdays", eigentlicher einer Ballade, hier aber interpretiert als Walzer von erhabener Schönheit.

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Infos zu CD 3 aus dem Booklet der 5-CD-Box

CD 3 der 5-CD-Box:

  1. Diablo
  2. Soon
  3. The Lonesome One
  4. (There is) No Greater Love
  5. I Remember Clifford
  6. Autumn Leaves
  7. Blues For Big Scotia
  8. Swamp Fire
  9. I Love You
  10. I Happened In Monterey
  11. Billy Boy

Die Tracks 1-3 wurden zuvor auf der LP "Put On A Happy Face” veröffentlicht.
Die Tracks 4-9 wurden zuvor auf der LP "Something Warm” veröffentlicht.
Die Tracks 10-11 wurden zuvor noch nicht veröffentlicht.

"Diablo" bringt interessante Rhythmuswechsel. "Soon" zeigt die bemerkenswert enge Vertrautheit der Musiker untereinander, hören Sie nur, wie das Trio gemeinsam Fahrt aufnimmt.

"The Lonesome One" ist eine weitere Peterson-Eigenkomposition, eine Ballade voller atemberaubender Schönheit.

"(There`s) No Greater Love" beginnt als Medium-Swing, bevor Oscar es mit seiner umwerfenden rechten Hand ganz an sich reißt. Ray und Ed folgen ihm eng. Nach einem kurzen Bass-Solo kehrt Peterson zum Thema zurück.

"I Remember Clifford", ein dem legendären Trompeter Clifford Brown gewidmeter Jazz-Klassiker beginnt in ergreifend rhapsodischem Stil, schaltet dann aber fast unmerklich schwelend um und beginnt nach und nach zu kochen. Schließlich wird das Stück zum Düsenjet und hebt mit all seiner Kraft und Schönheit ab.

"Autumn Leaves" ist ein Stück von eindringlicher Erhabenheit.

Damals gab das Oscar Peterson Trio in jedem Jahr mehr als 200 Konzerte. Und obwohl Oscar nur selten zu Hause war, schenkte ihm seine erste Frau Lil fünf gesunde Kinder. Ray Brown, der Familie auch privat eng freundschaftlich verbunden, war oft zu Besuch bei den Petersons in Kanada. Für Ray hatte es dabei den Anschein, als sei Lil ununterbrochen schwanger. Und da sie aus Nova Scotia stammte, gab er ihr den Spitznamen "Big Scotia". Dabei war sie keineswegs schwer oder gar übergewichtig.

Als dann Oscar später ein Stück für Lil schrieb, erhielt es den Namen "Blues For Big Scotia". Was für ein tolles Stück! Welch aufregende Emotionalität, welch umwerfender Swing, welch verblüffende Virtuosität! Sicher ist das einer der besten Titel der "London House Sessions".

Das tolle, ausgelassene "I Love You" ist ein weiterer Höhepunkt. Es zeigt die frappierende Geschlossenheit der Gruppe, was nicht zuletzt auch für das irrwitzig schnell gespielte "Swamp Fire" gilt.

"It Happened In Monterey" und alle nachfolgenden Stücke waren zuvor noch nie auf irgeneinem Tonträger erschienen. Und Sie ahnen es schon: keines dieser 24 bisher unveröffentlichten Stücke ist in seine Art ein "Lückenfüller". Insgesamt bringen uns diese Erstveröffentlichungen zusätzlich noch einmal so viel Musik wie die 4 Original-LPs, verdoppeln also deren Laufzeit.

Und gerade einige der der bisher unveröffentlichten Stücke gehören zu den besten der Sessions. Natürlich ist es da von Interesse, die bisher unveröffentlichten Versionen mit den bereits auf LP herausgegebenen Tracks zu vergleichen.

Mit dem Song "It Happened In Monterey" aus dem Sinatra-Songbook gelingt dem Trio eine Demonstration, wie die bekannten "Songbooks" des Jahres 1959 hätten ausgearbeitet, mit Leben erfüllt werden können, würde Granz Peterson nicht instruiert haben, die Einspielungen "short and simple" anzugehen. Klar, einige "Petersonians" lieben diese Songbooks, und vor allem die ersten Versionen der frühen 50er Jahre mit dem Peterson-Brown-Ellis Trio. Ich persönlich halte das aber rückblickend für überflüssige Bestrebungen seines Mangers, Oscar populär zu machen, zumal er bereits weltberühmt war und schon beeindruckende Mengen von Plattem verkauft hatte.

Gerade diese Version von "Monterey" verdeutlicht, was das Trio aus einer sattsam vertrauten Weise hervorzaubern konnte, wenn man ihm dafür einmal wenigstens 6 Minuten Zeit ließ.

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Infos zu CD 4 aus dem Booklet der 5-CD-Box

CD 4 der 5-CD-Box:

  1. Introduction
  2. On Green Dolphin Street
  3. Moanin’
  4. Billy Boy
  5. Scrapple From The Apple
  6. Jim
  7. Band Call
  8. The Night We Called It A Day
  9. The Lonesome One
  10. The Gravy Waltz
  11. Woody’n’you
  12. Soon
  13. Daahoud

Alle Tracks wurden zuvor noch nie veröffentlicht.

Nach einigen einleitenden Worten und Instrumenten-Abstimmungen beginnt Oscar "On Green Dolphin Street" mit impressionistischen Tupfern, fährt dann aber hoch zu einem pulsierenden Beat, wobei ihm Ray und Ed bei seinen glänzenden Wechseln und schnellen Läufen eng folgen. Diese zweite Version von "Dolphin Stret" ist natürlich ganz anders als die frühere. Welche Version nun aber die bessere ist, lässt sich kaum sagen. Lassen Sie uns froh sein, dass wir beide Versionen besitzen.

In den frühen 60ern war "Moanin`" aus der Feder des Pianisten Bobby Timmons ein großer Hit für Art Blakey & The Jazzmessengers. Oscar versieht dieses Stück mit einer ungewöhnlichen Einleitung, ehe er die Gangart hart swingend wechselt, aber immer eng am Thema bleibt.

Mit "Billy Boy" verabschiedet sich das Trio in die wohlverdiente Pause, bevor es mit Charlie Parker`s "Scrapple From The Apple" die "Bob City" betritt. Titel wie diesen hat das Trio nur selten gespielt. Oscar beginnt mit schnellen Läufen, wohl genauso, wie "Bird" selbst das Stück angegangen hätte. Und auch, als Ray den Raum für ein feines Bass-Solo bekommt, bleibt das Trio wie ein Mann zusammen. Dann übernimmt Oscar wieder und vollbringt Unglaubliches. So wie Charlie Parker mit seinem Saxophon ist Peterson auf dem Klavier ein atemberaubender Virtuose.

"Jim", eine zauberhafte Ballade, wird vom Trio sehr stimmig interpretiert. Oscar brilliert mit schnellen Läufen und Ray zeigt uns, warum er der Traum eines jeden Bassisten ist. Oscar ist voller Inspiration und Erfindungsgeist. Den Beginn wieder aufgreifend lässt er das Stück schließlich als Ballade ausklingen. Sicher ein Highlight dieser Sessions.

Das Trio hat während seiner Tourneen "Band Call" immer wieder überall auf der Welt gespielt - und meist als Swing. Aber hier ist Oscar offensichtlich voller Zusatz-Feuer und nimmt das Stück vergleichsweise noch einmal schneller. Das Trio swingt, als wäre es wahnsinnig. Kurz vor Schluss spielt Peterson einige Boogie-Passagen, aber nur, um dann erneut zurückzukehren zu einer rasanten Geschwindigkeit, die man theoretisch kaum für möglich halten würde.

"The Night We Called A Day" ist die zweite Version, doch sicher ebenso gut die frühere. Wiederum startet das Stück als feine Ballade. Oscar lässt das Piano "singen", obwohl es leicht verstimmt ist. Und hören Sie nur, wie gut Oscar und Ray zusammenspielen.

Ray Brown ist als Komponist sicher unterschätzt, sein "The Gravy Waltz" allerdings wurde zum Jazz-Klassiker. Das Trio hat diesen Titel auch auf dem tollen Album "Affinity" eingespielt, aber diese Version hier swingt noch härter, obwohl das Stück ja eigentlich ein Walzer ist. Oscar spielt blendend und fordert damit Ray in dessen eigenem Song heraus.

Den Woody Herman gewidmeten Titel "Woody`n`you" hatten wir ja schon zuvor besprochen. Hier wird er wiederum in atemberaubender Geschwindigkeit interpretiert. Hören Sie nur, wie Ray und Oscar trotzdem nie außer Takt geraten.

"Soon" ist leider unvollständig, möglicherweise waren die Bänder zu Ende. Diese zweite längere Version wäre (sofern vollständig) vielleicht sogar die bessere geworden. Ging das Trio doch hier so inspiriert zu Werke, wie in seinen anderen "11 Minuten-plus-Grooves". Alle drei Instrumentalisten sind auf ihrem kreativen Höhepunkt - doch plötzlich ist alles aus. Ich habe Verve trotz des jähen Endes geraten, das Stück zu veröffentlichen - und wenn ich es heute wieder höre, bin ich immer noch froh, dass es auch so gekommen ist.

"Daahoud" ist nach "I Remenber Clifford" eine weitere Verbeugung vor dem Komponisten und Peterson-Freund Clifford Brown. Dieses Stück hat das Trio immer wieder während seiner Konzerte gespielt. Ray brilliert auf seiner Bassgeige, Ed ist ein einziges Wunder mit seinen beiden Besen, doch Oscar stiehlt beiden die Show mit seinen ultraschnellen Tempi.

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Infos zu CD 5 aus dem Booklet der 5-CD-Box

CD 5 der 5-CD-Box:

  1. As Long As There’s Music
  2. Close Your Eyes
  3. Cubano Chant
  4. Sometimes I’m Happy
  5. Sophisticated Lady
  6. Better Luck Next Time
  7. Confirmation.

Alle Tracks zuvor unveröffentlicht.

"As long As There`s Music” hört man nur selten. Es ist wahrscheinlich ein Titel der Tin Pan Alley (= der 28. Straße zwischen Fifth Avenue und Broadway, wo zwischen 1900 und ca. 1930 die meisten US-amerikanischen Musikverlage ansässig waren und wo alle Komponisten ihre Musik unterzubringen versuchten). Nach Einführung des Themas versetzen uns Oscar und seine Mannen in eine tolle swingende Stimmung.

"Close Your Eyes" ist ein bekanntes und vom Trio oft gespieltes Stück. Diese Interpretation aber swingt noch härter, als andere mir bekannte Versionen und ist sicher eine der besten.

Dasselbe kann man von "Cubano Chant" sagen, das Oscar lange in seinem Repertoire hatte. Obwohl es eine wunderbare Soloversion aus seinen Pablo-Jahren gibt, ist diese Trio-Interpretation aufregend, elektrisierend und insbesondere hart swingend.

Die zweite Aufnahme von "Sometimes I`m Happy" ist nicht so herausragend wie das Meisterstück der ersten CD-Version. Dennoch ist auch diese Version großartig.

Nach den vorausgehenden hart swingenden Titeln ist nun mit dem Stück "Sophisticated Lady" wieder Balladenzeit angesagt. Die schöne Melodie wird mit größtem Respekt interpretiert. Das Trio hält sich eng an die Vorgaben, sucht aber dennoch nach interpretatorischen Möglichkeiten und findet diese nach 5 Minuten in einen groovigen Walzer.

"Better Luck Next Time" ist ein Medium-Swing und damit sehr typisch für das Trio. Die drei Instrumentalisten zelebrieren einen Groove, der so für immer und alle Zeit hätte weitergehen können.

Mit "Confirmation" zieht das Trio erneut den Hut vor Charlie "Bird" Parker. Oscar spielt von Beginn an bis zum Schluss in absolut blendender Verfassung, natürlich im Wissen um die absolute Größe des Saxophon-Virtuosen.

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268. O.P. London House Japan

The London House Sessions - Japan Edition

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8. Das Ende

Im Jahre 1973 schloss das "London House". Wie Oscar mir berichtet hat, wurde danach dort ein "Burger King" errichtet. Heute befindet sich an gleicher Stelle ein Backshop.

Allerdings spielte Oscar Peterson 1973 noch kurz vor der Schließung weitere Aufnahmen im London House ein, diesmal für Pablo. Und zwar mit einem seiner größten Trios überhaupt, nämlich dem Gitarristen Joe Pass und dem Bassisten Niels-Henning Orsted Pedersen.

Von diesen Sessions wurden zwei großartige Alben veröffentlicht. Aber sehr wahrscheinlich befinden sich in den Archiven der heutigen Eigentümer noch eine Menge mehr Aufzeichnungen aus den 1973er Sessions. Und diese Musik sollte unbedingt veröffentlicht werden, zusammen mit den bereits auf beiden LPs erschienenen Titeln.

Ich würde dazu der Produktionsfirma sehr gern meine helfende Hand reichen. Und ebenso zu einer eventuellen Neuveröffentlichung der originalen "London House Sessions", diesmal aber in chronologischer Reihenfolge.

Denn hier hören wir Jazz auf höchstem Level von einem der besten Jazz-Trios aller Zeiten. Niemals wieder werden wir solch ein Trio erleben können; seien wir also froh, dass wir es auf den überlieferten Tonträgern immer und immer wieder hören dürfen.

© Arnold van Kampen, 2013

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443. O.P. announcing 2

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Hans Georg Brunner-Schwer
und SABA/MPS

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